Für das Erinnern
Ja, wie kam ich in das Konzentrationslager‑ Mühldorf – Mettenheim ? Über Dachau wurden wir... d.h. die ehemaligen Häftlinge, die über Warschau nach Dachau kamen, in das Außenlager Karlsfeld gebracht.
Im Januar 1945 wurde ein Kommando... an dessen Spitze der Häftling Christl Knoll stand, nach Mühldorf‑Mettenheim, geschickt.
Nun, dadurch, dass mein Bruder mitgegangen ist und ich wusste, wie wichtig es ist, einen Bruder neben sich zu wissen, um zu überleben, war ich natürlich sehr unglücklich und es ergab sich kurze Zeit danach, ich glaube, es war anfangs Februar oder im Februar die Möglichkeit, nach Mühldorf zu kommen.
Einfach sich einem Transport anzuschließen war sehr riskant. Entscheidend war, wie sehen die Häftlinge, die für den Transport ausgesucht wurden, in welcher physischen Verfassung sind die Häftlinge? Und aus diesem Grund habe ich einen SS‑Oberscharführer, - ich wusste, dass er erst seit kurzer Zeit in SS‑Uniform steckte, und ... namens Busch, der durch sein Verhalten sehr menschlich wirkte, gefragt: Geht der Transport wirklich nach Mühldorf?
Und ich sagte ihm, dass ich gern mit meinem Bruder zusammensein möchte und deshalb wäre es für mich wichtig, zu wissen, ob es tatsächlich nach Mühldorf geht zur Arbeit und nicht anderswohin.
Natürlich hat er mich verstanden, denn es wurden ja laufend Muselmänner, also körperlich geschwächte Häftlinge ausgesondert und es war ja für uns aus der langjährigen Erfahrungen nicht schwer zu erraten, was mit denen nachher passiert ist. Und so wurde ich sogar als der Leiter dieses Transports bestimmt.
Ich war dafür verantwortlich, dass die Gruppe immer zusammenblieb. Und wir würden dann von Karlsfeld ... in...dieser ersten Februarhälfte in den Zug gesetzt und kamen dann in Mühldorf ‑ Mettenheim an.
Noch am selben Tag konnte ich meinen Bruder ausfindig machen, der das Glück hatte, in der Wäscherei unterzukommen. Die Lagerwäscherei befand sich am Ende des Lagers Mettenheim in einer der letzten Baracken. Ich mein, das Lager existiert heut nicht, aber ich kann mich noch genau an die Baracke erinnern. Und ich wurde am nächsten Tag es war natürlich für mich so etwas wie ... auch wenn ich später noch umdenken musste, eine Art Hoffnung, das Lager zu überleben, weil mein Bruder, der mir ja schon in Auschwitz ganz sicherlich und auch in Warschau auch bestimmt das Leben gerettet hat, in seiner Nähe zu sein. Am nächsten Tag wurde ich in ein Kommando eingeteilt. Ich war zwar physisch nicht so gut beieinander. Ich hatte vielleicht 60 Kilo, mein Normalgewicht war 72 Kilogramm. Das entsprach auch meiner Größe von 1,72m.
Und das war für einen Lagerhäftling noch ein ganz gutes Gewicht. Natürlich kam mir zugute, dass ich vor meiner Deportierung im Januar 1943 Straßenbauarbeiter und Bauarbeiter war und dass ich mit den Geräten ‑ Pickel und Schaufel ‑ sehr gut umgehen konnte. Wir haben ... wir sind dann ausmarschiert und damals war mir der Begriff "Hart", wie ich heute weiß, unbekannt. Es war eine Riesen‑ Riesen‑Baustelle mit Hunderten von Häftlingen, wie ich erfahren hab' auch aus dem Waldlager, das ich nie gesehen habe und wir haben da an einer ‑ und das wusste man schon, dass es eine unterirdische Flugzeugfabrik sein sollte. Diese ganze Situation, die vielen Häftlinge, das Antreiben durch die Kapos, die dort meistens deutsche Kriminelle gewesen sind, und durch die SS und OT‑ Vorarbeiter, die in OT‑Uniformen steckten, die so gelblich-braun waren, so ähnlich wie die Uniformen der SA, das erinnerte mich an das Buch, das ich in der biblischen Geschichte bei meine Religionslehrerin Frau Mandl, die Witwe eines Rabbiners und Schwester des weltberühmten und ... heute trägt auch ein Institut seinen Namen, ... die Schwester von Leo Baeck gewesen ist, Bilder aus Ägypten bei dem Bau der Pyramiden Diese Bilder glichen sich irgendwie, auch wenn sich die Form der Schläge, wie Aderschläge ... also eigentlich, mich erinnern an die ägyptischen Aufseher mit .. das waren glaub ich, neunschwänzige Katzen dargestellt waren.
Natürlich weiß man nicht .... es handelt sich immerhin um eine Zeitspanne von 3200Jahren, als das passiert ist. Und zwischen dem Antreiben durch Gewehrkolben und durch Stockschlag, gab es doch eine gewisse Parallele.
Ich war dann froh... ich kann heute nicht mehr sagen, wie oft ich da ausgerückt bin aber ein sogenannter Protektionsposten nämlich, in die Kleiderkammer zu kommen, wäre bald zu meiner, Verhängnis geworden. Denn in dem Lager Mettenheim gab es Läuse. Ich kam mit Kleidern in Berührung und ich bekam dann auch wirklich Fleckfieber, die durch Läuse ... das durch Läuse hervorgerufen wird. Und hier muss ich folgendes sagen: Es ist ... ich war laut Auskunft meines Bruders 19 Tage überhaupt nicht ansprechbar. Ich habe getrunken, bin schrecklich abgemagert und man konnte also nichts, - auch wenn man versucht hat, zu essen, also man konnte nichts zu sich nehmen. Ich kann mich nur erinnern, dass ich aus dem dritten Stock der Betten, die ja bekannt sind, heruntergefallen bin und meine Rippen dermaßen weh taten, da wusste ich schon ... jetzt bin ich schon da, ich spürte wenigstens diesen Schmerz während ich vorher nur nach Wasser schrie und apathisch da lag.
Nun, auf einmal kam das Kommando : Alle Häftlinge sollen ab transportiert werden. Alle .... die ganze Typhusbaracke soll geleert werden.
Und da muss ich sagen, dass Lagerkommandant Eberle, der ja wie man aus Feststellungen nachher weiß, ein sehr ... ein 150 %er Pflichterfüller gewesen ist, hier eine sehr menschliche ...,der mir gegenüber eine menschliche Haltung gezeigt hat. Es sei dahingestellt, ob es deshalb war , weil das Kriegsende so nahe war. Jeder, der bisschen informiert war und nicht ein Durchhalte‑Mensch war, und sich von der Goebbelschen Propaganda dermaßen hat beeinflussen lassen ...
Das Motiv war mir gleich, aber auf Intervention meines Bruders, der sehr jung war, er war schließlich 20 Jahre alt, nicht einmal 19 l/2 Jahre alt, und ein freundliches Wesen hatte, und die Psychologie der. SS‑Leute aufgrund der Erfahrung in der Vergangenheit in der Lagerzeit gekannt hat... Er hat es fertig gebracht, dass mich der Eberle nicht auf Transport nach Kaufering schickte, denn Kaufering war (liegt bei Landsberg) ein ausgesprochenes Sterbelager.
Mühldorf sollte ja eben, um den Plan der Verwirklichung der Fertigstellung der unterirdischen Flugzeugfabrik ( zu erreichen), ein Arbeitslager und kein ausgesprochenes Vernichtungslager sein.
Nun, außer mir wurde noch ein litauischer Jude, der Automechaniker war, und den Wagen des Lagerführers Eberle zu reparieren hatte und noch ein Häftling, also wir sind nur drei Häftlinge in der Baracke liegen geblieben.
Nun, weitere Aktivitäten waren im Lager Mühldorf nicht mehr drin, denn am 27. April 1945 wurden wir einwaggoniert und sollten, wie sich später herausstellte, in das Etschtal, also nach Oberitalien gebracht werden. Drei Tage später ‑ im Lager konnte ich's natürlich nicht feststellen ‑haben die Amerikaner, die uns gewogen haben, bei mir ein Gewicht von 37 Kilogramm oder 74 Pfund festgestellt. So dass es für mich höchst Zeit war, gerettet zu werden. Sonst hätte ich es garantiert nicht überlebt. Nun, das waren meine Erinnerungen an Mühldorf. Diese Phase war für mich, nachdem was vorher gewesen ist, dass ich... dass wir alle geahnt haben, dass der Krieg nicht mehr lange dauern kann und dass wir gehofft haben, zu überleben. Das war unsere Hauptsorge.
Es war schon nicht mehr die Schläge, die man dazwischen bekommen hat die so .. daran kann man sich, wenn man das gewöhnen kann...
Es war bei den Schlägen das Risiko, dass ein Mensch, der geschwächt ist, schon durch einen leichteren Schlag zu Tode gebracht werden kann als ein Mensch, der beim Raufen eine gesunde Konstitution hat und der dann sofort mit dem Blaulicht und Sirene in ein Hospital gebracht wurde. Das war diese Gefahr. Und jetzt rückschauend möchte ich noch sagen, dass ich im Zusammenhang .... und das sind ja Sachen, die auch wieder interessant sind, die Akten, Gerichtsakten von den Prozessen gegen den Eberle sind jetzt im Zentralarchiv in der Schönfeldstraße Nr. 15, das ist das Bayerische Zentralarchiv, einzusehen. Sie sind aus Washington freigegeben worden, sind in Englisch auf Mikrofilmen und da habe ich festgestellt, dass Eberle vorgeschlagen hat, weil die Rationen knapp waren, man soll diejenigen Häftlinge, die schon so ge schwächt sind, man soll ihnen die Rationen entziehen und sie lieber diesen Häftlingen geben, die noch halbwegs bei Kräften sind, damit sie durchhalten.
Hier möchte ich ja nur sagen, .....dass ich jetzt rückschauend bei einem 150%igen, wie ich gesagt hab, 150%igen Pflichtererfüller, .... er wollte noch mehr machen, als vorgeschrieben war, dass hier doch irgendeine nicht mit der Ethik oder der Religion in Einklang zu bringende Haltung von dem Lagerführer war, aber eine sehr, wie man so sagt, ich möchte es nicht beurteilen, eine praktische ... ein praktischer Vorschlag. Und dass diese Aussage kommt nicht vom Eberle, sondern von einem Zeugen, der das beim Prozess vor dem amerikanischen Militärtribunal oder dem Kriegsverbrechertribunal, ich glaub, es fand in Dachau statt, ausgesagt hat. Nun, wichtig ist auch die Haltung, der verschiedenen SS‑Leute. Es waren ja nicht ... man kann nicht sagen, dass auch die SS‑Leute... waren Individuen. Und Eberle war kein SS‑Mann, also eben auf Kommando ... er war ja selbst Kommandant, sondern konnte die Auslegung seiner Vollmachten konnte er ja ein bisschen variieren. Ich hab mich mit diesem Gedanken beschäftigt, aber ich glaub’, es gehört nicht zu der Geschichte oder zu der Aufgabenstellung die sie hier haben. Ich hab's nur deshalb gesagt, weil sie mich in unserem Vorgespräch auch gefragt haben, ob sich gleich verhalten haben. Dagegen war der Schallermair ein ganz primitiver, sadistischer ... ,Mensch, der mit einem Hund rumgegangen ist und ein ganz brutaler, roher Typ gewesen ist. Ich glaube, er wäre auch so roh gewesen, wäre er in einem normalen Gefängnis ein Aufseher gewesen.
Also ich glaub nicht, der das mit seiner .... er hat auch wahrscheinlich als sehr primitiver Mensch ‑ er stammte aus Hebertshausen ‑ bei Dachau. Hebertshausen ist eigentlich der geographischer Ort, an dem sich das Lager Dachau befindet. Es ist nur eingemeindet. Und er war ein Mann der ersten Stunde. Also er war, wie es genannt wird, in. der Schule der Gewalt einer der ersten Schüler.
Wie kam es eigentlich zu meiner ... zu der Verfolgung in der Tschechoslowakei.
Ich will ihnen meine Jugend ... war nichts Besonderes.
Ich war ein fauler Schüler. Und man hat mir zwar Intelligenz bescheinigt, aber ich war ausgesprochen faul. Ich hatte nur Interesse für Fußball und ich musste zuhause viel arbeiten und ich mochte Latein nicht.
Mein Vater war ein leidenschaftlicher Kartenspieler. Und auf die Frage, warum ich nicht Leute warum ich so schlecht in Latein bin, ...habe ich gesagt: Du spielst mit dem Professor Fillal Karten und gewinnst bei ihm und er hat sich bei mir gerächt. Also so eine Ausrede habe ich gebraucht... Nur um meine Person zu beleuchten. Ich hab es natürlich spätm, dann diese Lücken alle auffüllen müssen. ...
Aber es war ... mein Interessengebiet lag nicht nur an den banalen Sachen. Ich hab Krimis in der Schule gelesen, unter der Bank während des Unterrichts. ...
Nachdem ich die ersten vier Klassen des Gymnasiums absolviert hab', hat mein Vater gesagt: Na ja, zum Studieren hast du doch kein Lust, du bist der älteste, du wirst das Geschäft übernehmen. Mein Vater hatte einen Großhandel mit Schokolade gehabt.
Da ging ich in die Handelsschule und hab da Stenografieren gelernt und Handelskunde. Und da war ich der Clown der Klasse. Und da hab ich auch wieder wenig gelernt.
So hat z. B. der Direktor gesagt - der war für die Handelskunde zuständig: „Mannheimer, Sie Schlingel.“
Er hat mich, zur Tafel gerufen. „den wievielten haben wir heute?"
Sag ich: „Weiß ich, den 15. Juni 1936. „
Zu dieser Zeit ging ich noch in die Handelsschule. Das war von 34 ‑ 36. Dann hab ich das Datum gesagt.
Erste Frage sehr gut beantwortet.
„Und nun werden wir sehen, wie es weitergeht. Darf ein Eisenwarenhändler aufgrund der bestehenden Gesetze und Gewerbevorschriften mit Wein handeln?"
Da sag ich : "Ja, wenn es sich um einen eisenhaltigen Wein handelt! Das ist bei Blutarmut. Dann darf er das.“
Großes Hallo in der Klasse.
Ich bekam für diese zwar falsche aber wahrscheinlich opportune und dem Direktor (Funke hieß er) zusagende .Antwort eine Eins und wurde in Handelskunde das ganze Jahr nicht mehr geprüft. Also wie konnte ich dann etwas lernen.
Und so habe ich mich durch die Schule laviert. Ging dann nach Znaim bei Alt‑Schallersdorf, das ist in Südmähren. Habe meine kaufmännische Lehre ... man nannte das Praktikum, weil Lehrling war damals . . . das Wort Lehrling war ohne Handelsschule.
Man musste es drei Jahre machen. Das war auch was Besseres. Man nannte es Praktikant und ich muss sagen, dass ich damals große Wert darauf legte,als Handelsschulabsolvent ... als solcher erkannt zu werden. Denn wann ich schon nichts erreicht hab' und nichts ... zu faul war in der Schule und nicht lernen wollte, da wollte ich mit diesem wenigstens angeben. Das nur zur Charakterisierung meiner selbst.
Praktikant.
Damit Sie nicht denken, dass ich ein so bescheidener Mensch war. Das bin ich auch heute noch nicht, so wie es sein sollte.
Wir mussten einer öffentlichen Hinrichtung beiwohnen, die .... ich weiß jetzt nicht, ob es sich um 7 oder 10 Häftlinge gehandelt hat, die aus dem Auschwitzer Bunker gebracht wurden und die als Warnung vor angetretenem Lager gehängt wurden.
Eine zweite Scheußlichkeit war, dass waren aufgestellte am Tor, schräg auf einem Brett liegende Häftlinge, ich weiß auch nicht waren’s vier, fünf oder sechs, es war ein kleines landwirtschaftliches Kommando, das angeblich fliehen wollte, gemeinsam. Die fand man mit auf.... und man hat sie geschnappt und mit aufgeschlitzten Bäuchen und herausquellenden Därmen usw. mussten wir bei dem Komma beim Lagereinmarsch "Augen links!", mussten wir die sehen.
Sie waren nicht schizophren.
Nehmen wir an die Verhaltensweise von jungen ..., wenn einer alt ist, verhält er sich anders als wenn er in einer Gruppe ist und ich meine, ich will jetzt nicht eine bestimmte Gruppe...., die sich gleich kleiden und in bestimmten Aggressionen zu übertrumpfen versuchen. So ähnlich war es ja auch bei diesen Sachen. Man durfte keine Schwäche zeigen, denn Schwäche, wenn man eine Uniform anhat, wird normalerweise als große Schwäche ausgelegt.
Es ist sogar erwiesen, dass Himmler bei der Besichtigung von Auschwitz schlecht geworden ist, weil er sich das zwar am Papier sich alles gut vorstellen konnte, aber als er mit der Wirklichkeit konfrontiert wurde, doch die Sache nicht so verkraftet hat, trotzdem den anderen eben eingeredet hat - das sind jetzt historische Tatsachen die ich jetzt nicht einbringen kann, denn sie wollen etwas sehr Persönliches machen - die man ja wissen muss, um überhaupt das ganze System zu erfassen.
Ich gehe sogar soweit, dass ich den Schulen den Schülern sage:
Ich habe zwar nicht das Recht, aber ich erteile ihren Großvätern und Großmüttern - denn um solche handelt es sich - so etwas wie die Absolution (in Anführungszeichen), weil nicht alle wissen konnten, einige haben's natürlich gewusst, sie waren ja unmittelbar daran, was passiert. Denn ‑ so führe ich weiter aus ‑ glauben Sie, dass ich als 18‑jähriger bei der Besetzung des Sudetenlandes durch die Wehrmacht dageblieben wär' oder spätestens bei der Deportation im Jahr 1943 (Anfang 43) als 23‑Jähriger, dass ich dageblieben wäre, wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet? Ich hätte alle Anstrengungen unternommen . Ich habe zwar verschiedenes gewusst, aber was Bestimmtes wusste man nicht.
Außerdem war es gefährlich, darüber zu sprechen.
Die Situation in der einzelnen Familie, in der deutschen Familie damals – oder in der tschechischen ‑ weil ich ja aus der Tschechoslowakei komme ‑ war ja so, dass Kinder, bzw. Eltern vor Kindern in acht nehmen mussten, genauso wie es eben hier war. (Denunziantentum) weil die Lehrer auch von ihrer Verpflichtung her alsnationalsozialistische Lehrer, die sieauch nicht immer waren, aber schon wegen ihrer Existenz beitreten mussten, ja befragt wurden, was man zuhause spricht. Dieses System machte ja sogar das Wissen ‑ wenn jemand darüber wusste ‑ unmöglich, sich zu informieren und sogar das Abhören von Fremdsendern (BBC, die sehr gute Informationen hatten, aber nicht auch in Bezug auf die Vernichtung, das kam erst viel später), die wurden ja auch von andern Völkern wie Amerika nicht geglaubt, diese Gräuel, dass so etwas überhaupt möglich ist, denn immer - auch wenn es sehr abgedroschen klingt ‑ und das sage ich immer in der Schule, konnte man sich rein gar nicht vorstellen dass ein Volk Goethes und Schillers zu solchen (und nur auf hat man sich immer berufen, das ist eine feststehende Redensart gewesen), dass die in der Lage wären, so etwas zu tun. Dann müssen Sie sich vorstellen: Die größten Opfer des Judentums in Polen oder in den russischen Gebieten - es sind ja aus der Ukraine und wo immer Juden gemordet werden - die waren ja durch das Jiddische, das ja praktisch ein Mittelhochdeutschen (vermengt mit slawischen und hebräischen Elementen), die war ja diejenigen, die neben der jiddischen und hebräischen Literatur sich an der Deutschen orientiert haben. Das war für sie kulturelle .... das war das Land, wo die Kultur sehr viel Bedeutung hatte für sie. Man hat neben jiddischen und auch hebräischen Büchern auch die ganzen Klassiker gehabt, die hat man hochgehalten. Es wurde dann auch später sehr oft - z.B. von den Tschechen den Juden in der Tschechoslowakei - vorgeworfen, das Deutschtum so stark gefördert (zu) haben. Da zeigt sich ja auch bei den Vornamen: Jeder Jude hat einen hebräischen Namen, aber er hat auch einen Vornamen. Sie werden kaum einen finden , der Wicheslaw oder Pschechislaw oder Przemisl heißt , sondern sie heißen Siegfried und Siegmund wie sie alle ..und Heimrich, wenn sie den Heinrich nehmen. Die deutsche Kultur war ja das oberste. Das war ja ... ich meine, sie haben in Deutschland auch eine Zeitlang eine große Liberalität erfahren. Sie konnten sich, auch wenn sie aus bestimmten Berufen ausgeschaltet waren, waren sie ja doch freier als in anderen Ländern, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Meine ganzen Vorträge zielen darauf ab, und das ist meine ehrliche Überzeugung: Warnung und Versöhnung. Aus der Geschichte lernen und zwar nicht nur aus der Geschichte des Verhältnisses zwischen Juden und Nichtjuden sondern allgemein die zwischenmenschlichen Beziehungen . Es ist ja so, man sieht es ja, dass diese Konfrontation künftig anders laufen wird, als es war. Geschichte, das wird jeder Geschichtsforscher bestätigen, wiederholt sich zwar in gewissen Ähnlichkeiten, aber so ganz genau wiederholt sie sich nicht.
Zum Beispiel: Ich hab' s Ihrem Herren Müller auf dem Gelände, als ich diese Bogen sah und meine Erinnerung an die Hunderte von Häftlingen mit Schaufeln und mit Spaten, die da gebuddelt haben, als die unterirdische Flugzeugfabrik gebaut wurde, gesagt, dass mich das ganz genau an das Geschichtsbuch ‑ die Biblische Geschichte in meiner Jugend erinnert. als ich da die Zeichnungen bei dem Bau von Pyramiden sah, als die ägyptischen Wächter mit Peitschen in der Hand die Leute antrieben. Dass sich die Form des Antreibens eine bisschen modifiziert hat liegt nur an den technischen Errungenschaften. Es gab damals noch keine Gewehre, es gab eben die Peitschen.
Und da sehe ich eine gewisse Geschichtswiederholung, obwohl ‑ es ist eigentlich eine ganz große Ehrlichkeit ‑ obwohl 3200 Jahre dazwischenliegen. Also, das Schicksal der Juden ist... eigentlich war seit 70 nach Titus , nach der Zeitrechnung nach Titus ‑ Zerstörung des Zweiten Tempels in Jerusalem -, eigentlich immer eine Geschichte , ein Wechsel zwischen Verfolgung und relativer
Geborgenheit, relativ deshalb, weil sie ja immer in einer Art von Ghetto leben mussten, deshalb erstens einmal, weil die Herrschenden sie doch als Fremde nicht aufnehmen konnten oder wollten und andererseits die Juden von sich aus wahrscheinlich wenn sie freier gewesen wären, sich mit. der Zeit verloren hätten, z.B. durch die Mischehen . Durch Mischehen wären ja die Juden praktisch allein aufgelöst. Sie integrieren sich und die Kinder sind dann nicht mehr jüdisch. Die Religion hört auf zu existieren. Diese Verfolgung, so tragisch alles war, hat aber doch die Bewertung: Dieser starke Glauben , dieser Zusammenhalt durch ein Buch oder durch fünf Bücher (Moses) hat bewirkt, dass die Leute ihre Religiosität diese Diaspora, diese Zerstreuung überlebt haben und dass das wieder dann eben auch zu dem, zur Gründung des Staat Israels geführt hat. Bei einer Assimilierung oder Integration in andere Völker wäre das ja nicht mehr möglich gewesen.
Ich sage, ein Familienvater, der z. B. arbeitslos war, und fünf Kinder zu versorgen hatte, nach der Weltwirtschaftskrise, und dann plötzlich die Möglichkeit gehabt hat, Arbeit zu bekommen, vorausgesetzt er tritt der NSDAP bei ....
Da würde ich auch, wenn ich apolitisch wär', überlegen was ist jetzt, ... soll ich jetzt die Familie weiter auf die Sozialhilfe.... weiter auf die Sozialhilfe angewiesen sein, oder soll ich lieber beitreten? Das sind solche Fragen, die man 41 Jahre nach Kriegsende ... nicht ohne weiteres so beantworten kann. Man muss sich zurückversetzen in diese Zeit. Und deshalb bin ich da sehr nachsichtig. Ich stell' ja selbst in meinen Erinnerungen meine eigene Haltung bei Hilfen die mir zugute kamen z. B. als mein Freund Josef Brammer, mit dem ich noch immer in Verbindung bin, der in der Tschechoslowakei lebt, bei der Erkrankung meines Bruders Ernst, der also umgekommen ist ..., seine warme Jacke zur Verfügung gestellt hat, denn er war ja zum Tode praktisch schon verurteilt. Er hatte Fieber, er hatte Durchfall, und der Bepperl Brammer, ... zieht seine warme, gefütterte Jacke aus und tauscht sie gegen ein Jackett, weil wir hatten keine Mäntel an. Und ich hab selbst so mich gefragt: Würde ich das tun für einen ? Wir waren, wie gesagt, Freunde, aber es war doch nicht der Bruder. Der Egoismus war in dem Lager so stark geworden, dass jeder selbst überleben wollte und, was noch interessant ist, als ich ihn darauf angesprochen hab' bei einem seiner Besuche hat er gesagt ‑ er wollte das runterspielen ‑ er ist ein nämlich ein sehr kluger und auch ... bescheidener Mensch , er hat gesagt: „Ich hab' das nicht so geseh’n. Nun, er hat überlebt, aber es..... diese Kleinigkeiten , ein wattiertes Jackett, das war eine Ausnahme. Wir hatten sonst nur dünne Jacketts.
Ankunft 1./2. Feb 1943 ‑ Polen ‑ Birkenau ‑ offenes Lager ‑ eiskalter Wind Schlamm ‑gefroren ‑ in der Früh tiefer Schlamm ‑ wenn's so tagsüber aufgetaut ‑ das waren ... das war ein menschliches Verhalten, das einmalig ist.
Jetzt ‑ natürlich ‑ hier zu diese Schuld ‑ zu diesem Verhalten, oder zu dieser Mitschuld oder dem Verhalten der Zivilbevölkerung: Nehmen wir den Fall Mühldorf.
Ich sah wenig von der Zivilbevölkerung, weil die Zivilbevölkerung ... es war da irgendein Lager gegenüber dem Lager Mettenheim Und wenn wir da ausmarschiert sind in diesen Hart zu dieser unterirdischen Flugzeugfabrik, waren meistens entweder die Leuten in den Baracken, die sich an das Bild gewöhnt haben. Aber wir konnten ...... ich mein ... es war jaauch kein Verhalten, wie es z.B. 1940 oder so gewesen ist, es war ja schon eine veränderte
politische Situation. Es ging auf das Ende des Krieges zu. Ich glaub’, davon hing es auch ab, aber es ist mir bekannt und ich weiß das auch von meinem Bruder, dass er z.B. bei einem Kommando in Karlsfeld , da arbeitete man beim Gleisbau, ... da waren Leute, die haben den Häftlingen Brot zugesteckt, und man kann nicht sagen, dass man... dass sich ... ich persönlich kann nie sagen, dass jemand sich irgendwie von der Zivilbevölkerung mir gegenüber schlecht verhalten hat. Ich kann immer nur für mich sprechen. Und ich will nicht in irgendeinem Interview oder in einem meiner Vorträge etwas, was passiert ist irgendwo oder was ich. irgendwo gehört hab, wiedergeben, sondern nur meine persönliche Erfahrungen.
Ja. Die ganze Sache ist die, dass ich als erstes, aber das Bild weiß ich nicht, wo es ist, eben eine Situation gemalt hab, die Krematorien und Flammen im Hintergrund zeigen, vorne Stacheldraht und Menschenmassen, also das, da‑‑ war der Eindruck, den ich hatte oder den ich wiedergegeben hab’, den ich aber in dieser Form nie gesehen habe. Ich hab die Flammen des Krematoriums nie geseh’n, denn Flammen kann man nur sehn, wenn es finster ist.
Und wenn es finster ist, waren wir in den Baracken drin. Es war nur eine Sache, ich hab mit einem Psychiater mich drüber unterhalten ....
ER sollte in Zusammenhang mit meinen Wiedergutmachungsansprüchen – ich habe mich beschwert wegen meiner schlechten Nerven und über Träume usw. und dass ich vom KZ träume und schweißgebadet aufwache – und da sagte er mir, das käme vom niedrigen Blutdruck.
Nun, heute weiß man, das es nicht so ist, weil ich denke ...nehme an, und ich habe sogar in meinem Bekanntenkreis einen ehemaligen Wehrmachtssoldaten, der verschüttet war, und der hat noch immer Angst gehabt, in ein Flugzeug zu steigen , nicht wegen des Absturzes, sondern wegen das was man Klaustrophobie nennt ‑ enger Raum ‑ nicht heraus zu können, verschüttet zu sein. Das sind natürlich ... gehört das den Bereich der Psychiatrie. Das sind Psychosen, Angstneurosen usw.
Aber man sieht auch, dass auch hier, ein ganz neues Gebiet entstanden ist, und ich gehe soweit zu behaupten, dass kein einziger Mensch, obwohl das eine sehr kühne Behauptung ist, ganz heil, wenn er auch organisch vielleicht stabil und robust ist, aber dass er einen tiefen seelischen Knacks hat und tiefe Wunden in seiner Seele, denn ich selbst konnte über diese Sachen gar nicht sprechen lange Zeit. Ich sag immer, ich muss bei jeder dieser Vorlesungen meine private Hölle durchschreiten und es gibt auch eine Stelle, es gibt zwei Stellen eigentlich, aber eine Stelle lasse ich immer durch den Lehrer lesen. und ich gehe - es sind nur ein paar Minuten ‑ und ich gehe aus dem Klassenzimmer oder eben raus oder, weil ich es ‑ wie man auf bayrisch sagt „noch nicht packen kann“. Es kann auch sein, dass ich auch das schaffe, aber die Reaktion auf diese Vorträge und die Bereitschaft und das Verständnis bei den jungen Leuten und auf die kommt es mir in erster Linie an und auch das Verständnis und das Weiterempfehlen, das Weiterreichen an andere Schulen durch die Lehrer oder Pfarrer ist nur eine Bestätigung, dass ich in meiner Darstellung, die nicht von. eben von Rachegefühlen - eben wie das Motto schon gesagt : Warnung Versöhnung - ... zwei Ziele hat:
Das eine, genauso wichtig wie das andere und ohne das geht es nicht. Denn die jüngsten Ereignisse zeigen, dass ewige Rache , das Rachenehrnen, diese Revanche, nur die ganze Sache eskaliert.
Und insofern, ich hab auch mit einem Pfarrer darüber diskutiert, bin ich nicht mit dem biblischen Ausspruch " Auge für Auge, Zahn für Zahn" ganz einverstanden, weil ich mich nicht zu einem Reformator aufspiel' .
Man soll ja auf der einen Seite, aber es ist natürlich, etwas optimistisch oder zu naiv zu glauben, wenn man die Backe hinhält, um eine Ohrfeige zu bekommen, und nichts tut, dass damit das Problem gelöst ... Aber hier , das möchte ich auch noch behaupten, die materialistische Welt heute, die ist dermaßen von diesen Grundideen der Religionen abgekommen, dass sie von verbesserter Lebensqualität und von ... mit solchen Parolen operiert
um vielleicht Stimmen bei politischen Wahlen zu gewinnen, anstatt die Menschen versuchen zu verbessern.
Und zwar müsste man doch zu diesem teilmaterialistischen Denken irgendwelche Alternativen bieten z.B.
Solche Idea1isten, wie sie es sind oder wie ich es versuche zu sein, andere mitzureißen.
Natürlich werden viele sagen: Irreal, Sektierer, Spinner, aber man muss ... so was muss man in Kauf nehmen, wenn man eine Idee Menschen näher zu bringen ... das muss man schon auf sich nehmen. Und ich sehe ja, wenn z. B. .... ich meine, ich bin ja erst auf diese Sachen seit meiner Veröffentlichung im Dezember, erst habe
eigentlich erst am 14 nein am 9. April durch einen Vortrag auf Einladung der evangelischen Versöhnungskirche in Dachau begonnen, dass ich mit einem KZ‑Freund, der Ernest Landau, der mit mir in Warschau gewesen ist, in einem Zyklus, innerhalb eines Zyklus über das Konzentrationslager Warschau gesprochen haben.
Das hat mich erst, hat mich erst .... und die Reaktion der Schüler, das war eben diese Klasse , ein oder zwei Klassen aus Fürstenfeldbruck - und dann waren noch junge Leute aus Dachau, einige Erwachsene auch da –
Das hat mir gesehen, das ist eine sehr wichtige Sache, die man da machen kann.
Das ist keine Geschichtsabhandlung , es ist keine Auflistung von so und soviel Millionen Toten. Das ist ja viel
zu abstrakt. Das ist ja viel zu ... das ist ja für den Menschen unfassbar.
Weil, wie reagiert der Mensch im allgemeinen?
Erdbeben in Chile oder im Iran, 60000 Tote, Kontonummer am Fernsehschirm, Spenden werden geschickt nach drei Monaten, spricht ja niemand darüber. Hier glaube ist ... und da haben die Lehrer und alle Erzieher, ob sie Pfarrer sind oder ... eine ... die größte Aufgabe , eben die jungen Leute schon nicht nur auf ihren Lebenskampf, um die DM oder Dollars vorzubereiten, sondern auch menschlich vorzubereiten, dieses Menschliche nicht neben dem alltäglichen Sorgen um den Unterhalt zu vergessen. Und das scheint mir die Voraussetzung dafür, dass die Verständigung zwischen den Menschen irgendwie gefördert werden kann.
Und ichmöchte dazu noch etwas sagen, weil wir, bevor wir begonnen haben ... wieein Mensch sich an diese Brutalitäten gewöhnen kann Und wie erabgehärtet wird. Ich weiß nicht, ich hatte das Glück g nichtin die Situation zu kommen, wie ein Mithäftling, dem ich demnächst, das was Sie jetzt mit mir machen, werde ich mit ihm m interviewen werde. Er war derjenige, der dem berüchtigten Sanitätsdienstgrad Klehr die Opfer halten musste, die durch den Klehr mit Phenolspritze getötet wurden. Und auch wenn es nicht zu der Mühldorfgeschichte gehört, gilt das doch für alle Lager. Auf meine Frage, die nebenbei.... das Interview kommt ja erst noch.... gefragt Was hast du empfunden? Da hat er gesagt: Anfangs war es sehr schwer. Aber nachher hab ich mich daran gewöhnt. Nun zu seiner Person möchte ich noch folgendes sagen: Er ist ein sehr einfacher Mensch, aber gutherzig und harmlos. Er hat nach dem Krieg in einer Bank vorübergehend bis zu seiner Erkrankung, er ist aufgrund seiner Erfahrung gesundheitlich ein Wrack und ich hoffe nur, dass er mein Interview nie sieht. Ich wünsche mir jeden Tag, er sollte mir als Zeitzeuge für das Interview noch erhalten bleiben, denn es geht nicht allein um die Aussage, es geht um das Menschliche, was ein Mensch machen muss, wenn er überleben will. Denn die kleinste Weigerung, die Opfer nicht mehr bereit zu sein zu halten, und das Wissen, um diese Tatsachen, die ja das Leben gekostet hätten, .... das leiseste Wort hätte ja dazu geführt, dass er selbst Opfer geworden wäre. Also dieser Selbsterhaltungstrieb war... ist menschlich verständlich. Ich geh mit ihm so um, wie mit jedem andern Menschen. Ich verurteile ihn nicht, aus zwei Gründen: erstens bin ich kein Richter, das ist der eine Aspekt und zweitens weiß ich noch immer nicht, hab mir die Frage gestellt, wie hätte ich mich verhalten, wenn überleben wollte. und wusste, wie die Situation ist. Das war eben dieses System. Dieses System ... und so etwas muss die Öffentlichkeit erfahren, damit, ganz gleich wo es ist, damit es sich nie wieder holt. Denn zu sagen, so etwas kann sich nicht wiederholen, ist sehr leichtfertig. Und es wäre unverantwortlich.
Nach dieser Operation unmittelbar am zweiten Tag war eine Selektion. Eine Selektion war nichts anderes als "Leben oder Tod“. Oder was man damals Leben nannte, also vorläufig überleben. Und Leute also, die schon so motiviert waren wie ich - seit meiner ... seit der Frage meines Bruders "Willst du mich alleinlassen?“- wollten überleben.
Um jeden Preis.
Es ist unvorstellbar, welche Leiden der Mensch auf sich nimmt, wenn er den Willen hat, zu überleben. Man kann .... es gibt ja keinen.... man kann .... ein Schmerz ist ja nicht messbar. Es ist etwas Abstraktes. Und ich wollte überleben und da passierte am Tag nach der Operation folgendes: Wir hatten Papierverbände, das war unsere medizinisch Versorgung und ich musste zu dieser Selektion, die unangemeldet war natürlich.
Spontan standen ein SS‑Arzt in der Tür, andere Helfer Häftlingshelfer usw. und "Alle Kranken antreten! Bei ihrem Bett antreten!“
Und es war sehr zeitig in der Früh. Und dann muss man sich habe das ja noch nicht mitgemacht, man wusste, so etwas bedeutet... eine SS‑Uniform innerhalb des Krankensaales, wo sonst die Häftlinge allein regierten, ...war schon etwas Außergewöhnliches.
Und jetzt habe ich gesehen, dass jeder Einzelne aufgrund der Kartothek nach der Nummer aufgerufen wurde. Und er musste den etwa 12m langen Gang zwischen den dreistöckigen Betten laufen und vor dem SS‑Arzt stehenbleiben. Der hat auch aufgrund der Karten, die er gehabt hat, die Diaqnose gemacht, so eine Operation ... Furunkulose, das waren die häufigen, Ödematose (eine Folge der Hungererscheinung), bei mir war’s die Leistendrüsenentzündung und weil ich ein Sportler war, ich hab alles getrieben, Fußball, Leichtathletik und schon die Psychologie ein bisschen erkannt hab, dieses Militärische, diese militärische Haltung, habe ich meine Arme so angelegt, wie man es bei Läufen tun und hab trotz der Schmerzen, wie man sich vorstellen kann, ohne Tabletten, ein Schnitt, dessen Narben noch heute zu sehen sind, der so etwa 8‑9cm lang war, offen war, bin ich gelaufen.
Ich bin um mein Leben gelaufen. Und ich durfte ins Bett zurück. Und ich wusste, dass das mich gerettet hat, diese Haltung. Denn ich hab nachher Leute, die schon so apathisch waren, wegen der Schmerzen, oder verzweifelt waren, oder nicht mehr leben wollten, die wurden sofort ohne dass er noch weiter gefragt hat, die wurden sofort dahingestellt. Also von unserem Saal wurden so ungefähr 40 Häftlinge, einem gelang es wegzukommen, den hat man dann, weil die Nummer gefehlt hat, die Karten wurden ja aussortiert, von den Leuten, die da einbehalten wurden, den hat man aus dem Bett rausgeschleppt, der hat sich wieder verstecken wollen in seinem Bett und der hat geschrien natürlich. Und jeder hat eine Decke bekommen, das war ungefähr im April 43 und wurden dann runtergeführt. Wir haben beim Fenster geschaut und es stand ein Lastwagen da und wir wussten schon, was da los war. Also das war das Schlimmste.
Ich hatte noch eine Operation ....
Und hier möchte ich wieder diese Zwiespältigkeit des gleichen Mannes, der Tausende und Tausende, Hunderttausende an der Rampe sortiert hat, das war nämlich der gleiche Obersturmführer, sein Name ist Endres, er wurde 1946 in Krakau hingerichtet. Dieser Arzt stand plötzlich vor unserem Block, nachdem es vorher hieß:
"Alle nichtpolnischen Juden antreten!"
Und wir mussten das.... zum Unterschied von sonstigen Selektionen, wo man nackt sein musste, genügte es in diesem Fall, weil wir ja ein Arbeitsblock waren, kein Krankenblock, das Hemd auszuziehen. Und neben dem... er hat jeden Häftling hat er angesehen und hat dem Schreiber, der ein Berliner namens Heinz war, auch ein Jude aus Berlin, leise Anweisungen gegeben, die wir nicht hören konnten. Und als der... unser angetretene Block, das war der Block 14a, da war das Kommando Bekleidungswerkstätte untergebracht, durch war, rief mich der Hein und sagt: „Max, den Edgar hat er genommen, dich nicht! Was soll ich machen?“
Dann sagt er: „Sprich einfach mit ihm!“ Da habe ich den Mut und meine ganze erlernte Disziplin, militärische Disziplin zu Hilfe genommen, hab mich aufgestellt, hab die Mütze abgenommen, ich war inzwischen angezogen, ich hatte nämlich einen Abszess an der Brust und das war noch nicht verheilt.
Dann sag ich: „Herr Obersturmführer, Häftling 99728 bittet um eine Unterredung.“
Und er sagt, das hat mich sehr überrascht : "Was wollen Sie?“
Sag ich: "Mein Bruder wurde auf Transport genommen und ich, obwohl ich vollkommen gesund und arbeitsfähig bin, wurde abgelehnt."
Man muss immer bedenken, ich war angezogen. Dies Mann, dieser SS‑Obersturmführer, hat so viele Häftlinge inzwischen geseh’n und er hat gesagt: "Sie haben doch eine Wunde auf der Brust.“
Sag ich: „Aber die ist vollkommen verheilt, und ich bin arbeitsfähig.“
Und da sagt er: "Zeigen Sie!"
So hab ich noch mal das Hemd aufgemacht und er sagt: "Schreiber, Transport!"
Und dann: „Danke, Herr Obersturmführer."
Ich will damit nur zeigen, dass ein Mensch, oder Unmensch, wie kann man es sagen, dass er mir dadurch das Leben gerettet hat. Ich hätte nie, aufgrund dessen, was später passiert ist, allein durchgehalten. Unmöglich! Denn noch so viele Freunde, nicht immer dann auch die Freunde zusammengegeben, aber ein Bruder, ist ein...
Also, kurz und gut, wir bekamen Konserven, Margarine, Brot, Holzschuhe und wir wurden es war am nächsten Tag oder am späten Nachmittag, ich weiß jetzt nicht mehr so genau ... die Zeitbegriffe wurden ein bisschen verschwommen, zumal ich auch meine Erinnerungen nach 22 Jahren geschrieben hab, und nicht unmittelbar nach dem Krieg.
Ich hab ja nie dran gedacht, dass ich so etwas einmal aufschreibe werde.
Und wir wurden einwaggoniert, und fuhren mit unbekannten Zielen weg von Auschwitz und das war mein Wunsch. Denn Auschwitz, da wussten wir zuviel, was passiert. Der Krieg war fortgeschritten, war inzwischen den 8. Oktober 1943, und es sickerten so verschiedene Nachrichten durch und wir konnten ja nichts nachprüfen. Wenn jemand überleben will, ist jede Nachricht, jeder kleine Lichtblick man klammert sich dran. Das ist ja der Unterschied zwischen
einem der nicht leben will und der leben will. Der sieht immer das Positive.
Wir wurden in die.... das waren Güterwaggons, links und rechts vor der Tür musste der Raum frei bleiben. Da saßen zwei SS‑Posten. Wir fragten: Wo geht’s hin? Die durften natürlich nichts sagen. Aber wir wussten, wir gehen nicht zur Vernichtung, denn wir sind ja schon so lange gefahren, einige Stunden. Dann haben aufgrund... wir konnten ja rausschauen, bei diesen Schlitzen, diesen Klappen wussten wir, es geht nach Norden und schließlich kamen wir am 9. Oktober 1943, das war der jüdische Versöhnungstag Jom Kippur auf hebräisch genannt, in Warschau an. Und zwar ist es so gewesen, bei uns zwar nichtpolnische Juden ausgesucht wurden, aber es waren bei uns auch französische Juden, die aber in Polen geboren wurden und in Frankreich gelebt haben und schon naturalisiert waren, also Staatsbürger waren. Die hat man aber auch ... man gelegentlich nichtpolnische Juden schicken wollen, damit sie sich nicht verständigen können, mit den Polen, dort mit den Zivilarbeitern, was wir uns später erst gedacht haben.
Es war gespenstisch. Jetzt hatten wir solche Holzschlappen, die vorne, nicht so wie heute die Cloqs, es hatte vorne nur so ein Leinwand und es war schwer drin zu gehen. Man musste so die Zehen spreizen, damit die Schuhe dableiben. Und es war gespenstisch, sind dann zeitig in der Früh angekommen, durch dieses ausgebrannte Ghetto, das Ghetto wurde ja 1943 bombardiert. Es war im März, April . Da war der Aufstand im Warschauer Ghetto, er wurde niedergeschlagen, damals hat ein SS‑Oberführer namens Strobl Himmler gemeldet, dass gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr, das ist genaue Wortlaut, das kann man ja nachprüfen und wir wurden eben hingebracht, um die Ruinen aufzuräumen.
Was wir nichtwussten, war, dass 500 griechische Juden, es waren griechische Juden waren die Transporte die mit 109000, sofern sie ins Arbeitslager gekommen sind, 109000, 110000 ,111000, in Birkenau registriert, waren schon da, um das Lager aufzubauen.
Das Lager war in der ... Straße, was zu deutsch: Gänsestraße 1
Das war in der Nähe eines Gefängnisses, das aber nicht mehr als solches benutzt wurde, sondern damals provisorischer Krankenbau für die Häftlinge ... Wir wurden da eingeteilt in die verschiedenen Arbeitskommandos. Mein Kommando hieß Merkl. Wir waren mit der Abbruch der verschiedenen Gebäude der... beauftragt. Und was sehr schwer war, wir war eben in diesen Pantinen da, wie wir sie nannten, die Holzpantinen, auf diesen Mauern rumzuklettern, denn Sie wissen, dass so eine Mauer ungefähr 30 cm, wenn der Ziegelstein quer liegt, breit ist und wenn es doppelt ist, ist es auch nicht so leicht, weil wenn man Pickel reinschlägt, und dran zieht, und der gibt schneller nach als man rechnet, dann stürzt man ab und es sind natürlich sehr viele Leute dabei umgekommen.
Kurz und gut, ich hab gesehen, es ist nichts für mich, ich war auch und so geschwächt. Ich hab mich vorher hingelegt in einen Winkel, und ich geglaubt hab, ich kann dort ausruhen und da hat mich ein reichsdeutscher Kapo erwischt und hat mich zusammengeschlagen mit einem ....
das ist nicht so entscheidend... ich hab ja überlebt, ich will nicht auf solche Alltäglichkeiten eingehen.
Kurz und gut, ich habe gesehen, das ist nichts für mich. Ich war auch so geschwächt. Ich habe mich vorher hingelegt in einen Winkel, wo ich geglaubt hab, ich kann dort ausruhen und da hat mich ein reichsdeutscher Kapo erwischt und hat mich zusammengeschlagen
Kurz und gut, es hat sich bei der nächsten Gelegenheit, es wurden Wäscher gesucht und der SS‑Oberscharführer, namens Mielenz, den man Kappesbauer nannte, ohne dass er’s wusste, ich weiß nicht warum, angeblich kommt das von Kraut oder so. Er war ein etwas derberer und brutalerer Mensch, der fragte mich, wo ich gearbeitet hätte als Wäscher. Hab gesagt: "Theresienstadt!“
Weil ich schon gewusst hab, das ist nicht nachprüfbar, ich war ja zwei Tage in Theresienstadt, bzw. zwei Nächte vor der Deportierung. Wir kamen in eine kleine Wäscherei, da war zwei Kessel und monatelang nicht gewaschene Wäsche, verlaust, und da hab ich zwei, drei Wochen gearbeitet. Dann hat das nicht hingehauen irgendwie, man hat’s aufgelöst und man hat, weil wir vier Wäscher, wir uns gemeldet haben, kein einziger war Wäscher von Beruf, aber der hat doch irgendwie gesehen, wie man das mit der Wäsche anfängt, dass man einen Kessel anheizt und rumrührt usw. mit einem Stock, sonst konnte man sowieso nichts machen, wir sollten ja nur die Läuse ein bisschen abtöten.
Es wurde nun ein Kommando ausgesucht, das Wäschereikommando, das war eine Wäscherei, die für die Wehrmacht wusch, tagsüber polnische Zivilhäftlinge, nachts ... nicht Zivilhäftlinge, polnische Zivilarbeiter, nachts Häftlinge aus dem Konzentrationslager Warschau. Wir haben da die Wäsche gewaschen. Es war eine schöne Arbeit im Warmen. Die Aufseher, es waren zwei Volksdeutsche, Volksdeutsche aus Jugoslawien, aus Kroatien, die uns bewacht haben, die sich zu uns sehr korrekt verhalten haben, sie wurden direkt gefragt: „Wie sind sie in die SS gekommen?“
Wie man nach dem Krieg weiß, sind sehr viele Volksdeutsche direkt in die SS‑Uniformen gesteckt worden, die eben aus diesen Ländern kamen. Sie haben da ihren Dienst versehen, sie haben sich wenig um uns gekümmert. Ihre Hauptarbeit war, dass sie uns während des Marsches vom Ghettogelände, d.h. das KZ lag im ehemaligen Ghetto .... und wir verließen das Ghetto bei der genannten ... und das war das Ghettotor, das zu deutsch Eisenstraße hieß und gingen in das Haus Leschna Nr. 20 zur Firma Winter.
Dieses Kommando war wunderbar, weil wir eine Möglichkeit hatten, erstens im Warmen zu sein, zweitens konnten wir für unser Mithäftlinge, und was ich auch tat, immer die schmutzige Wäsche anziehen und sie mitwaschen da heimlich. Es war eine Heißmangel, so dass die durchgezogen war und am nächsten Tag hab ich die frische Wäsche abgeliefert. Es war riskant wegen Fleckfiebers. Es war auch Fleckfieber da.
Mein Bruder Edgar erkrankte daran, aber er hat das gut überstanden durch Hilfe eines norwegischen Mithäftlings, mit dem ich noch heute in Kontakt bin, der später Arzt geworden ist. Damals war er Medizinstudent. Und dann kam nach einer gewissen Zeit kam die Ablösung. Es wurde Wäsche... stücke sind verlorengegangen. Die polnischen Zivilarbeiter haben’s auf uns geschoben und wir waren die Schwächeren, deshalb wurde unser Kommando abgelöst. Es wurde als Nachkommando ein anderes Kommando herausgeschickt . ...
Ein Grieche namens Saul Sorin, der die Möglichkeit hatte für die Kleiderkammer in der Stadt.
Wäsche zu holen, versuchte zu fliehen, wurde angeschossen, gefangen und dann vor unseren Augen gehängt. Und sein Bruder war Zeuge dieser Sache.
Es war damals etwas sehr Schlimmes. Weil wenn jemand durch ... Schläge oder Krankheit oder so .... daran waren wir gewöhnt.
...
Es kam dann ein Transport ungarischer Juden und es wurde aus Auschwitz, das war die Deportierung der ungarischen Juden, die, wie wir jetzt aus der Geschichte wissen, von Eichmann organisiert war. Die kamen über Auschwitz dann auch nach Warschau, eine gewisse Zahl, die Zahl kann ich jetzt nicht nennen. Es wurde zu diesem Zweck ein anderes Lager eingerichtet und ich muss auch sagen, dass ich zwischendurch das Glück hatte, dass man Leute, die mit Büroarbeiten vertraut wäre und stenografieren konnten... und dass ich angetreten war gegen mehrere Reichsdeutsche, die aber nicht qualifiziert waren, weil kein einziger stenografieren konnte. Ich brauchte eigentlich nicht . ... die Stenografie brauchte ich eigentlich nicht, aber man wollte auch sicher sein, dass jemand tatsächlich Büroarbeit beherrschte.