Für das Erinnern
Grab der Familie Eisler
Ich bin ja gekommen aus Warschau.
Und aus Warschau sind wir deshalb gekommen, weil die sowjetischen Besatzungstruppen so weit vormarschiert sind, dass Warschau nicht zu halten war. Und darum hat man uns in ein Lager geschickt, wo Arbeitskräfte nötig waren. Und ich möchte vorausschicken: Wenn ich nun über meine Erinnerungen über das Waldlager Ampfing, wenn ich auf diese Erinnerungen zurückkomme, muss ich den Zuhörern doch gleich sagen: Ampfing und auch das Lager Mettenheim waren Konzentrationslager in dem Sinn, wie wir sie vorher als alte Häftlinge erlebt haben, ja überhaupt nicht. Sie sind ja keine Konzentrationslager in dem Sinn gewesen.
Sie haben dem Zweck gedient, hier im ... da unten in der Hauptbaustelle zu arbeiten, wesentlich in der Hauptbaustelle zu arbeiten und dort irgendeinen Bunker für Flugzeuge mit errichten zu helfen.
Man, darf bei so einem Lager, das Wort "Konzentrationslager" ja gar nicht in den Mund nehmen, wenn man nicht über den Zweck dieser Lager einige Worte verliert. Weil, das bin ich mir als Häftling schuldig.
Auschwitz haben wir so erlebt: Wir sind dort z.B. hingekommen aus Frankreich, in den Waggons zu je 100 Menschen. Keine Ahnung, wohin wir kamen. Man hat uns herausgejagt aus den Waggons und wir wurden eingeteilt, wie es bei unserem Transport war in Frauen und Männer natürlich, und dann wurden wir ausgesucht nach unserem Alter.
Leute, die also arbeitsfähig erschienen, wurden auf die linke Seite gestellt, die andern auf die rechte. Und dann gingen die, die auf der rechten Seite waren, die älteren und die weniger arbeitsfähigen wurden weggebracht, keine Ahnung wohin und wir wurden ins Lager gebracht und dann hat sich herausgestellt, dass diese .... wie bei meinem Transport von 1000 Häftlingen, die 886, die man von uns abgesondert hat, sofort in Gaskammern gingen und wir also und von meinem Transport, der dann ins Lager gekommen ist, war ich also nach einer Woche der einige Überlebende.
Das sind also Gesichtspunkte, wie wir die Lager erlebt haben. Und wie wir alten Häftlinge mit den fürchterlichen Gedanken an damals zurückdenken.
Und wenn ich Ihnen jetzt sagen soll, wie wir empfunden haben unsere Ankunft hier im Waldlager, muss ich Ihnen das so sagen: Es war im Juli 1944. Vor uns hat sich also dargestellt folgendes Bild: Eine Lagerführung, die wohl der SS zugeordnet war, aus einem Hauptmann oder besser gesagt aus einem Hauptsturmführer und einem Hauptfeldwebel, besser gesagt aus einem Hauptscharführer. Diese Leute sollten jetzt mit uns Angekommenen ‑ ich weiß nicht wie viel wir waren, aber wahrscheinlich an die 1000 ‑ mussten mit uns fertig werden und haben selber noch nie Häftlinge vor sich gehabt. Das ist eine ganz andere Situation und flehentlich quasi hat sich so ein Hauptscharführer Ammer an uns gewendet: „Ja sagt einmal, wer war von euch schon einmal in einer Funktion im Lager. Wer war zum Beispiel ein Blockältester?“
Daraus hat sich ergeben, dass sich Häftlinge in diese Funktion gemeldet haben, ganz überrascht, was hier eigentlich los ist. Ich würde also so sagen: Als wir angekommen sind, wurden wir natürlich nach Listen gezählt und namentlich aufgerufen, das ist klar, die Lagerführung musste ja wissen, wer sind die 1000 Menschen, die da ankommen. Und dann hat sich ergeben diese Nennung von Leuten, die gesagt haben: „Ich war schon einmal ein Blockältester.“ Die Zuhörer können da absolut nicht ahnen, was ein Blockältester ist. Was ist denn ein Blockältester? Ein Blockältester ist also einer der für die Zeit, die ein Häftling sich im Lager befand, auf sie aufpasste, schaut, dass sie sich nicht entfernten von ihrer Behausung das Essen kriegen und schaut, dass sie in der Früh pünktlich dem Kapo wieder, der die Menschen beaufsichtigt, wenn sie ausmarschieren übergeben.
Nun fragen Sie mich vielleicht da wieder, was ist ein Kapo. Der Kapo ist nun einer, der bestimmt wird von der Lagerführung, dafür zu sorgen, dass die Leute an ihre Arbeitsplätze kommen und an den Arbeitsplätzen ihr Essen kriegen und dann wieder einrücken ins Lager, um dann wieder vollzählig es durfte ja nie jemand fehlen vollzählig wieder ins Lager kommen. Das ist nun die Aufgabe eines Blockältesten und eines Kapos. Diese Aufgaben haben die Häftlinge gekannt, aber die Lagerführung hat sie nicht gekannt. Deshalb war der ganze Beginn und der ganze Lebenswandel im Lager ein ganz anderer als der, den wir vorher gewohnt waren, Ich kann, Ihnen sagen, meine Tätigkeit, die ich die ganze Zeit ausgeübt habe, vom Beginn des Lagers bis zum letzten Tag, bis zur Befreiung durch die Amerikaner war der eines Lagerschreibers und meistens habe ich auch das noch getan, dafür zu sorgen, welche Leute und in welcher Zahl zu den ausrückenden Kommandos einzuteilen waren. Eine Position, die natürlich in anderen Lagern mit größter Brutalität nur durchzusetzen war, weil es ja so war, z.B. in Birkenau, dass die Menschen ‑ in Birkenau‑Auschwitz ‑ die Kapos schon kannten. Und in der Früh geflüchtet sind, soweit sie das konnten vor den verbrecherischsten Kapos. Und jetzt musste dafür gesorgt werden, dass der doch mit seiner Zahl rauskommt. So was hat’s ja glücklicherweise bei uns nicht gegeben und die Menschen sind also wohl oder übel natürlich und in ihrem betreffenden Zustand zu den Kommandos gegangen.
Also, wie ist es dazu gekommen, dass mir der Herr Ammer oder ein anderer von der Lagerführung gesagt hat, ich soll dieses Amt des Lagerschreibers übernehmen. Ich hatte in meinen Besitz einen Bleistift und einen Radiergummi. Das war für mich ein kolossaler Schatz. So konnte ich den Leuten zeigen, wie man einen Appellplan macht. Und so, laut dieses Appellplans mit dem Block Nr.1, 2, 3, 4, 5 bis 20 wurden die Häftlinge aufgestellt und mussten sich dort hinstellen, in der Früh, vorm Ausmarschieren und abends beim Einmarschieren und wurden gezählt. Niemals durfte einer fehlen. Es durfte wohl ein Toter dort liegen, es durften mehrere Tote dort liegen, aber sie mussten dort liegen und sie mussten zählbar sein und man musste ... Zahl war alles.
Ich habe eine kleine Kanzlei gehabt mit einer Hilfskraft und dort wurden alle schriftlichen Arbeiten gemacht, die die Häftlinge betroffen haben. Menschen wurden dort vermerkt, aufgeschrieben, die weggingen, die gestorben sind, zugegangen sind, wurden dort vermerkt und von da stammen meine Aufzeichnungen, die ich heute noch bei mir habe. Und aus denen auch die Zahlen ersichtlich sind, wie weit das Lager dort Opfer gefordert hat. Es hat nicht die Opfer gefordert, wie woanders, weil wie gesagt, das ja ein Arbeitslager war, aber es hat die Opfer gefordert, die fordern Unterernährung, die kalten Bunker, die kalten Erdbunker, außerdem die schwere Arbeit, die Ja die wenigsten gewohnt waren. Unsere Leute waren nach meinen Aufzeichnungen in einem Alter von ca. 20 Jahren, 20/25 Jahren. Ich mit meinen 27/28 Jahren war schon bei den älteren. Es hat auch noch ältere gegeben, aber da waren schon die älteren Menschen und so konnten die natürlich einig Zeit durchhalten.
Und... direkt geprügelt wurde ja nicht und so waren die Strapazen also: Arbeit, schlechte Ernährung, schlechte Kleidung, Mangel an Sauberkeit. Das war der Verfall und das hat ja schließlich von den 4000, die ich hier aufgezeichnet hab, dass sie ins Lager gekommen sind, 2000 das Lager 1500 das Lager als Tote verlassen und 500 das Lager als Kranke , die man dann über das Lager MI nach Dachau geschickt hat..
M I ist natürlich Mettenheim, das Hauptlager, wie wir’s genannt haben mit diesem Hauptscharführer Eberl, und von dort wurden die Leute dann eben wieder nach Dachau zurück und dort zweifellos umgebracht.
Wenn ich nun sagen möchte, wie sich das Leben im Lager abgespielt hat, so ist ja das Lagerleben beschränkt auf die Zeit vom Einrücken bis zum Aufwachen und da haben viele oder die meisten eben versucht, sich wieder zu erholen von der Arbeit, konnten sich aber nicht erholen aus den geschilderten Gründen: Mangel der Ernährung, Reinigung usw.
Wir haben also diese vielen Opfer zu beklagen gehabt, obwohl wir wie geschildert viel humaner behandelt wurden als überall anders. Die Hauptarbeit haben in allen Lagern die Häftlinge besorgt, die ganze Organisation, alles wurde ja von den Häftlingen besorgt. Es hat nun daran gehangen, welche Hilfskräfte sucht sich die Lagerführung aus? Sucht sie sich die Lagerführung so aus - so wie das in den Vernichtungslagern ist -, dass sie sich die verbrecherischsten Kapos aus allen Lagern geholt haben, dass man extra angefordert hat die schlimmsten Kapos von überall, damit die brutale Gewalt am echtesten zu bewältigen ist, so hat man bei uns die brutale Gewalt also nicht gesucht, absolut nicht gesucht. Und ich betone immer und immer wieder: Sehen wir Ampfing und Mettenheim nicht als Konzentrationslager an, sehen wir sie als verbrecherisch geführte Arbeitslager an. Menschen umzubringen, die Hälfte, ohne endgültige Vernichtung die Menschen umzubringen in neun Monaten, ist wohl als verbrecherisch anzusehen. Darüber kommen wir hier nicht hinweg, auch wenn die Umstände ganz andere waren und die Zahlenmomente ganz andere waren.
Das kann man nicht sagen. Man kann nur sagen, dass sie nicht mehr Mittel für jüdische Häftlinge übrig gehabt haben und damit basta. Nicht wahr. Man kann das nicht mit Mauthausen bezeichnen, wo man die Menschen mit Steinen die Lagerstraßen runtergeschmissen hat und hat sie zu Hunderten und Tausenden umgebracht durch Sturz über die Steine. Das sind.. das sind effektive Vernichtungslager und dort kann man heute die Treppen sehen, man kann aber nicht die Menschen sehen, wie sie gelitten haben und die kann man nirgends sehen. Und niemand kann die sehen, wie Menschen innerhalb von 14 Tagen drei Wochen in einer Art verfallen, dass an . . dass man’s nicht glauben kann, wie schnell Menschen von Kräften kommen, wenn sie nicht den nötigen Schlaf, nicht die nötige Kleidung und vor allen Dingen nicht das nötige Essen und Trinken haben. Was sonst zu beobachten war .... was zu beobachten war und was meine Position so wahnsinnig traurig gemacht hat: diese Hilfsarbeit für den Tod. Ich wurde z.B. aufgefordert, wenn der Lagerarzt kam., der Hauptsturmführer Schmid, dass er antreten ließ alle Leute, die nicht zur Arbeit gehen konnten, weil die konnten sich ja nicht mehr hinaus schleppen den weiten Weg zur Hauptbaustelle, draußen arbeiten und dann wieder zurück, die haben also geglaubt, sie melden sich krank und bleiben beim Block. Die Leute sind dann, wenn sie ein paar Hundert geworden sind, wurden sie in Reih und Glied vor dem Hauptsturmführer Schmid, einen SS‑Mann, Arzt, aufgestellt, und der Mann hat sich die ausgesucht, die er wollte und hat uns den Auftrag gegeben, also mir meistens, den Auftrag gegeben, diese Leute aufzuschreiben und sie bereitzustellen für den nächsten Transport und effektiv zur Vernichtung. Also, so gesehen war natürlich Ampfing/Mettenheim ein Vernichtungslager. Denn man kann ja nicht Kranke, die sich zu Tod gearbeitet haben oder halb tot sind, dann ganz einfach umbringen. Ich mein, das ist ein Vernichtungslager, das ist ganz klar. Nur haben Sie's nicht bis zur völligen Vernichtung gebracht, weil ihnen das Kriegsende ein Schnippchen geschlagen hat. Aber ansonsten hätten sie natürlich alle sonderlich .... und wir waren bestimmt dazu zum Sterben.
Selektiert hat der Mann. Ich war glücklicherweise nie in der Lage.... In Auschwitz z.B. war ein Revierkapo da, ein Pole, der hat selbständig selektiert. Der ist selbständig zu den Blocks gegangen, hat sich die Kranken aufschreiben lassen und bestimmt, welcher Kranke ginge. Das geht noch etwas weiter natürlich, als das, aufzuschreiben, wer dann auf Transport geht. Was Sie sagen, dass man hat helfen können ... Wissen Sie., es ist so traurig über die wenigen Fälle zu berichten, wo man hat helfen können.
Ich erinnere mich an einen Fall, wo z.B. ein Häftling oben schon am Wagen ist zum Abtransport und sagt: Ich bin doch schon 6 Jahre im Lager. Ich war doch in Sachsenhausen. Das war für uns alte Häftlinge die erst drei Jahre im Lager waren, zu hören, ein anderer war schon sechs Jahre im Konzentrationslager .... Das war ein solches Signal, wie für jeden Bürger hier, wenn er sagt: Der Bundespräsident kommt. Wir schätzen das Leben eines sechsjährigen Häftlings höher ein als alle Präsidenten der Welt, weil die haben ihr Leben, ihren Tod jeden Tag, jede Stunde vor Augen. Das kann man überhaupt nicht vergleichen mit irgendwelchen Erlebnissen. Die kann man wohl vergleichen mit Soldaten im Feld, die explodieren und die mit Granaten verbrennen in ihren Tanks, die natürlich auch dieses schreckliche Ende mitmachen. Aber als Opfer einer Verfolgung kann man das nicht mit irgendetwas vergleichen. Und jetzt .... diese Selektionen... Was konnte man helfen? Ich hab a1so . . . bin zum Lagerführer gegangen und hab g’sagt: Herr Hauptfeldwebel, so wollt er sich ja genannt haben, da ist einer, der ist sechs Jahre im Lager . Lassen Sie mir den wieder runternehmen vom Auto. Werden wir schauen, dass wir den retten hinaus, denn der hat soviel mitgemacht, wir können ihn nicht so weggehen lassen. Er hat es gestattet. Das war einmal einer. Ein anderer Mal hat der Hauptscharführer... hab ich schon nicht mehr große Bogen verwendet. Ich hab schon gezielt drauf, ihn zu betrügen, in der Zahl zumindest erst einmal. So hab ich kleine Zettel genommen, auf jeden Zettel 15 Namen nur, nur, nur, dreimal unterstrichen. Wie dann die ganze Gruppe vorbei war, die er gewählt hat, habe ich einen Zettel in meiner Tasche verschwinden lassen. Da hat er aber gesagt: Wie viel haben Sie. Ich mach Sie aufmerksam, ich habe mitgezählt. Schauen Sie, da ist natürlich wieder der Tod natürlich für das vor Augen. Denn wenn er wirklich gezweifelt hätte an meiner Zahl, statt 150 nur 130, hätte er mich wahrscheinlich mitgehen lassen, das ist ganz klar. Oder er hätte mir eine Meldung nach Dachau gemacht, dass ich ihn betrüg und das wär’ natürlich auch das Ende gewesen. Also solche Risken hat man schon getragen und jeder, der ein bisschen einen Funken von Anständigkeit hat, hat so was getan. Aber das sind keine großen Hilfen, denn von diesen 15, die ich da herausgeschwindelt hab, sind sicherlich danach noch 11 oder 12 gestorben. Die waren ja nicht gerettet. Die waren ja nur einen Monat oder zwei oder drei Wochen in ihrem Leben verlängert. Das heißt, man hat sie nicht zum Hinrichten geschickt. Sie wurden doch zugrunde gerichtet.
Also das Leben ist unmenschlich für jeden: Für den, der stirbt, für den der stirbt und für den, der sich durch seine Tätigkeit über Wasser hält. Weil man ganz einfach mit dieser Organisation nicht menschlich leben kann. Und das sage ich heute, das sage ich die ganzen 40 Jahre nachher, das sag ich alle Zeit. Und mein Abscheu ist, dass sie nicht einmal sagen könnten, sie haben jeden Mord selber gemacht, sie haben jeden Mord angeordnet und haben andere zu ihrer schmutzigen Arbeit verwendet. Das ist das Aller‑Aller‑Schändlichste. Viele SS‑Mörder werden gar nicht verurteilt, weil sie selber nicht Hand angelegt haben an den Toten, sie haben's durch andere machen 1assen .
R.R.: Schreibtischtäter sozusagen. Schreibtisch .... am Platz. Und das wissen Sie, und das ist wissen Sie, so abscheulich, dass ich .... Ich kenne Menschen, ich habe Listen von SS‑Verbrechern vor mir liegen, wo... unter deren Herrschaft Millionen Menschen umgekommen sind und die vielleicht von Gerichten freigesprochen wurden, weil sie keine Hand angelegt haben an Häftlinge. Sie haben nur den Blick richten müssen auf den Häftling und er war schon weg. Und das ist das, was unverständlich und unaussprechbar tragisch zu bezeichnen ist.
Es gibt glaube ich im Leben des Menschen, und speziell wenn es unter solchen Umständen ist, kein Nachdenken mehr, was wird geschehen, nur der schüchterne Versuch einer Chance sich hier mit diesen Verhältnissen zu arrangieren. Und diese Zahl derer, die heute darüber berichten können, oder die meinetwegen vor 10 Jahren berichten konnten, weil sie noch gelebt haben, die ist ja zu den allen, die dort eingeliefert wurden, so verschwindend klein, dass man sich um das Seelenleben überhaupt nicht sorgen muss. Er hat versucht, den Tropfen Wasser zu kriegen, er versucht den Tropfen Suppe zu kriegen und er hat versucht außertourlich dieses Stück Brot zu kriegen, Denn mit dem was er bekommen hat, hätte kein einziger Häftling nirgends und in keinem Lager länger als ein, zwei Monate gelebt. Nirgends! Von Auschwitz‑Birkenau gar nicht zu reden und von Treblinka, wo die Krematorien waren. Wo in einem Bunker auf einmal, 2500 Menschen, Männer, Frauen und Kinder nackt hineingesteckt wurden und wo man von oben zugeschaut hat, so wie wir, wie das Zyklon B ‑ Gas von den SS‑Leuten hineingeschüttet wurde und wo man jetzt gewusst: In diesen Momenten sterben jetzt 2500 Menschen da drin. Und so sind einmal gestorben in zwei Tagen, die Juden von Sosnowicz‑Bencin: 35000 Menschen. Und wir haben zugeschaut. Und das sind natürlich ... dieser wahnsinnige fürchterliche Hass, wie können diese Mörder wehrlose, nackte Frauen und Kinder.... und dann durch Häftlinge die ganzen Kleider schön zusammenpacken, sortieren lassen, in großen Hallen aufbewahren, Hallen, die 100 Meter lang waren und 30 Meter hoch, dort schön sortieren lassen die ganzen Kleider und dann als NS‑Wohlfahrt in die Städte zu schicken zur Verteilung an Frauen und Kinder. Ich meine, wer spricht denn von diesen Dingen überhaupt? Wer sagt denn, woher die NS‑Wohlfahrt ihre Mittel bezogen hat, um dort den Menschen... um dort die Menschen in der Heimat zu unterstützen. Wenn wir gesehen haben, wie man die Kleider unserer Babys verpackt und schickt sie dann nach Deutschland, dem muss doch hier in der Heimat heute noch der Kragen wachsen, wenn er sein Baby damit eingekleidet hat, wo dort ein drei Monate altes Baby in der Gaskammer gestorben ist. Aber wir kommen immer auf ein Thema, das gar nicht beabsichtigt war. Aber wenn man spricht von einem Lager, dann ist das nicht anders. Schauen Sie, wie hat sich hier das Ende abgespielt Ich will hier nicht so alle Einzelheiten erzählen, was einer gearbeitet hat und wie lang er’s ausgehalten hat. Aber wie hat sich das Ende abgespielt. Es ist der 26. April gekommen. Am 26, April hat man also gesagt: Das Lager ist nicht mehr zu halten, nicht wahr, die Front rückt immer näher, die Bomben werden immer mehr. Man kann die Hauptbaustelle nicht mehr weiterbauen. Wir schicken jetzt einmal die Leute weg, weil zu essen usw. Wo sie hingeschickt wurden, ich weiß es nicht einmal. Es gibt Häftlinge, die es wissen, weil sie mitgegangen sind auf diesen Transport, ich bin zurückgeblieben. Und mit 400 Kranken sind wir zurückgeblieben und mit vielleicht 30, 40 Personal, das also das ganze weiter zu betreuen gehabt hat.
Der Tagesablauf. Es hängt von der Jahreszeit ab, wann aufgestanden wurde, das ist klar. Denn es hat ja keinen Sinn, denn man könnt ja nicht wie heute, sagen wir, wenn heute um 5 Uhr Wecken wär’ und um halb sechs die Kommandos ausmarschieren, kann man nicht durch den Wald führen, 5 km weit, Menschen in der Nacht. Ich mein, das ist ausgeschlossen, nicht, Das hätte ja gar keinen Sinn. Also das Tageslicht hat man in solchen Lagern wie das Waldlager schon sicher abgewartet. Ich erinnere mich heute überhaupt an keinen Tag mehr, wie das war. Weil ein jeder Tag ja so gleich war, d.h. es wurde geweckt. Die Menschen wurden, mehr oder weniger, zu den Sammelplätzen getrieben und dann hat sich natürlich irgendwie etwas abgespielt. Wir haben Kapos gehabt, Herr Rohr, der hat z.B. folgendes gemacht: Der ist zu uns gekommen und der hat natürlich Methoden eingeführt. Na klar.
Rohr war zeitweise unser Lagerkapo, sicherlich kommt er aus Dachau nicht wahr. Und schlimmste Kapos wurden ja überall von ihren Kollegen und von den alten Häftlingen ausgesondert und wurden in andere Lager geschickt, damit sie dort ihr Unwesen treiben...
So einer hat z.B. einmal, wie ich mich erinnere, aber das sind ja nur solche Einzelheiten, nicht wahr, einen jungen Burschen mit 15/16 Jahren getreten, weil er nicht rasch genug in der Früh beim Ausmarsch hinausgekommen ist. Ich hab den Herrn Rohr, obwohl ich doch in Funktion war und von der Lagerführung eine einigermaßen respektierte Person war, hab ich ihm nur gesagt: Herr Lagerältester, der verliert ja die Hose. Der kann ja nicht. Hat er sofort gesagt, er macht mir Meldung wegen Sabotage. Also diese Leute.... In einem anderen Lager, wenn ich ihm sage... erschlägt er mich sofort. Ob ich jetzt Lagerschreiber bin oder nicht, das ist ganz wurscht. Als christlicher, als katholischer oder evangelischer Kapo hat jedes Verfügungsrecht in jedem Lager über jeden jüdischen 0 Häftling gehabt, kann sein, wer er will. Mein Lagerältester z.B., als wir weggegangen sind von Birkenau nach Warschau, nicht... Auf einmal kommt er auf Transport, mein Blockältester mit einem großen Kopfverband. Dem Lagerältesten hat es gepasst, dass er ihn mit einem Stock den Schädel so lang schlägt, bis der all Blutungen gehabt hat. 14 Tage ist der in Warschau schon gestorben gewesen, nicht wahr, weil .... Aber, hat der einen Schutz? Ein jüdischer Häftling einen Schutz, von wem? Das war im Waldlager anders, weil die Leute, die Führung nicht gewusst hat, was ein Lager :ist. Klar?
Wer es ausgehalten hat, ist halt nächsten Tag wieder gegangen. Wer's nicht ausgehalten hat, hat sich ein paar Tag später ausgesucht, auf Transport zu gehen. Und wer's noch weniger ausgehalten hat, ist gestorben bei uns im Revier. Und so hat man sie dort eingegraben. Ich kann mich erinnern .... Schauen Sie, wie ahnungslos unsere Lagerführung war, ist der Beweis dafür, dass Hauptmann Ostermann einige Tage nach Betriebsbeginn unseres Lagers auf uns zu gekommen ist und gefragt hat: Wieso konnten... sagt man nicht, dass ein Häftling gestorben ist? Der hat geglaubt, dieser Häftling ist gestorben wie ein Rathausbediensteter oder einer hier in irgendeinem Amt. Der hat gar nicht gewusst, wo er ist.
Ja glauben Sie, dass der beim 300. Häftling, der gestorben ist, gefragt hat: Warum ist ein Häftling gestorben? Wir haben auch nicht gefragt. Ist denn wirklich einer gestorben heute? Das hat uns überhaupt nicht mehr berührt . Weil wir waren ja alle solche Todeskandidaten, dass da früher gegangen ist, war ja überhaupt nicht die Frage. Ich ... wissen Sie, ihre Fragen sind verständlich. Sie sind zur Beantwortung deshalb schwer, weil wir so in unserem Lagergeist schon verwoben sind, dass wir ja gar nicht mehr normal denken können.
Schauen Sie, es ist ja mir so gegangen, hier. Wir sind ja seinerzeit, ich bin ja dreimal vielleicht mit SS‑Begleitung nach Altötting gegangen, mit der Bahn. Hier oben vom Bahnhof Ampfing weg, nicht. Und eines Tages war ein regnerischer, ein ganz übler regnerischer Tag und unsere Kleidung war ja nicht die beste. Unsere begleitenden SS‑Leute waren ja schon nicht mehr richtige SS‑Leute, das waren ja irgendwo abgestellte Volksdeutsche, das waren ja nur mehr... Sie wohl die Uniform getragen, aber sie haben ja gar nicht gewusst, was ein SS‑Mann Ist. Und die sind mit uns gegangen, und haben uns zwei SS‑Leute zwei Häftlinge da heruntergeführt und die haben beschlossen, wir gehen, während es so regnet in das Gasthaus hinein.
Was glauben Sie, wie lange wir in dem Gasthaus unten waren? Sind nicht schon Bevölkerungsteile gekommen und haben die zwei SS‑Leute aufgefordert: Sie, Sie dürfen doch nicht mit Häftlingen ins Wirtshaus gehen! Nun, wir haben müssen wieder raus.
Eines Tages ist ein... das war Herr Roßhäupter, der das hauptsächlich betrieben hat, die Kartoffelmiete das ist ein.. ein Erdhaufen, in Kartoffeln gelagert sind. Und die dürfen natürlich nicht verletzt werden, diese Erdkrusten, sonst verfaulen die Erdäpfel, die Kartoffeln. Das durfte nicht sein, das verstehe ich auch ganz gut. Und da... einer unserer Leute hat verordnet, wenn jemand sich an die Kartoffelmiete heranmacht, um die Erdäpfel, Kartoffel zu stehlen, dann wird geschossen. Und tatsächlich ist irgendeinem ... wir haben auch ein paar russische Arbeiter gehabt, hat sich doch herangemacht an die Kartoffelmiete. Herr Roßhäupter hat ihn angeschossen. Der Bursche gelegen bei uns auf einem Tisch und unsere Ärzte konnten ihn nicht operieren. Die Speiseröhre ist ihm beim Bauch herausgehangen und der Bursch ist also mit Streicheln, wir haben ihn gestreichelt und haben ihn an der Hand gehalten und er hat sich bedankt für jedes K richten, aber er ist doch innerhalb von einer Viertel/Halben Stunde in unseren Armen gestorben. Aber so etwas ist eben ein Toter, das ganz außerhalb des Häftlingsreglements ist. Weil unsere Leute krepieren. Und der wurde erschossen. Also ais Voll lebender Mensch in aller seiner Kraft, nicht wahr, hat man ihn da wegen der paar Erdäpfel, die er vielleicht für seine Kameraden ...
Denn, man muss ja bedenken, genug haben wir ja nicht gehabt. Es hätte jeder wahrscheinlich Erdäpfel stehlen können und wollen, weil er ja nicht genug zu essen gehabt hat. Aber so geht's natürlich auch nicht, dass man dass man, selbst dann, wenn Ärzte helfen wollen, ich weiß ganz genau, die hätten ihm helfen können, ohne weiteres, aber sie haben keine Mittel dazu gehabt. Keine Narkotika, die können ihm ja keinen Bauch aufschneiden usw. .... und so ist es geschehen.
Wenn ich einen Fall erzählen darf, von einem Häftling, weil das auch so ein medizinischer Fall ist. Da hab ich ... da war ich in Warschau. Ich kenne Hunderte Fälle, aber manche sind mir so ganz in Erinnerung. Und eines Tages kommt einer auf mich zu, ganz krank und sagt ... Er hat ja gewusst, weiche Funktion ich hab, ich hab ja sogar eine Binde getragen und der sagt zu mir: „Geh, ich bin doch ein Häftling aus Sachsenhausen, ich bin sechs Jahre im Lager. Und jetzt verhungere ich da.“
Er hat kaum mehr gehen können. Ich bin dann zum Lagerältesten gegangen, einem politischen Häftling und hab gesagt: „Herr Lagerältester, da ist ein Häftling bei uns, der ist sechs Jahre im Lager. Können wir dem nicht irgendwie helfen?“
Gut, wir haben ihm geholfen und es ist aber sehr bald zum Abtransport aus Warschau gekommen, weil sich die Front genähert hat und da hat gesagt: „Wer gehen kann, 100 km, kann gehen, die anderen bleiben da, die werden dann geführt.“
Nun, der alte Häftling hat ganz genau gewusst, geführt wird niemand. Er kann mitgehen, dann hat er eine Chance, und bleibt er dort, wird er umgelegt. Das ist ganz klar. Und der alte Häftling ist also mit seinem wehen Fuß, er hat ein ganz krummes Bein gehabt, ist er mitgegangen. Nun, er hat sich nach einigen Wochen doch ein bisserl erholt und ist mitgegangen auf diesen Transport und er ist dann in dieses Waldlager gekommen nach Ampfing. Und weil er so eine wunderschöne Schrift gehabt hat, die er so mit Druckschrift geschrieben hat, habe ich ihn empfohlen dem Lagerführer und er war dann in der SS‑Schreibstube und er hat die ganze Zeit dort gelebt, hat sehr viel Häftlingen geholfen. Sein Einfluss auf die Lagerführung war kolossal groß und er hat überlebt und er lebt heute in Berlin. Der hat aber folgendes noch erlebt, wie er mir erzählt hat, das hat er mir erst jetzt nach dem Krieg erzählt, das habe ich gar nicht gewusst. Sein Bein war ganz gekrümmt, weil er einmal sich die Zehen erfroren hat in Sachsenhausen oder wo und ist ganz mit gekrümmtem Bein gegangen und da haben die gesagt, eines Tages, die Mithäftlinge: „Du, du wirst nicht überleben mit dem krummen Bein, denn wenn du dich da so zeigen willst mit dem Bein, mit einem solchem Gang, werden's dich um so mehr umlegen. Und sie haben ihn gelegt auf einen Tisch, und ohne jegliche Narkose haben sich einige draufgestürzt aufs krumme Bein und haben ihm auseinandergerissen alle Sehnen, so dass der Fuß flach nach unten gegangen ist. Dann haben sie ihn bandagiert und mit diesem verletzt Fuß, ohne genähte Bänder, ohne Kreuzbänder, ohne alles, was man da zerstört hat, hat er dann bei uns das Lager überlebt, Und der Man hat sechs Jahre überlebt im Lager. Also, es gibt Menschen, die überirdische Fähigkeiten haben und vielleicht das Glück. Wie der mich damals, jemand zu sehen, der bereit war und ihm nicht sagt "Versuch oder sonst was ... Und das gibt es. Und jeder von uns, der überlebt, weiß ganz genau, dass nur x und x und x Wunder möglich gemacht haben, überhaupt zu überleben. Mit dem normalen Essen, mit dem normalen Waschen, hat noch kein einziger Häftling, kein einziger Häftling, ich zu behaupten, kein KZ‑Häftling das Lager überlebt. Ist vollkommen ausgeschlossen. Es ist vollkommen ausgeschlossen. Keines. Kein Mauthausen, kein Buchenwald, kein anderes. Kein jüdischer Häftling hat jemals überleben können. Das ist ganz klar. Jede Einlieferung eine jüdischen Häftlings und jedes Zigeuners ist Mord. Wenn er auch nicht gelungen ist. Nicht gelungener Mord. Und ich bezeichne mich glatt als ermordet. Nur ist der Schuss oder die ganze.... danebengegangen. Und ich sehe es auch so. Und ich vergesse es auch nicht anders. Für mich ist es : Ich wurde an diesem 15.August 42 in Auschwitz ermordet.
hat zu mir ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Ich habe trotz aller Bemühungen um die Häftlinge mich mit ihnen gut verstanden. Ich hab ihre Sprache gesprochen. Ich habe mich höflich benommen und sie haben mich trotzdem ich ein Häftling war, respektiert.
Und da in dieser Situation ist zu mir gekommen Herr Hauptscharführer Ammer und hat gesagt: „Eisler, heute nacht kommt die Luftwaffe das Lager liquidieren.“
Er hat mir also gesagt, dass an diesem 29. April ‑ dem Geburtstag meiner Mutter ‑ das Lager liquidiert wird, d.h. wir werden heute alle sterben. Wenn ein Mann mir das sagt, dann muss er ein kolossales Vertrauen gehabt haben, denn er hat gleichzeitig dazu gesagt: Sind's aber vorsichtig, das kostet meinen Kopf. Ich wurde bei diesem Gespräch beobachtet und man hat mir den Verfall meines ganzen Ichs angesehen und die Leute sind zu mir gekommen, waren ja schon meistens in meiner Umgebung damals alte Häftlinge, sind zu mir gekommen und haben gefragt: Was hat der gesagt? Und jetzt haben wir uns vielleicht ausgesucht 20 Menschen, die also verlässlich genug schienen, um das zu erfahren und diese 20 Häftlinge sind dann mit Hilfe der Lagerführung außerhalb des Lagers gegangen, haben diese Nacht in den SS‑Baracken verbrach. Und wir haben jetzt abgewartet jede Minute das Eintreffen der Luftwaffe, die das Lager, also diese 500 Menschen, die da vielleicht noch drin waren liquidieren und ermorden sollten.
Und die sind nicht gekommen!
Wir haben also diesen 30.April erlebt und ganz interessanterweise haben sich in unserer Umgebung aufgehalten, die beiden Herren ‑ wenn man das so bezeichnen kann ‑ Obersturmbannfuhrer Weiß, ehemaliger Kommandant von Auschwitz und Sturmbannführer Langleist, einer der sehr stark kritisierten SS‑Führer. Sie haben sich in unsere Umgebung aufgehalten und haben abgewartet den Einmarsch der amerikanischen Truppen.
Es ist geradezu unglaublich, ich finde es als eine außergewöhnliche Tragik, dass in unserer Umgebung konnte sich verhaften lassen ein Kommandant von Auschwitz. Ich glaube nicht.... man musste schon so deprimiert sein und man musste die Freiheit so eingeschüchtert erlebt haben, dass man sich an diesen Leuten nicht vergriffen hat. Sehen, wie viele Millionen dort gestorben sind und solche Leute lassen sich in
unserer Anwesenheit durch die Amerikaner .... Ich versteh's ganz einfach nicht! Was haben sich die Leute gedacht? Dass millionenfacher Mord überhaupt ungesühnt ist.... ich versteh's nicht. Ich versteh die Leute nicht.
Wir haben also diesen 2. Mai dort erlebt und die Amerikaner sind raufgekommen mit ihren Tanks und unser Glück war natürlich kolossal und unermesslich, weil nicht erfassbar.. weil wir schon zu eingeschüchtert waren in unserer ganzen Wir sind’s auch heute noch.
Denn wirklich Kontakt hat man nur gehabt mit der direkten Lagerführung. Das war ja nicht eine Lagerführung mit Standartenführer und Oberführer wie in Auschwitz. Das waren ja kleine Militärleute, die man weggeschickt hat von der Front, weil sie nicht tauglich waren und hat sie dort gesteckt und hat ihnen den SS‑Titel gegeben. Die haben ja, wie ich Ihnen gesagt hab, am Anfang ja gar keine Ahnung gehabt, was das La ist. Keine Ahnung. Die haben ja uns flehentlich gebeten: Helft uns quasi, nicht. Die hätten ja am liebsten gesagt: Geh, führt ihr das Lager, denn ihr könnt das schön. Na sicher kennen wir’s. Schauen Sie, man kennt aus Aussprüchen, kennt man, ob jemand sich menschliches Gefühl erhalten hat oder ob er mit dazugehört. Wenn Herr Ammer gesagt hat, weil ein Lagerältester geschlagen hat einen Häftling; und er hat zu mir gesagt: ich kann das nicht sehen. Ich kann das nicht zuschauen, dann weiß man, dass das kein geübter SS-Mann ist.
Weil jeder geübte SS‑Mann kann zuschauen Schlagen, kann selber schlagen, kann erschlagen, kann in den Tod schicken ohne weiteres. Und Herr Ostermann hat solche Äußerungen mir gegenüber nicht getan aber er hat zumindest nichts getan, was dem entsprochen hätte. Und so ist auch die Korrespondenz nach dem Lager monate‑, jahrelang fortgegangen, mit Herrn Ammer, mit Herrn Ostermann weniger, weil i persönlich nicht so sehr für ihn engagiert hab, aber andere schon. Er ist sehr bald aus dem Lager gekommen, die Häftlinge haben effektiv gesorgt dafür, dass anständige Lagerführer keinen Schaden erleiden. Ich bin sofort bei der ersten Gelegenheit, war ich bei den Amerikanern und hab in Wien versucht eine Erlaubnis zu kriegen aus Wien nach Deutschland in die amerikanische Zone zu kommen und ich war in Dachau und ich habe alles getan, was möglich war und die Korrespondenz von Herrn Ammer liegt da und geht über viele, viele Seiten und hat jahrelang gedauert. Also die Häftlinge haben schon... waren schon sehr dankbar zu einen Lagerführer oder Funktionär, der nett war. Und wir waren auch beide mein Freund Weiß, der also länger war in Birkenau als ich, der viel jünger ist, aber doch noch längere Zeit dort mitgemacht hat. Wir waren auch hier bei einem Wiener SS‑Mann und haben ihn aufgesucht und haben ihn besucht und haben gezeigt, dass wir uns zeigen, dass wir uns auch mit einem SS‑Mann abgeben, dann, wenn wir den Respekt haben, dass er menschlich geblieben ist. Das ist aber alles, muss ich sagen, in der allerletzten Zeit
Ich habe.... wie meine Frau 36 war, die hab ich im Lager kennengelernt, ich hab sie am 2. Mai mitgenommen nach Wien und sie ist leider mit 36 Jahren, wie mein Bub 15 war, gestorben. Trotzdem hab ich, obwohl ich ja damals die Frau verloren hab, hab ich mich doch nach einigen Jahren entschlossen, meinen Sohn auswandern zu lassen, damit er meine Psyche, die ich zur Schau trage, und die ich bei jeder Nachricht und bei jedem Versuch, die Dinge abzuleugnen und zu verdrehen, dass sie nicht den Tatsachen entsprechen, habe ich mich entschlossen, ihn auswandern zu lassen und bin heute nur mehr, wenn's geht mit dem Flugzeug und brieflich mit ihm in Verbindung. Er weiß nicht mehr von mir, von meinem täglichen Kampf um das Überleben dieser Schmach und dieser Sorgen und dieser Ängste. Und bitte, liebe Zuhörer, Sie verstehen, wenn manche dieser Sätze ein bisschen forsch herauskommen, es liegt nicht an mir, es liegt an Erlebnissen, die ich hinter mir habe.
Diese Erlebnisse.... wissen Sie, es ist so ein... es geht so über die Generationen. Ich habe meinen Vater nie gekannt, der ist im 1.Weltkrieg gefallen. Meine Mutter hat man umgebracht in Treblinka, von wo man sie nach Wien gebracht hat. Ich selber war also so gut wie ein Todeskandidat, die Prozente kann man gar nicht ausdrücken und heute leben wir in einer Welt, wo die Menschen weit, weit davon entfernt sind, einer friedlichen Entwicklung entgegenzugehen. Und das ist vielleicht das, was mich so wahnsinnig berührt. Die Menschen haben gar nichts gelernt. Es war inzwischen Vietnamkrieg, es ist jetzt der Krieg in Persien , im Golf und es wird weiter sein .... Und immer kann man das ja wohl sagen: Die wirtschaftlichen Fragen haben immer die größte Rolle gespielt. Sie haben sie damals gespielt, Ja, damals die Arbeitslosigkeit, dadurch ist Hitler an die Macht gekommen und jetzt wieder die Sorgen um Rohstoffe und um Preise und alles. Das ist das, dass ich nicht die Überzeugung gewonnen habe, dass die Menschen in Frieden leben können. Warum nicht, entzieht sich meiner Beurteilung. Ich kann's nicht sagen, aber ich glaube, das gehört da schon nicht mehr ganz zum Thema.
Schauen Sie! Sie leben keinen Tag, oh dass Sie eine Zeitung lesen, keinen Tag, ohne dass Sie Radio hören, keinen Tag, ohne dass Sie fernsehen. Wenn Sie nun in einem Familienkreis sind müssen Sie doch zwangsläufig zu irgendeiner Nachricht sagen: Na, horch dir das an! Und das immer von meiner Sicht, das ist un ...un...unmachbar. Ich kann nicht zu jedem, der hier.... ich kann nicht in die Politik. Schauen Sie! Schauen Sie, liebe Zuhörer, ich kann hier in die Politik nicht abweichen. Warum nicht? Weil ich keinerlei...Gesinnung mit hineinziehen möchte in die Situation, wie sie jetzt ist oder wie ich sie sehe. Und drum glaube ich, dass das zu weit geht, wenn man mich fragt, was alles die Gründe sind, die mich aus dem. was ich erlebt hat nicht mehr herauskommen haben lassen.
Schauen Sie! Aufklärung ...
Ich fühle mich nicht dazu berufen, Ministerpräsidenten und Staatschef aufmerksam zu machen und Ihnen zu sagen: Es wäre wichtig, dass wir in Frieden leben.
Ich komme ja da oft in ... in Widerspruch mit anderen Menschen. Die sagen: Schau, du musst doch das einmal vergessen und hinter dich bringen. Dann sag ich: Liebes Kind, wenn du das nicht erlebt hast, hast du ja diesen Eindruck nicht gesammelt. Du siehst ja auch nicht jedes Auto brennen usw. Du siehst, es verbrenn 12 Menschen bei einem Autounfall. Na, wer geht jetzt her und fährt mehr um 20 km langsamer? Die Menschen wollen so leben, wie sie glauben, dass sie zum Ziel kommen. Und dass das nicht das beste immer ist das steht einwandfrei fest. In allen Regierungsproklamationen und überall sagt man: Lebt anders, esst weniger! Wer tut's? Es ist schwer es ist sehr schwer. Wo Egoismus einmal die Hand ergriffen hat, ist Moral und Vernunft nicht mehr vorhanden.
(Seine Frau Riwa war mit ihm im Mühldorfer Waldlager unsd stammte aus Litauen (Riwa Galperin).