Für das Erinnern
Ich bin 1944 vom Konzentrationslager Warschau nach Dachau gekommen, wo wir nach einer Quarantäne dann auf andere Lager verteilt wurden. Und ich bin gekommen ins Lager Mettenheim. Die Ärztin Dr. Erika Flocken hat mich selektiert und ins Waldlager geschickt. Vom Waldlager sind wir täglich zur Hauptbaustelle gegangen, wo ich meine Tätigkeit als Pfleger ausgeführt habe. Ich war dort mit einem Arzt und einem OT‑Mann tätig. Dieser Arzt hieß Dr. Sandor Schönfeld und war ein Tscheche so wie ich. Unsere Tätigkeiten war, kranke Häftlinge zu verbinden. Manchmal hatte wir kleinere Unfälle, manchmal auch größere, in welche auch manchmal ein OT‑Mann verwickelt war. Unsere Arbeit war dadurch erschwert, weil unser Kontrolleur, ob wir die Arbeit richtig gemacht haben war gerade die Dr. Erika Flocken. Sie war ein Ich‑Mensch. Wir haben einen Fall erlebt, wo einem OT‑Mann der rechte Daumen abgerissen wurde von einer Maschine und Dr. Schönfeld hat als Chirurg diesen Daumen genäht und so bearbeitet, dass er diesem OT‑Mann die Hälfte des Daumens noch belassen hat. Ich kann mich ganz genau erinnern, wie er diese Operation durchgeführt hat und er war sehr zufrieden mit der Operation. Dann ist die Frau Dr. Flocken gekommen zur Kontrolle und hat den Patienten, der schon in der kleinen OT‑Station lag, zurückgerufen und den Dr. Schönfeld gefragt, wie er das operiert hat. „Ich habe den halben Daumen entfernt und die zweite Hälfte habe ich ihm gerettet.“ Die Frau Dr. Flocken hat gesagt: „Die Operation ist nicht richtig durchgeführt. Wir müssen noch einmal operieren und die zweite Hälfte des Fingers abtrennen.“
Da hat Dr. Schönfeld gesagt: „Das mache ich nicht!“ Als wir am Abend ins Waldlager zurückgekommen sind, war Dr. Schönfeld abberufen als Arzt und am nächsten Tag ist ein anderer Arzt mit mir gekommen, ein gewisser Herr Dr. Sabatoczs, ein Ungar. Und der hat dann mit mir weiter diese lokalen Fälle bearbeitet. Dr. Schönfeld wurde als Strafe im Lager behalten, da er nicht das machen wollte, was die Dr. Flocken wollte. Aber er war so gut angeschrieben beim Lagerführer, dass dieser gesagt hat: „Dr. Schönfeld wird sich ab sofort um die Lagerhygiene kümmern!“ Das war für ihn eine noch leichtere Tätigkeit.
Die Dr. Flocken war ein sehr schlechter Charakter. Und ich habe von der sehr schlechte Sachen gehört. Ich weiß, dass sie auf der Kriegsverbrecherliste war und dass sie 1948 einen Prozess gehabt hat. Wie er ausgefallen ist, weiß ich nicht.
Im Waldlager ist der Tag so vergangen: In der Frühe haben sich die Häftlinge im Waschraum gewaschen, dann das Frühstück bekommen ‑Kaffee und Brot und jeder ist auf seine Arbeit gegangen. Von der Freizeit wissen wir sehr wenig, weil wir spät von der Arbeit zurückgekommen sind und dann wieder das Essen zu uns genommen haben. Sonst haben wir die Mittagsverpflegung auf der Hauptbaustelle gehabt.
Ich war vielleicht einmal im Monat im Revier Schwindegg, wo wir Verbandmaterial geholt haben. Das war schon 1945 bzw. Ende des Jahres 44. Da habe ich als Begleitperson nicht mehr SS‑Leute bekommen, sondern Leute vom Volkssturm, die am Schluss ins Lager als Bewachungspersonal gekommen sind. Und diese Leute waren ganz anders zu uns als die SS‑Leute. Der Mann, der mich vom Waldlager zum Bahnhof Ampfing begleitet hat, der hieß Weber. Das war ein älterer Herr, vielleicht 60 und 85. Die Tragikomödie war dabei: Wir sind also um 4 Uhr, halb fünf, fünf Uhr durch den Wald gegangen, wo er mich als Häftling geführt hat zum Ampfinger Bahnhof, wo dann dieses Kommando von Mettenheim gekommen ist, mit dem ich mitgefahren bin. Und der Herr Weber hat sehr schlecht gesehen. Und es war noch praktisch dunkel in den Wintermonaten. Als wir uns schon besser gekannt haben, habe ich gesagt: „Herr Weber, geben Sie mir das Gewehr, ich trage ihnen das Gewehr“, weil ich gemerkt habe, dass er schlecht sieht und habe ihn so als Häftling so zum Bahnhof geführt. Selbstverständlich haben wir dann vor Ampfing wieder die Rollen getauscht. Ich habe ihm sein Gewehr wiedergegeben. Und er hat mich dann geführt. Mit diesem Herrn Weber habe ich sehr gute menschliche Kontakte gehabt, ein sehr anständiger, älterer Herr. Dann ist das Kommando von Mettenheim gekommen, die auch einen SS‑Posten mitgebracht haben und mit diesem Zug bin ich dann von Ampfing nach Schwindegg gefahren. Und der Herr Weber hat mich dann auf der Rückfahrt in Ampfing wieder übernommen und hat mich ins Waldlager zurückgebracht.
Die Wehrmachtleute haben die SS‑Leute gehasst. Die SS‑Leute waren ein anderer Typ von Menschen. Ich habe von Herrn Weber ein paar Mal gehört: „Wenn es denn soweit kommt, wir erschießen die SS‑Leute.“ Die Wehrmachtleute haben mehr zu uns gehalten und einen gewissen Abstand zu den SS‑Leuten gehalten. Auch wenn die eine gemeinsame Kantine gehabt haben und gemeinsam gewohnt haben. Die Wehrmachtleute haben ein ganz anderes Verständnis gehabt zu uns Häftlingen.
Ich habe erlebt, wo sich die SS‑Leute ganz unmenschlich verhalten haben. Hier spreche ich vor allem vom Konzentrationslager Auschwitz. Die Zeit hat mit uns gespielt, denn Ende 44 waren schon die kräftigen Häftlinge rar, weil sehr viele in den Vernichtungslagern umgekommen sind, und hat doch noch Leute gebraucht zur Arbeit. Da waren schon die SS‑Leute zu uns schon ganz anders und die Wehrmachtleute wesentlich besser wie die SS‑Leute. Je länger wir im Lager waren, desto bessere Verhältnisse gab es auch für uns. Man hat schon niemand mehr auf der Flucht erschossen. Also dieses Theater, das früher die SS-Leute gemacht haben, in Auschwitz und Warschau, diese Verhältnisse haben sich wesentlich geändert. Ab 1944 sind die Verstorbenen einen „normalen Tod“ gestorben, durch Krankheit und Entkräftung. Das waren nicht die Verhältnisse von früher, wo man auf Häftlinge geschossen hat.
Von Endlösung war 44 keine Rede mehr. Das kann man ruhigen Gewissens sagen. Das was sich 1942/43 abgespielt hat, wo ein Kommando von 1200 Leuten gekommen ist und 20-30 überlebt haben, das war nicht mehr der Fall. Die Häftlinge waren da, um zu arbeiten und zu gehorchen. Und dann hat alles funktioniert. Und wer das überstanden hat ‑ auch mit wenig Essen‑ , der hat das Lager überstanden. Aber er ist höchstens durch Krankheiten oder normalen Tod gestorben, nicht mehr durch die Willkür der SS‑Leute.
Schallermaier war ein Schwein, das war kein Mensch. Mit vielen anderen bin ich gar nicht in Kontakt gekommen. Unsere Pflicht als Schreiber war, dafür zu sorgen, dass der Appell stimmt, dass die Häftlingsstückzahl stimmt.
Für die Kapos waren hauptsächlich Leute mit einem grünen Winkel eingesetzt und das hat bedeutet "Berufsverbrecher". Das waren diese Leute die zu allem imstande waren. In manchen Fällen waren die politischen (roter Winkel) genauso wie die grünen, aber die grünen war die Elite, die die SS schon in Dachau ausgesucht hat, so dass sie von dort schon mitgegangen sind nach Mettenheim und ins Waldlager. Über diese Leute hat man mehr gewusst, als über uns. Bei denen ist eine Karteikartei mitgegangen von Lager zu Lager und wir waren eine Nummer. Wir sind mit einer großen Transport gekommen. Ich war die Nummer 97096, viel hat man von mir nicht gewusst. Das war meine Dachauer Nummer. Ich bin 28085 aus Warschau gekommen und mit 99773 aus Auschwitz, was auch auf meiner Hand ersichtlich ist als Tätowierung. Die SS‑Leute haben genau gewusst, wen sie einsetzen sollen. Das waren Leute ohne Charakter.
Wir haben ein ganz kleines, gut eingerichtetes Krankenhaus mit vielleicht vier oder fünf Betten gehabt, eine Unfallstation. Es war so eingerichtet, dass wir auch kleinere Operationen machen konnten, aber wir haben keinen Operationssaal gehabt, sondern wir haben nur einen Raum gehabt. Aber wir haben versucht, so steril wie im Lager möglich zu arbeiten. Und unter diesem Gesichtspunkt kann man sagen, war diese kleine Unfallstation gut eingerichtet. Wir haben einen Apparat zum sterilen Auskochen gehabt. Für die Verhältnisse von 1944 waren wir ganz gut eingerichtet.
Ich kann mich an meine ganz Konzentrationslagerzeit, die mehr als 40 Jahre zurückliegt, gut erinnern, aber das ist ein Film, der abläuft. An diese Stellen kann ich mich sehr gut erinnern. Ich weiß z.B. wann in Warschau eine Epidemie war, weil ich als Pfleger tätig war. Wenn aber nichts Außergewöhnliches passiert ist, wo man normal zurückgekommen ist, wo kein großer Unfall passiert ist, kann man sich nicht mehr so genau erinnern.
Ab 1945 war ich in Mettenheim I als Schreiber tätig.
Eberle war sehr korrekt, Ich könnte ihm in dieser Zeit als SS‑Mann und als Lagerkommandant ein gutes Zeugnis ausstellen. Ich weiß, dass er auf der Kriegsverbrecherliste war. Er hat eine große Funktion im Dachauer Lager gehabt. Es ist jetzt die Frage, was in der Zeit passiert ist, als Eberle angefangen hat seine Karriere zu bauen. Er war keine große Charge, obwohl er ein Lagerkommandant war. Er war kein so großes Tier.
Ich habe später mehr gute Informationen bekommen, weil ich ein Mädchen gekannt habe, dass beim Lagerkommandanten als Putzmädchen war: Frieda Roth. Ich habe nach dem Krieg ein paar Monate wieder in Ungarisch Brod gelebt, in meinem Heimatort, und dort hat sie mich besucht. Als sie gekommen ist, war ich schon verheiratet. Meine Frau hat sie vom Lager gekannt. Das Mädchen ist wieder enttäuscht von Ungarisch Brod nach Brünn zurückgefahren. Ich hab nur von ihr gehört, dass sie nach Nordamerika ausgewandert ist.
Die Kost in beiden Lagern war die gleiche. Da war kein Unterschied. Die Unterkunft in Mettenheim war gesünder für uns, wie in den sogenannten russischen Semjanken, die sehr kalt waren. Im Winter waren wir ja auch da. Andererseits war Mettenheim wesentlich gefährlicher wie das Waldlager, denn nachts sind manchmal die Amerikaner gekommen und haben auf den Flughafen geschossen, der nur durch den Zaun vom Lager I getrennt war. Die Flugzeuge standen auf der linken Seite, getarnt durch den Wald und Zelte. Die Amerikaner aber haben darüber Bescheid gewusst und wir haben ein paar schwere Angriffe dort erlebt. Die Atmosphäre war besser in Mettenheim wie oben im Waldlager. Auch die Kontakte der Häftlinge untereinander waren besser. Wir haben in größeren Baracken gewohnt. Auch die Sonne ist besser durchgekommen.
Ich habe mich jede Woche mit dem Fluchtgedanken beschäftigt, dass ich flüchten werde. In den Gesprächen mit anderen Häftlingen ist immer wieder zur Sprache gekommen, dass wir einmal aufwachen und dann weht die Rot‑Kreuz- Fahne über dem Lager. Ich habe gesagt: „Aus dem Lager werden wir nur frei, wenn wir flüchten.“ Aber Anfang 45 war mir der Gedanke abzuhauen, zu gefährlich. Ich habe auf eine richtige Gelegenheit gewartet. Ich wollte nicht in einer solchen unsicheren Zeit flüchten., nachdem die Front immer näher kam. Ich habe auch mit meiner späteren Frau darüber gesprochen, aber wir haben uns nur gegenseitig ermuntert, uns später zu schreiben. Daran, dass ich sie später heiraten würde, habe ich noch gar nicht gedacht. Der Gedanke ist mehr erst im rechten Augenblick gekommen: Am 27. April, wo ich spezielle Informationen in der Frühe gehabt habe, weil ich als Schreiber zu mehreren Informationen gekommen bin. Zum Beispiel ist ein SS‑Mann zu mir ins Lager gekommen und hat gefragt: „Was soll ich machen, in einer Stunde sind die Amerikaner da.“
„Da müssen Sie sich selbst entscheiden, was sie tun sollen.“ Die SS Leute haben sich also mit den gleichen Gedanken befasst als wir Häftlinge. Von dem Lagerältesten habe ich erfahren, dass die Posten ohne Waffen dastehen. Er hat gefragt: "Sollten wir nicht abhauen?" Da habe ich gesagt: "Hans, ich bin nicht abgeneigt. Gehen wir die testen, was da los ist. Der Lagerälteste hat mir gesagt: „Wir gehen aus dem Lager hinaus, und probieren zum Lagerführer zu kommen, weil wir gewusst haben, wo der wohnt. Wir sind also zum Tor kommen und der Posten hat uns gefragt, wohin wir wollen.
„Zum Lagerführer Eberle.“
Wir sind also zum Haus des Lagerführers gekommen und haben dort die Frieda Roth getroffen. Sie hat uns gefragt: „Was wollt ihr hier, der Eberle ist nicht da?“ Da haben wir Sie zur Seite genommen, und haben zu ihr gesagt: „Wir wollen abhauen.“
Das sagte sie: „Gleich, dann nehme ich nur noch die Waffe von Eberle mit.“ Und sie hat eine Pistole gebracht vom Eberle und auf diese Art von Weise sind wir mit dieser Waffe geflüchtet. Auch der Schallermair hat uns noch getroffen, und der war auch ohne Waffe und hat uns nicht gefragt, was wir wollen, obwohl wir schon 400‑500 Meter vom Lager weg waren. Wir waren vielleicht schon 500 Meter vom Zaun entfernt, und kamen auf die Hauptstraße, die ja nicht weit weg war, und da ist ein OT‑Wagen gefahren. Wir haben ihn gestoppt und gefragt, wo er hinfährt. Er hat es uns gesagt. Da hat Kollege Rohr gesagt: „Nimm uns doch mit.“
Da hat er uns mitgenommen. Dann kam noch ein Problem. Dort war eine Brücke. Und die Brücke war besetzt von Wehrmachtleuten. Und wir haben uns gefragt, ob wir durchkommen als Häftlinge. Wir sind durchgekommen, und dieser OT‑Wagen hat uns gebracht zu einem Bekannten von dem Kollegen, mit dem ich geflüchtet bin (Hans Rohr). Er hat eine gewisse Sicherheit gehabt, dass er uns verstecken wird, also muss er ihn schon gekannt haben. Wahrscheinlich hat der Rohr als Lagerältester zu dem Lager in Mittergars, Kontakt gehabt und eventuell zu diesem Bauern.
Der Bauer wollte uns aber nicht verstecken, den Grund weiß ich nicht, aber er hat uns mit einem Wagen nach Jettenbach (Gänsberg) gebracht zu diesem Martin Zehetmaier, der uns versteckt hat.
(Ich habe den Zehetmaier nicht einmal besucht. Ich habe bis 1968 in der Tschechoslowakei gelebt und bin 1961 zum ersten Mal zu Besuch zu meiner Tante nach München gekommen. Die habe ich damals gebeten, dass wir zum Zehetmaier fahren sollten. Schon 1948 habe ich meiner Tante und meinem Onkel, denen es vor der Währungsreform sehr schlecht ging, vorgeschlagen, sie sollten sich an den Bauern Zehetmaier wenden, ob er ihnen mit einigen Lebensmitteln aushelfen könnte. Der hat ihnen wirklich geholfen. Ich habe mich 1961 zum ersten Mal bedanken können. Es war ein netter Kerl, aber er war krank. Seit der Zeit habe ich ihn nicht mehr besucht. Für mich war er der richtige Mann, die anderen habe ich nicht gekannt. Der Rohr hat sich sogar noch einmal entfernt von der Stelle und ist noch einmal gefahren, um ein Mädchen abzuholen, welches nicht weit von der Stelle gearbeitet hat, in einem Außenposten. Dann hat er das zweite Mädchen zu uns gebracht. Und die hieß Edith Wolf .Ab da waren wir also zu viert. Bei diesem Bauern waren wir drei Tage in einem Versteck. Am dritten Tag ist er gekommen und hat uns gesagt, dass wir uns im Heu verstecken müssten, weil so viele SS‑Leute und Soldaten in der Gegend sind. Er hat uns verpflegt mit Milch und Brot und Butter.
Um drei Uhr ist er gekommen und hat gesagt: „Ihr müsst unbedingt weg, weil ihr tätowiert seid, und sonst bekomme ich Probleme mit den Wehrmacht‑ und SS‑Leuten, die auch bei mir auf dem Hof versteckt sind.“ Auch die haben das Kriegsende hier abwarten wollen. Da sind wir in der dunklen Nacht weg. Dann haben wir uns in eine Kiesgrube versteckt. Und etwa einer Stunde, es war vielleicht noch vier Uhr früh, sagt der Rohr: „Das gefällt mir gar nicht. Wir werden versuchen, zu Fuß nach Nürnberg zu gehen.“
Ich habe gesagt: „Hans, das ist nicht vernünftig, aber wenn du willst, machen wir das.“ Und wir haben uns auf den Weg gemacht. Nach ein paar Kilometern haben wir das aufgegeben, weil immer Autos gekommen sind, und wir haben Angst gehabt, dass sie uns in den Scheinwerferkegeln sehen. Und da sind wir zurück in den Bauernhof ‑ illegal ‑ dass der Bauer nichts davon gewusst hat, und haben uns dort 2 oder 3 Stunden aufgehalten, und haben dann in der Früh erfahren, dass unten in Mittergars die Amerikaner sind. Und das war für mich ein Signal. Ich bin durch den Wald gelaufen und den Amerikanern in die Hände gefallen. Dann habe ich die Amerikaner gebeten, zurückzufahren zu unserem Versteck, wo wir auch diese zwei Mädchen kassiert haben. Der Rohr war weg. Von dem habe ich zu der Zeit nichts mehr gehört. Die Amerikaner haben uns nach Kraiburg gebracht, in das einzige Hotel das es gab an einem "Bergerl" , auf der rechten Seite. Dort haben wir uns ein paar Tage aufgehalten. Dann habe ich einen Wagen von den Amerikanern bekommen, und ich sollte probieren, nach Hause zu fahren. Das war schon nach dem 1. Mai und ich habe vielleicht am 3. oder 4.Mai mit dem Auto probiert bis nach Hause zu fahren, was mir fast gelungen ist. Ich bin in die Tschechoslowakei gekommen. Die Amerikaner haben uns über diese Zone gebracht. Etwa 200 Kilometer von Brünn entfernt, haben uns die Russen geschnappt und die Russen haben uns den Wagen weggenommen. Sie haben ihn gegen eine Pferdekutsche getauscht. Mit der Pferdekutsche bin ich dann nach Iglau gefahren, und von dort war schon Zugverkehr. So bin ich nach Hause gekommen. Das war etwa um den 10. Mai 1945.
Mit der Zivilbevölkerung habe ich Kontakte gehabt, als Mühldorf bombardiert worden ist. Und leider hat es bei der Bombardierung des Güterbahnhofs auch eine Gruppe Häftlinge erwischt, die dort bei der Arbeit waren. Ich habe manchmal um etwas Wasser gebeten. Einmal hat mir eine Frau aufgemacht, hat mir Wasser gegeben und hat mich gefragt, warum ich überhaupt Häftling bin. In ihrem Zimmer ist ein Bild von Hitler gehängt. Aber die meisten Leute waren uns Häftlingen gegenüber aufgeschlossen und haben uns bedauert. Der Apotheker in Ampfing hat uns auf die Bitte von Herrn Weber hin zigmal geholfen. Er hat uns hier und da zu Arzneien verholfen, zu denen wir als Häftlinge keinen Zugang gehabt haben. Im OT‑Krankenlager haben wir nur bestimmte Dinge bekommen, die für die Häftlinge frei waren, z.B. Papierverbände.
Ich habe beim Lagerkommandanten Eberle nie einen Fall erlebt, dass er nicht korrekt war. Ich vermute, dass vielleicht seine schlechteren Zeiten früher in Dachau waren. Aber in Mettenheim hat er sich als loyaler und korrekt verhalten.
Mein Freund Edgar Mannheimer war in Mettenheim als Kapo in der Wäscherei tätig. Und da ist uns ein Fall passiert, was den Charakter von Eberle gut zeichnet. Wir haben erfahren, dass ein kleinerer Transport aus dem Konzentrationslager Lublin gekommen ist. Ein Häftling ist mit einem sehr schlechten Ruf gekommen, dass er als Denunziant tätig war im Konzentrationslager Lublin. Für diese Sachen waren die Häftlinge sehr
empfindlich. Wir waren uns nicht sicher, ob der Denunziant von Lublin nicht weiter denunziert. Auch wenn wir nicht direkt gegen die Lagerführung gearbeitet haben, so wurden doch Nachrichten gesammelt und es gab doch Tätigkeiten, die die SS‑Leute sich anders erklärt hätten als wir.
Und da haben wir gefragt: „Was wird mit dem?“
Zuerst war uns völlig unverständlich, dass dieser Häftlinge schon nach ein paar Tagen im Lager schon eine gute Position bekommen hat. Er war als Elektrofachmann auf ein Kommando gekommen, wo er selbständig gearbeitet hat. Das war etwas, was wir Häftlinge nicht gewöhnt waren. Man hat sich seine Position im Lager schön langsam aufbauen müssen. Ich habe in Warschau 1943 als Pfleger angefangen und ich wurde in dieser Position von Lager zu Lager übernommen. Man hat bei der Ankunft schon gewusst, dass ich ein Pfleger bin. Ich habe mich nicht darum kümmern müssen, dass ich in eine Krankenstation komme.
Edgar Mannheimer hat gesagt: „Jetzt rufe ich ihn in den Waschraum und sage ihm, dass ich einen Elektroschaden habe und er soll ihn beheben.“ Edgar hat ihn in seinem kleinen Zimmer intensiv verhört: „Hör zu, wir haben von dir schlechte Nachrichten vom Konzentrationslager Lublin.“ Er hat sich unwissend gestellt, aber der Edgar war kräftig und etwa 1,90m groß und er hat angefangen ihn richtig zu verprügeln. Zwischendurch hat er ihm den Kopf ins Wasserbecken gesteckt. Er wollte von ihm, dass er zugibt, dass er der Denunziant von Lublin ist, dass er sich dazu bekennt. Das hat er aber nicht gemacht. Aber Edgar hat ihn richtig durchgeprügelt und dann ist er ihm weggelaufen.
Selbstverständlich war sein erster Weg zum Eberle. In fünf Minuten war der Eberle in der Wäscherei. Er hat die ca. 10 Häftlinge zum Appell gerufen. Dieser Elektrokapo war dabei. Der Eberle fragt ihn: "Wer hat dich so geprügelt, zeig!" Der hat selbstverständlich auf den Edgar Mannheimer gezeigt. Da hat der Eberle die anderen wieder zur Arbeit wegtreten lassen und den Edgar hat er verhört.
„Warum hast du den Mann geprügelt?“ Der Eberle hat anscheinend schon über den Elektrokapo Bescheid gewusst, denn vielleicht stand das schon in seinen Papieren. Edgar sagte: „Er hat mir ein SS‑Hemd gestohlen und ich habe Angst gehabt, dass das an mir hängen bleibt und da habe ich ihn ein bisschen durchgeprügelt.“
Da hat der Eberle gesagt: „Erzähl mir keine Märchen, sag mir die Wahrheit. Warum hast du den Häftling geprügelt?“
„Er hat mir ein SS‑Hemd gestohlen, und deshalb habe ich ihn geprügelt.“
Da ist der Eberle wütend geworden, hat die Pistole gezogen, hat sie dem Edgar an die Schläfe gesetzt und hat gesagt: „Jetzt sag mir endlich die Wahrheit.“
Edgar ist ganz ruhig geblieben: „Er hat mir ein SS‑Hemd gestohlen und da habe ich Angst gehabt.“ Der Eberle hat die Pistole heruntergenommen und hat gesagt: „Ich weiß, warum du ihn geprügelt hast. Aber du gefällst mir.“
Am nächsten Morgen fehlte ein Mann beim Appell. Selbstverständlich hat man danach gesucht. Wir Schreiber waren am meisten betroffen, denn wir haben nicht gewusst, wie viel Leute im KZ sind und das war eine große Sünde. Also hat man zuerst einmal die Außenkommandos kontrolliert. Man hat sich überzeugt, weil die früher ausgerückt waren und nicht mehr beim Appell da gewesen sind. Aber unsere Pflicht war, die Leute zu erfassen, damit wir wissen, wo wir die Leute haben. Dann hat man mehrere Male die Reihen abzählen lassen, aber ein Mann fehlte. Der nächste Befehl von der SS war: Lager durchsuchen. Einer hat sich versteckt oder einer schläft irgendwo. Man hat den einen im Waschraum gefunden, wo er sich aufgehängt hatte. Und das war der Denunziant von Lublin. Das war der einzige Fall, der sich 1945 im Lager Mettenheim das Leben genommen hat
Deshalb nehme ich auch an, dass der Eberle auch anders handeln konnte. Und das zeigt eine gewisse Loyalität. Er hat dem Häftling die Stange gehalten, Anfang 1945. Das ist das ausschlaggebende. Denn die haben sich 1945 ganz anders verhalten. Vielleicht war er früher ganz anders. Aber 1945 hat er schon gewusst, dass er auch die Fürsprache der Häftlinge braucht, wenn der Krieg zu Ende ist.
Ich bin 1945 von Mühldorf zurück in die Tschechoslowakei, wo ich bis 1968 gelebt habe, also 23 Jahre nach dem Krieg. Man hat dort gewusst, wer im KZ war und hat uns befragt. Auch ein Verband der ehemaligen Häftlinge hat sich um uns bemüht. Wir haben auch einen Ausweis bekommen, wo wir verschiedene Verbesserungen in einem sozialistischen Land möglich waren.
Nach § 255 konnte man eventuell schneller eine Existenz gründen, bevor die Verstaatlichung gekommen ist. Sehr viele Leute wissen davon, dass wir ehemalige KZ'ler sind, aber ich habe noch nicht in Erfahrung bringen können, dass mich da jemand in schlechtes Licht gesetzt hätte. Manchmal habe ich auch mit meinen ehemaligen Mitarbeitern verschiedene Diskussionen geführt, wo ich auch gesagt habe: Was erzählen sie mir diese Sachen. Ich bin doch ein alter Bayer. Ich bin schon 19444 in Bayern gewesen. Sehr viele Leute haben nicht gewusst, dass in Mettenheim ein Lager war. Ich habe oft gesagt: Ich kenne Mühldorf besser als Sie. Ich habe sehr viele getroffen, die nichts gewusst haben. Es waren auch solche dabei, die nichts davon wissen wollten. Ich habe gerade in Mettenheim so einen Fall erlebt: Ich bin hingekommen mit meinen Töchtern und meinen Enkeln, wo ich ihnen zeigen wollte, wo wir im Krieg gelebt haben. Da habe ich fast die Orientierung verloren. Da bin ich bei einem solchen neuen Haus stehen geblieben, weil ein älterer Herr im Garten stand. Da bin ich zu ihm gegangen und habe ihn gefragt: „Entschuldigen Sie, könnten Sie mir vielleicht sagen, wo da das Lager war?"
Und kaum hatte ich das ausgesprochen, hat er gesagt: „Da war kein Lager!“ Da sage ich: „Entschuldigen Sie, vielleicht könnten Sie mir weiterhelfen. Da war ein Flugplatz. Und jetzt muss ich Ihnen etwas sagen: Da war ein Lager, denn ich bin ein ehemaliger Häftling aus diesem Lager.“
Da hat er gesagt: „Ich bin erst 1958 hergekommen!“
Aber auf einmal war er 100% im Bild und hat mir gezeigt, wo der Flugplatz war und wo ca. das Lager war. Und er hat sogar gewusst, wo die SS‑Baracke war, welche noch heute existiert. Ich habe das nicht mehr erkannt, weil dort inzwischen alles verbaut war. Ich glaube, das ist heute ein Gasthaus, was früher eine SS‑Baracke war.
Das was ich weiß, ist ein Film. Schwierigkeiten habe ich manchmal, wenn man mich außerhalb dieses Films etwas fragt. Aber dieser Film ist so eingeprägt, dass der auch in 100 Jahren noch nicht erlischt. Ich hätte z.B. einmal für das LKA einen Lagerführer identifizieren sollen und ich habe deshalb solche Schwierigkeiten bekommen, weil diese Leute ohne Mütze fotografiert waren. Und so hatte ich sie noch nie gesehen.
Auslöser für die Filme sind Sachen, die nicht normal sind für einen Tagesablauf. Wenn da nichts passiert, war das normal und davon weiß ein Häftling fast nichts, denn das ist ein beliebiger Tag. In Filmen sind die herausragenden Themen gespeichert: fünf Tote in einem Karren am Lagereingang mit der Aufschrift" auf der Flucht erschossen", ein von hinten erschossener Häftling, der nur austreten wollte usw.
Auslöser: Ich lebe mit einer Frau, welche das gleiche erlebt hat. Hier und da macht es das Fernsehen.
Einmal im Jahr machen wir diese Auslöser freiwillig. Wir nehmen das Auto und fahren nach Ampfing, nach Schwindegg, und dann nach Mühldorf. Das Waldlager habe ich noch nie besucht, weil ich nicht mehr gewusst habe exakt, wo es ist. Wenn wir von Mühldorf wegfahren, dann suchen wir uns ein Restaurant und essen ein gutes Mittagessen. Unsere Kinder, die kennen das schon: Am ersten Mai seid ihr befreit worden, Lager besuchen und essen wie ein Mensch. Tun, was früher nicht möglich war.
Im Fernsehen war ein Film über Las Vegas mit Elstner. Elstner präsentiert Las Vegas. Auf einmal präsentiert er einen gewissen Berosnikov, der heute ein schwerer Multimillionär in Las Vegas ist. Er hat Orang Utans sprechen gelernt mit seinem Vater. Der hieß Antonin Berosek, war mit uns im Lager. Er war ein sehr guter Freund von mir. Dieser Berosek war ein Zauberer aus einer Komödiantenfamilie. Das war im Lager bekannt. Die Prominenz in Auschwitz hat gewusst, dass er ein Zauberer ist und ein SS‑Mann hat ihm gesagt: „Zaubere mir etwas vor!“ Er hat den SS‑Mann so verzaubert, dass er ihm seine Pistole gezogen hat und der SS‑Mann hat es nicht gespürt. Er hat sie ihm wieder zurückgegeben. Ein Leben mit einer Pistole hatte keinen Sinn in Auschwitz. Man schaut sich einen Film im Fernsehen an und auf einmal kommt ein Auslöser. Und der ist exakt eingeprägt. Den kann man nicht vergessen.
Wir sind zu Fuß von Warschau evakuiert worden, als der Krieg schon vor den Toren Warschaus stand. Da haben uns die SS‑Leute evakuiert, sie haben uns gebraucht. Zu Fuß. Am ersten Tag haben wir 60 Kilometer gemacht als Häftlinge. Schwach wie die Fliegen. Und da ist auch ein Film eingeprägt. Die haben uns bei einem Fluss ‑ Wisla ‑sitzen lassen, ein bisschen ausruhen. Wir waren riesig durstig. 60 Kilometer von Warschau entfernt, Sochacheff. Und da kein Wasser gekommen ist, haben sich die Häftlinge in den Fluss gestürzt und auf einmal hat man von der Brücke angefangen zu schießen auf die Häftlinge mit Dum‑dum‑Geschoßen. Ich brauche ihnen nicht sagen, wie die Leute ausgesehen haben. Wer das nicht gesehen hat, ist besser, wenn er es nicht sieht: zerrissen, zerfetzt. Weil die Leute Durst gehabt haben und kein Wasser bekommen haben, wollten sie Wasser trinken. Das kann man in dem Film nicht löschen. Man kann den nächsten Tag auch nicht löschen, wo wir wieder Durst gehabt haben und unsere Verpflegung war für drei oder vier Leute eine Dose Fleisch, gesalzenes Fleisch und ein Stückchen Brot. Wo wir Durst gehabt haben und kein Wasser gekommen ist. Der Lagerkommandant ist mit einem Wagen gekommen und hat gesagt: "Die Feuerwehr wird kommen und Wasser bringen. Jeder wird sich satt trinken. Kein Wasser ist gekommen. Wir haben gegraben in der Erde. Wir haben unter der Erde Wasser gefunden. Wir haben schmutziges Wasser getrunken, aber wir haben getrunken. Wir haben keinen Typhus bekommen. Und wir sind doch bis nach Kutno gekommen, wo ein weiterer Film abläuft:
Die Häftlinge haben gewartet auf einen Güterzug, mit dem wir weitergefahren sind nach Dachau. Und der Film läuft so ab. Ein einziger Häftling ist dort gestorben, bevor der Zug gekommen ist und man hat ihn begraben mit primitiven Mitteln. Auf einmal kommt die SS: "Ausgraben den Häftling!" Was war? Zu den SS‑Leuten ist gekommen das Gerücht, dass er goldene Rippen hat. Ausgraben. Das Gold ausrauben. Und noch einmal begraben. Das kann doch von dem Film nicht verschwinden. Das war ein Kollege von mir. Ein Held. Der sich durchgeschlagen hat drei Tage mit einer schweren Krankheit. Er hat in Warschau gesagt: "Ich bin nicht imstande einen Kilometer zu gehen." Ist 150 Kilometer gegangen. Schwer krank. Er hat das überstanden. Die Kraft hat ihm der Gedanke an seine Frau gegeben, welche zuhause war. Sie war eine Arierin, er war ein Jude. Das kann nicht verschwinden. Das sind schwere Eindrücke. Die verschwinden nicht. Und das ist der Film von dem ich spreche.
Zufälle gibt's im Leben! Ich hab probiert jahrelang; von der Tschechoslowakei wegzukommen, was mir nie gelungen ist, weil mir die Behörden nie für die ganze Familie einen Reisepass gegeben haben. Ich war in der Tschechoslowakei soweit prominent, als ich das größte Textilgeschäft in Reichenberg geführt habe. So habe ich 1961 zum ersten man meine Verwandten in München besucht. Ich habe Pläne geschmiedet, dass ich wegkomme von der Tschechoslowakei. Sogar für Jugoslawien habe ich meinen Reisepass bekommen mit meinen Kindern, aber meine Frau nicht. Meine Frau hat einen Reisepass gehabt, aber ohne die Möglichkeit in ein Westland zu fahren. Da hat meine Frau Urlaub gemacht in Ungarn und ich war mit den Kindern in Jugoslawien. Da habe ich meine jahrelang geschmiedeten Pläne aufgegeben und gesagt‑: „Ich komme nie in den Westen, es gelingt mir nie, es hat keinen Sinn.“ Dann hat der Zufall eingegriffen.
Ich habe 1968 mit meiner Gattin die Bewilligung bekommen, nach München zu fahren. Meine Kinder waren in Ungarn. Da haben wir eine Woche in Italien Urlaub gemacht in Riccione. Zelt. Camping. Ein paar Mark haben wir von unseren Freunden bekommen. Am vorletzten Urlaubstag, dem 20. August hat man die Tschechoslowakei besetzt. Als ich um halb acht in der Früh im Waschraum war kommt der Inhaber des Campingplatzes, der mich schon gekannt hat: „Hör zu, dein Land hat man besetzt.“
„Was erzählst du da für Märchen?“
„Ja, die Russen haben euch besetzt.“
Da bin ich schnell zum Zelt zurückgelaufen und habe versucht mit dem Radio Informationen zu bekommen. Fast alle Stationen haben das schon gemeldet. Da habe ich zu meiner Frau gesagt: „Was machen wir. Fahren wir nach München zurück und probieren draußen zu bleiben.“
Das haben wir dann auch gemacht. Ich bin nach Velden gefahren. Ich habe einen tschechischen Pass gehabt, aber kein deutsches Visum. Von dort habe ich den Herrn Mannheimer angerufen: „Max, wir sind in Velden, wir möchten probieren heraußen zu bleiben. Probiere, dass die Kinder nachkommen. Ich habe aber kein Visum, wie komme ich zurück?“
Da hat er gesagt: „Ruf mich in einer Stunde wieder an, ich werde probieren, das zu organisieren.“ Nach einer Stunde habe ich ihn wieder angerufen: „Fahr morgen nach Klagenfurt dort ist ein deutsches Konsulat, du kriegst ein Visum. Ich schick ein Telegramm auf Veranlassung von Herrn Oberbürgermeister Vogel.“
Warum kommt ein Mensch zurück in ein Land, wo er soviel mitgemacht hat. Zum ersten waren das meine Freunde, wo ich sicher war, dass ich nicht untergehe, dass die mich über Wasser halten. Weniger Verlass war schon auf meine Verwandten. Aber da habe ich mir gesagt: Wenn es hart auf hart geht, muss auch meine Familie herhalten. Aber mehr war ich auf die Familie Mannheimer angewiesen.
Vergessen darf man nicht, aber verzeihen muss man, denn es sind andere Leute. Und ich bin so ein Typ, der sich gesagt hat: Ich will in dem Land leben. Ich werde die Augen offen haben und wenn ich sehen sollte, dass da Verhältnisse aufkommen, welche früher waren, dann verlass ich das Land. Das ist aber nicht der Fall. Ich habe keine Probleme. Ich verfolge auch politisch was sich tut. Es gibt Nazis in Deutschland, aber nicht in dem Maße, dass sie da ein Wort mitzusprechen haben. Man muss nur aufpassen, dass es nicht gefährlich wird. Das Land hat mir sehr viel gegeben, denn ich bin ja mit leeren Händen gekommen. Ich habe keine Vorurteile, denn das sind andere Menschen, mit denen ich jetzt lebe.