Für das Erinnern
Ins Lager Mühldorf bzw. Mettenheim bin ich gekommen von Auschwitz, 16. September 44. Wir sind da in Auschwitz...
Gehört haben wir, dass 1 000 Leute braucht man nach Mühldorf zum Arbeiten. Und da haben wir uns sofort gemeldet, weil Auschwitz war für uns schon unerträglich. Da haben wir Angst gehabt ,dass ist Schluss, da werden wir ganz bestimmt vergast, wie die anderen vergast worden sind. Auch meine Familie ist dort vergast. Und so sind wir nach Mühldorf gekommen, wie ich gesagt hab', am 16. September 44. Wir haben damals gedacht, dass wir in ein Sanatorium kommen, weil zum ersten Mal haben wir Glocken gehört, was wir Birkenau, Auschwitz‑Birkenau, nicht mehr gehört haben. Wir haben gemerkt, dass da ein Dorf ist und da werden wir es schöner haben wie dort in Auschwitz. Zwar in Auschwitz haben wir nicht brauchen arbeiten ‑ ich rede immer von Auschwitz, aber wir waren in Birkenau...Auschwitz war eine Stadt von Birkenau ungefähr vier Kilometer, und Birkenau war eigentlich das Vernichtungslager.
Und da in Mettenheim sind wir dann eingeteilt (worden) zur Arbeit. Ich war erst ... als Friseur hab' ich mich gemeldet, die haben damals Friseur gesucht, den ersten Tag schon. Und da hab' ich gedacht "Was kann in so einem Konzentrationslager der Friseur schlecht machen?" Da hab' ich mich gemeldet und da war ich einige Zeit als Friseur. Zwar ich hab' noch nie jemand rasiert. Leider der Anfang war sehr schlecht, aber nachher hab' ich mich engagiert als Friseur, bis ich dann mit meinem Zwölffingerdarmgeschwür ins Revier gekommen bin.
Ja, ich bin dann Krankenpfleger geworden. Und zwar durch einen Zufall bin ich drin geblieben einige Zeit, aber der tägliche Ablauf war sehr schlecht, weil sehr viele krank geworden sind auf der Baustelle. Die haben Ödeme und Phlegmone gekriegt, so dass langsam das ganze Revier voll war. Und ich selbst, tagsüber musste ich als Revierpfleger arbeiten und nachts hat man mich rausgeschickt auf die Baustelle. Heute sieht man noch die Bunker da bei Ecksberg, da hab' ich gearbeitet als Zementträger.
Nach kurzer Zeit nach unserer Ankunft, das war ungefähr zwei oder drei Wochen später, da hat man selektiert. Die ganzen Lagerinsassen mussten antreten, und die schwächeren, älteren und schwächeren Menschen hat man ausgesondert.
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Ich kann mich auf ein furchtbares Ereignis erinnern: Ein junger Kerl ist auch mit Vater mitgegangen, und wir haben noch gesagt: “Bleib da!" ‑ "Nein, ich gehe, wo mein Vater geht", wo der gewusst hat, dass die wieder nach Birkenau zurückgehen, wo die ganz bestimmt vergast worden sind.
Eine Erleichterung haben wir gedacht, aber es war nicht der Fall. Später haben wir schon gesagt, dass Birkenau war deswegen eventuell besser, weil da sind innerhalb von paar Minuten die Leute tot geworden, und haben nicht dieses Schicksal erleben müssen was in Mettenheim...
In Mettenheim sind die Leute in Anfang weniger gestorben. Aber nachher ist dann der Typhus ausgebrochen und die SS wollte das vermeiden, dass diese Nachricht weiter verbreitet werden soll, dass da Typhus ausgebrochen ist. Und das haben die nicht können und da sind täglich 25, 30 Tote an Typhus gestorben. Kein Medikament, dementsprechend...die Leute haben hohes Fieber gehabt, ich hab' dann eingeführt, dass die, welche nicht mehr essen haben können, dieses wenige Essen, was wir da gehabt haben, ... da hab ich einfach so die Leute gestopft, runtergestopft mit dem Essen, und die welche das gelassen haben, die sind einigermaßen am Leben geblieben, bis der nächste Fall dann wieder gekommen ist.
Sie dürfen nicht vergessen, in den Konzentrationslager hat man die Leute ausgezogen, sämtliche Papiere und alles was bei sich gehabt hat, weggenommen. Wir waren nur die nackte Körper da, wir hatten keine Möglichkeit gehabt... Widerstand... beim kleinsten Widerstand wären wir ganz bestimmt hingerichtet worden.
...Jeder möchte sein Leben behalten, ist egal, in welcher Situation, aber wir waren vollständig schwach. Wir haben keinen Widerstand leisten können, das hätten wir können machen, wenn die Bevölkerung auch mitgemacht hätte. Aber wir, wir haben kein Waffen, die (im) Warschauer Getto, die haben Waffen gekriegt, und trotzdem sind Hunderttausende kaputt gegangen, durch die Vernichtung und die Erschießung und durch die KZ.
Ja, also von der OT kann ich nicht viel sagen. Ich kann nur von der SS ... da waren einige, was ich gekannt hab', die haben furchtbar geschlagen die Leute, besonders ein gewisser Schallermair, der hat, also wirklich für jede Kleinigkeit unheimlich geschlagen mit Stock und mit Peitsche. Auch der Lagerführer war nicht sanft, der hat die Leute auch geschlagen. Da hab' ich auch einmal wegen Kleinigkeiten unheimliche sechs Ohrfeigen gekriegt, dass ich hab' gedacht, ich bleib' am Boden liegen.
Mit der Bevölkerung bin ich nicht in Berührung gekommen, ich hab' keine Gelegenheit gehabt. Gelegenheit haben nur die gehabt, welche außerhalb Lager gearbeitet haben. ...Da waren einige, die haben in Mühldorf, auch in Neumarkt St. Veit bei einigen Firmen gearbeitet.
Ob die gewusst haben, um die Verhältnisse im Lager, das weiß ich nicht, kann ich nicht sagen. Aber dass ein Konzentrationslager da war, das müssten die wissen, weil täglich sind welche mit SS nach Neumarkt St. Veit und nach Mühldorf zur Arbeit gegangen. Also müssten die wissen davon.
Das Schlimmste war für mich das ganze Lagerverhältnis: wenig Essen und auf der Baustelle. Da hat man nur eine warme Suppe gekriegt und mit dem hat man diese schwere Arbeit machen müssen..... Das schlimmste Erlebnis war eigentlich, wo der Typhus ausgebrochen ist, das war Januar 45, weil da hat man kein Mittel gehabt gegen den Typhus, und da sind, wie ich gesagt hab', schon 25, 30 Leute täglich gestorben.
Ich bin in Revier geblieben, weil ich war Revierpfleger. Ich hab' zwar, damals wo ich von meinem Lagerführer Eberl Ohrfeigen gekriegt hab, bin ich sofort abgesetzt worden als Revierpfleger und müsste ich rausgehen auf die Baustelle. Aber da waren einige Ärzte und die haben gesagt: "Dembik, wir führen dich weiter als Patient und du bleibst bei uns." So bin ich geblieben. Jede drei, vier Tage hab' ich gekriegt eine neue Karte, neue Krankenkarte, so dass die SS hat nicht bemerkt, dass ich schon lang drin bin, so bin ich eigentlich drin geblieben.
Die Befreiung 2. Mai 45, da waren eigentlich nur einige Kranke da. Die anderen sind schon vorher, am 25. April glaub ich, sind wegtransportiert worden Richtung Feldafing. Und da sind einige Patienten dageblieben und einige Ärzte auch, und Revierpfleger auch, ich glaub zwei oder drei Leute, Revierpfleger, waren da noch.
Das war... früh morgen haben wir gehört, dass die Amerikaner sind schon von München Richtung Mühldorf. Da ist die SS reingekommen, das war... und zwar 28. April 45, wo der Freiheitssender in München losgegangen ist.... Da ist die SS, einige SS reingekommen ins Revier und haben gesagt, wir sollen da bis Nachmittag alles in Ordnung bringen, denn die wollen uns an die Amerikaner übergeben. Und nachmittags war schon ein Rückschlag, da ist wieder dieselbe SS gekommen und haben gesagt: "So, ihr habt jetzt gedacht, das alles vorbei ist ‑ nein! Das geht jetzt weiter, der Kampf geht jetzt weiter". Und dann sind die ganz schön brutal geworden.
Bis 2. Mai 45 sind die Amerikaner von Ampfing nach Mettenheim und so von dem Mettenheim sind sie auf der Hauptstraße rübergekommen und ich bin der erste gewesen, ...Da war schon die ganze SS abgehaut, die sind früh abgehaut, und ich kann mich erinnern, dass der Lagerführer Eberl hat gesagt, ich soll auch in Transport raus und plötzlich hab' ich so einen Mut gehabt, dass ich hab' gesagt:
"Herr Lagerführer, erschießen Sie mich da, aber ich lass' meine Patienten nicht hängen!" Und er ist dann weggelaufen, und ich bin geblieben. Er war auch der Einzige, welcher nicht gefangen worden ist, alle anderen hat man später gefangen und dann nach Mettenheim zurückgebracht. Nicht im Lager, sondern vor der Kirche mussten die aufstellen. Die Amerikaner sind gekommen. Ich hab' die Amerikaner empfangen bei der Hauptstraße da, und hab' ich gezeigt, da ist ein Konzentrationslager, und der erste, die Panzerspitze, hat gesagt: "Okay, okay..." und ungefähr der zehnte Panzer ist dann stehen geblieben. Und die sind dann reingekommen zu uns und haben etwas Lebensmittel auch gebracht ... und dann sind die weitergefahren nach Richtung Mühldorf.
Nachmittags sind die von Mühldorf wieder zurück Richtung München, da haben wir schon Angst gehabt, das alles ist wieder zerschlagen worden, aber das war nun schon eine Bewegung der Amerikaner Und so waren wir noch ungefähr zwei oder drei Tage in Revier drin, da waren sehr schwer kranke Leute, alle mit Typhus, und die sind dann nach Ecksberg gebracht worden. Da sind auch noch einige gestorben. Später sind die dann verteilt worden nach Ampfing, da hat man so ein provisorisches Lazarett eingerichtet und in das Mühldorfer Krankenhaus. Im Mühldorfer Krankenhaus war dann ein Häftlingsarzt, Dr. Sabatos, das war ein guter Freund von mir. Und der damalige Chefarzt hat auch nicht besonders die Häftlinge aufgenommen. Das beste Beispiel ist: Am 8. Mai war eigentlich der Krieg aus, und hat er gesagt, der Krieg ist noch nicht aus. "Also so schnell geht ein Krieg nicht zu Ende, wie Sie meinen, meine Herren". So war das.
Ja, ich bin dann in Mühldorf geblieben, ich hab' auch die Leute angesprochen über diese Sache, viele haben gesagt: “Also wir haben nie gewusst, dass da ein Konzentrationslager war, wir haben nur gedacht, ,das ist ein Gefangenenlager, aber nicht dass da Leute kaputtgegangen sind wegen schwerer Arbeit und Typhus". Das haben die nicht gewusst. Ob die gewusst haben oder nicht, das kann ich nicht bestätigen, aber die meisten haben gesagt, sie haben nicht gewusst.
Ich lebe jetzt schon über 40 Jahre da, und leider sind heute noch Elemente da, die sagen: "Schade, dass nicht alle vernichtet worden sind."
Meine Meinung ist über diese Ausstellung sehr positiv, damit die Leute sehen können von, Anfang 33 bis die Scherben...gebrochen sind 45. Damit die Leute sehen, dass dieser Siegeszug war eine Augenwischerei eigentlich für das deutsche Volk. Das was sie erreichen wollten, haben die nicht ... die haben nicht können gegen die ganze Welt Krieg führen.
Wie ich das bemerkt hab', die meisten Besucher sind eigentlich meistens von, auswärts, ob die Mühldorfer noch alle gesehen haben, das weiß ich nicht. Das glaub' ich nicht, weil viele haben gesagt:“Ja ich weiß schon, da steht etwas, aber wir haben noch keine Zeit gehabt, aber wir möchten anschauen, und das wäre gut, wenn diese Ausstellung einige Jahre bleibt.
.... dass jetzt in den letzten Jahren sehr viele auswärtige Besucher kommen, die suchen die Gräber von den Eltern, welche da in Mettenheim geblieben sind und jeder wundert sich, dass da keine Gedenktafel ist. Und jeder sagt, ja, warum besorgen wir nicht eine Gedenktafel, um sie da aufzustellen Ich hab gesagt, leider ... viele wollten, auch einige Parteien wollten das machen, aber der Kreistag hat das abgelehnt und dafür wollen die diese Ausstellung einige Zeit behalten.