Für das Erinnern
Interview von Waltraud Schreiber
R. H.: Ich bin am 19.8.1923 geboren, mein Vater war Steinmetzmeister. Ich selber habe meine Banklehre gemacht und bin nach dem Krieg zur Gemeinde geholt worden und zwar auf besondere Art und Weise. Damals hat man durch die Entnazifizierung die Parteigenossen ausgestellt. Da waren in Ampfing zwei Mädchen, die haben gehen müssen. Es war kein Personal mehr da und da bin ich gebeten worden, in die Kanzlei zu gehen. Also ich hab mich nicht hingedrängt. Und da hab i mer denkt, so da bleibst a Zeit lang, bis i im Beruf a Arbeit krieg, und derweil san 40 Jahr draus worden, gell. Und hab sehr schöne Zeiten verlebt.
W.S: Sie haben mir vorhin erzählt, Sie waren im Krieg natürlich wie alle …
R. H.: Ja.
W. S.: … und sind im Juni nach Ampfing wieder zurückgegangen.
R. H.: Ja, ich war zuletzt in Griechenland in Saloniki beim Heeresgruppenstab als Telefonist Im September 44 ist der Rückzug aus Griechenland und den Balkanländern gewesen und ich war zuletzt in Agram. In Agram hab ich a Kommando kriegt mit drei Mann als Telefonist nach Laibach. Und in Laibach, es war schon vier oder fünf Tag vor Kriegsende, und unser Chef hat uns gschaugt, dass mer weiterkommen und sand an die Drau gekommen … Und sind von den Engländern kassiert wordn, (während) die ganze andere Bagage von die Jugoslawen … san erscht 48/49 hoamkumma, die arma deifeln. Und die Engländer – war auch komisch – die ham uns an die Amerikaner übergeben, nach Ahlen in Württemberg. Also von Pörtschach nach Ahlen in Württemberg. Da warn mer 3 Tag draußen bei die Amerikaner und dann hams uns entlassen. Da war ein Riesenlager, gell und … zum Arbeitseinsatz nach München, war aufm Entlassungsschein gstanden. Da bin ich dann der Firma Moll zugeteilt worden als Bauhilfsarbeiter. Des is mer dann zu streng geworden, wegen der Futterei, gell … bin i abghaut und an dem Tag, an dem ich in der Gemeindekanzlei angfangen hab, hab ich von meim Onkel, bei dem ich gwohnt hab, hab ich an Brief kriegt, dass der Amerikaner und einer vom Oberlandesarbeitsamt da warn, die mich suchen, weil ich schon so lang nimmer auf der Baustell erschienen bin. (lacht kurz) Hab ich natürlich schon Angst gekriegt, aber der Bürgermeister, der hat in Mühldorf von den Amerikanern a Bescheinigung kriegt, dass i in der Zwischenzeit in der Landwirtschaft gearbeitet hab und dass i da genauso wichtig war als wie als Bauhilfsarbeiter, und der Fall (war) erledigt.
W. S.: (lacht) Wunderbar. Sie haben mir vorhin erzählt, dass Ihre Eltern Ihnen geschrieben haben, dass die OT-Baracke in Ampfing gebaut worden ist…..
R. H.: (nickt) Ja, ja, ja … Im Juli 1944 hab i an Brief kriegt, dass sie Einquartierung kriegt ham, an Vermessungsingenieur, und dass im gegenüberliegenden Grundstück eine Riesenbaracke gebaut wird. Aber mehr ham sie net dazugeschrieben, gell, bloß des als Tatsache. Hab auch dann später nichts mehr ghört davon.
W. S.: Und als sie hoamkomma san, wie is’n die OT-Barackn dann scho gnutzt gwen?
R. H.: Wia i hoamkomma bin, da war die OT-Baracke teils, teils wohnungsmäßig schon genutzt. Man hat ein paar Parteigenossen aus ihren Wohnungen vertrieben und ein anderer nimmt natürlich die Parteigenossen nicht auf, die die andern rauswerfan. Und da san zwoa oder drei Familien … Die haben in der Baracke gewohnt. Dann hat einer gemietet … die ganze Baracke auf seine Kosten. Da san also no amoi zwoa Familien dazuakomma und dann is ständig was anderes gewesn. Do san noch weitere Familien reinkomma, dann war a Schneiderei drin. Dann war der Dunkel – odu – von Mühldorf war a zeitlang drin und hat Versuchsreihen für Polizeifunk betrieben. Und dann war a mal a Schule drinna, da habens a Wand rausgrissn für an Schulraum, weil zu wenig Schulraum da war. Ständig war da etwas unterwegs und die beiden, die’s ursprünglich gemietet ghabt haben, habens dann auch gekauft und habsn dann auch abreißn müassn. Des muss so etwa 1955 gwesen sein, als des dann abgrissn wordn is.
W. S.: In der Zeit, wo sie in Ampfing war’n, war da von der OT noch jemand da?
R. H.: Von der OT? Ja, sagn ma so: Leute, die bei der OT waren, von der Organisation selber – die hat ja nimma existiert – und da waren schon mehr Leute zurückgeblieben, hauptsächlich Norddeutsche, die ihre Heimat in der Ostzone gehabt hätten und die net zurück wollten. Da waren vielleicht 5 oder 6 Personen da. Ich kann mich an zwei Frauen noch genau erinnern und drei Männer. Ja. Und wia sag ich denn gleich: Die sind gut aufgenommen worden.
W. S.: Wissen Sie noch, wie die damals bei der OT Beschäftigten in Ampfing untergekommen sind, also von Erzählungen, aus eigenem Ansehen könnens Sie’s ja gar nicht wissen.
R. H.: Ja, bei Senftl in der Mitter-Straße warn zwei Damen dortn, dann beim Obermaier-Baugeschäft war a Dame dortn und wo die Männer gewohnt haben , weiß ich jetzt gar net. Aber bei denen weiß ichs bestimmt. Von den ehemaligen Hausbesitzern leben ja nur noch Kinder, gell. In wie weit die Aussagen machen können, das woaß i natürlich net.
W. S.: Und jetzt während dem Krieg, in dieser OT-Baracke haben ja jede Menge Leute gearbeitet. Die haben da aber offensichtlich nicht in Ampfing gewohnt?
R. H.: (nickt) Doch, die san in Privatunterkünften gwesen. Sogenannte Schlafgeher warn des. Die ham a Zimmerl ghabt, in irgendeim … da hats ja noch Wohnungen genug gebn, da war ja no nix los, gell … Die san also privat unterkommen und viele san auch hin und hergfahrn. Die vom Stab in Berlin beispielsweise, die immer wieder a mal Leute da ghabt ham zu was woas i, zur Korrektur von Plänen oder anderen Sachen.
W. S.: Das Lazarett, das haben Sie selber noch mitgekriegt, oder war das schon aufgelöst, als Sie zurückgekommen sind?
R. H.: (Unterbricht) Das Lazarett hab ich … war in Auflösung begriffen. Des Lazarett is ja praktisch … postwendend, muss ma sagn, am 3.Mai oder 4.Mai errichtet worden sein, weils ja die Leute gleich rausgnomma ham. Ob dann die Leute, die nach Ampfing komma san net zerscht woanders warn, weil des Lazarett ja net hergerichtet war, des woaß i jetzt net. Vielleicht nach Ecksberg komma … oder … auf alle Fälle sind sie dann sehr bald nach Ampfing komma und zwar hundert Personen. Und diese hundert Personen ham versorgt wern müssen. Des is schon losganga mit der Stellung der Betten. Die Leit ham doch die Bettn stelln müssen, sie ham Bekleidung stelln müssen, Unterwäsche, Taschntücher also alles was normalerweise a Mensch braucht, ham die Ampfinger da hergebn müssen. Bettdecken, Zudecken und dann……sind die, bevor sie in ihre Quartiere gehen konnten, ham Mädchen, die beim BDM warn oder bei der Partei, ham de die waschn müssen … nackend … weil … a Bad is ja net drin gwesen. Die san in a Wasserschaffl nei gstandn und da habn ses abgschrubbt, gell. Und … da hats scho bei einigen Ärger gegeben. Warum grad de und ich neta, so ungefähr … mitm Waschn. Und dann warn sie auch teilweise … wie soll ma … überfressen ham sich die zum Teil, gell. Die ham des hineingewürgt und es hat daraufhin auch einige Tote gebn. Sechs von die hundert san in Ampfing in der Baracke verstorben. Sie hat ma weggebracht, wohin (hebt die Schultern) weiß ma net. Und dann is scho bald … sie hat net lang existiert … die hat vielleicht so sechs oder acht Wochen höchstens existiert … des Lazarett … dann is aufgelöst wordn.
W. S.: Also, wie sie gekommen sind, wars direkt im Auflösungsprozess dann praktisch,gell?
R. H.: (nickt) Da wars direkt im Auflösungsprozess, ja, da hat sie noch existiert, aber da wars schon so, dass man für sie andere Unterkunft gesucht hat. Weil Holzbaracken, wo der Wind durche pfeift, war halt net ideal.
W. S.: Wie muss man sich das vorstellen, Sie können das jetzt auch bloß aus der Erzählung berichten, wie das ging mit der Kleidung und der Wäsche, wie Sie gesagt haben, wer hat denn…..also der Befehl ist von den Amerikanern gekommen, aber wer hat denn das durchgeführt?
R. H.: (nickt) Der Bürgermeister …
W. S.: Das heißt, der Befehl geht von den Amerikanern an den Bürgermeister…?
R. H.: Die Amerikaner ham den Befehl an die Gemeinde gegeben, des herbeizuschaffen. Und damals war noch der Bürgermeister aus der NS-Zeit da, und der hat ganz schön laufen müssen (nickt) . Wobei mir gsagt worn is, dass die Leute im Großen und Ganzen zuvorkommend warn. Die warn no verschüchtert, also Besatzung und so weiter, also da is dann des scho leichter ganga.
W. S.: Haben Sie selber, als Sie dann Gemeindeschreiber waren, das auch einmal erlebt, dass Sie von der UNRA oder von irgendjemand so einen Auftrag bekommen haben?
R. H.: Ja, das sogenannte … Requirieren von … Sachgütern, des war a heikle Sache. Die ham zum Beispiel von der Militärregierung aus (hebt den Finger) ob´s die Militärregierung war, weiß der liebe Gott, obs net oaner bloß vom Landratsamt war, der zwar für die Militärregierung tätig war, angerufen, wir brauch mer fünf Radioapparate, um fünfe hol mer´s, gell. Oder … Gschirr … alles mögliche ham de … sogar 1947 ham de noch requiriert. Und da 1947 wollten´s so an Ausziehtisch für 6 Personen, 6 Stühle, eine Sitzgarnitur. Das Geschirr für 6 Personen, an Kleiderschrank, … was war jetz noch? … Ja des wars … (nickt) 1947 hams des no verlangt! Und do san die Leit natürlich schon nimmer ganz so freizügig gwesen … Ich hab sie zunächst … ich hab a Liste ghabt, von am Parteigenossen und da hab ich sie zunächst zu Leuten hingeführt, da wo´ s so was net gibt, gell. Zu am Kleinbauern,wo hat der an Auszugstisch oder a Sitzgarnitur (lacht). Und da sans mer dann bald draufkomma, dass i se bloß bscheissn wollt und dann hat mir der Amerikaner die Liste aus der Hand grissen, und hat … Da is Doktor!(?).. Aha, der woaß also, wo er so was kriegt, und war mer gegenüber so bei dem Arzt, und der war schon in (Klastern?) in Regensburg, weil er Ortsgruppenleiter war in Oberbergkirchen und sein Nachfolger, der hat den verteidigt, ... i hab gsagt, was regns eana denn so auf? … Des was die gsehn ham, (hams) ja hergebn müssen. Is ja bloß (verhindert?) gwesen, was de net gsehn ham, gell. Und dann san mer raus, und dann hat er wieder die Liste angschaugt, (weist mit der Hand) Wem ghört des Haus da drüben? Dann hab i gsagt, des ghört an Apotheker. Ja, schaun mer mal hin(?) … Da hams dann a Garnitur, Sitzgarnitur, raus und des war no mei Nachbarin, die war natürlich sehr böse auf mich, weil i die Amerikaner do neiführ, (lächelt kurz) ja, was hab i anders macha können, gell. Und die ham an Requirierungsschein kriegt, da is draufgstanden, dass die Sache Eigentum der Hingebenden is, und im Falle des Verlustes finanziell entschädigt werden muss. Und dann, was auch noch war, des hat mit der Besatzung nix zu tun ghabt, im Werk Aschau … Waldkraiburg, da warn ja mehrere Firmen beschäftigt, und da warn auch noch Ampfinger da, die für immer einrücken ham müssen, die dort beschäftigt warn, und dene ham Reifen gfehlt und Werkzeug, des is verschwundn. Und des hams angezeigt, da hat die Polizei dann des Zeig sucha müssen. Dann sans a nach Ampfing herkumma, sie ham … da oan in der Reißn ghabt, … jetzt woaß i nimmer, wie der ghoaßn hat. Und es muß von der Gemeinde jemand als Zeuge mitgehn. Na bin i halt mitganga, dann hams an Heustock, von an kleinen Heustadl, total ausgleert (lacht) … und hama aber koane Reifen gfundn, gell. Und dann is in am Einfamilienhaus in Ampfing, da hams nach Werkzeig gsucht, … aber do is net viel rausganga dabei (schüttelt den Kopf).
W. S.: Also, es ist der Auftrag an den Bürgermeister gegangen, und da hat´s Sie als jungen Gemeindeangestellten oft getroffen, dass Sie da mitgehen mussten?
R. H.: (nickt, unterbricht) Die Gemeinde war ja die Durchführenden bei den zuletzt Genannten, weil sonst hat die Gemeinde ja lediglich an Zeugen stellen müssen.
W. S.: Und beim Requirieren war die Gemeinde richtig der Durchführende?
R. H.: ( nickt) Da war die Gemeinde richtig … dabei. Durchführend … mit …
W. S.: Und es ist im Prinzip um die Parteigenossen gegangen, gell?
R. H.: (nickt) Es is im Prinzip immer um die Nazis gegangen. Und wer war Nazi, … Parteigenossen. Die Parteigenossen ham öfters zu allem möglichen … herhalten müssen, zum Beispiel auch der Ausgraberei …
W. S.: Genau, da wollte ich Sie gerade danach fragen.
R. H.: Ja,… des is gwesen … (überlegt länger) … 46, 1946 da bin i vorgladen wordn, bin i an die Gemeinde, ans Landratsamt, da war dann noch dortn jemand von Neumarkt, dann von der Stadt Mühldorf, und … es fehlt mir a Wort, vorhin hab ich´s gwußt …
Der vierte Mann (überlegt) …
W. S.: Neumarkt, Kraiburg …
R. H.: (nickt) Kraiburg, ja. Mühldorf, und dann … Und da hat man uns zur Kenntnis gebracht, dass das KZ-Grab, das Massengrab exhumiert werden muss. Im Auftrag der Militärregierung, Captain Forys der berühmte Mann. Und … da ham mer uns natürlich gweigert, weil mer gwußt ham, was des für a … furchtbare … Gschichte is. Und wollten dann den Vorschlag machen, dass ma dortn bloß ein großes Denkmal setzt und a Anlage dazu, a schöne … lasst die Toten Tote sein, gell. Aber der Captain Forys hat da kein Verständnis ghabt dafür, ja, na hats gheißn, die vier Gemeinden, die dort vertreten warn, müssen des durchführn. Da hab i gsagt, san mir blöd, in Buchbach und in Schwindegg, und was woaß i wo sonst noch, hats a überall Parteigenossen gebn. ´S hat ja net bloß in Ampfing und Neumarkt Parteigenossen gebn. Ja, hat der Wegartner, der spätere Landrat, wieder rückgefragt, da warns dann einverstanden, dass mer uns aufteiln des Gebiet, und von alle Gemeinden Leute beschäftigen können. Ja, des war Anfangs Juni … muß des gwesen sein, i hab dann gschaut, dass i bald anfangen kann, wegen der Hitze. Wir hama dann in der Früh um fünfe hama schon angefangen auszugraben, und des warn ungefähr so … so 15 Mann warn da immer in einer Gruppe. Und dann war auch noch a Gruppe, die die Gräber hat machen müssen, da hat die Gemeinde ein Grundstück gekauft an der Mühldorfer Straße, fürn Friedhof, und dann die Leichen san in … Holzsärge … gebettet wordn, aber die Holz … san so (zeigts an) dünne Brettl gwen. Da hat ma aufpassn müssen, wenn ma an Sarg ghebt hat, dass a net durchbricht. Und … des war schon schlecht, … da war … an der Ausgabenstelle war ständig a Arzt da, weil die meisten ham sich übergebn, die da draußen arbeiten ham müssen. Unsre Gruppe, die erste, die Ampfinger Gruppe, muß i sagn, die warn schlau, die ham an Totengräber engagiert. Der Totengräber hat die Leichen ausm Grab rausgezogn, an Rand hin, und dann ham zwoa mit der Schaufel … hams den Totn in an so an Sarg eine,gell. Und wieder zwoa andere ham den Sarg zugnagelt und aufn LKW verladen.
W. S.: Wie ist denn die Entscheidung jetzt getroffen worden, Sie haben gesagt, ungefähr 15 Leute aus Ampfing …
R. H.: Na, des warn scho mehr …
W. S.: Waren mehr? …
R. H.: Die tätig warn, immer … des sin ja mehrere Gruppen gwesen …
W. S.: Ah ja, ok.
R. H.: Man hat ja net einen ständig eingsetzt, sondern man hats … so gsetzt … dass man die Gruppe da ausanander zieht, dass net a jeder ständig da dran kommt. Und in der Früh um … fünfe sand´s vor der Gemeindekanzlei angetreten und ham an der Liste gschaut, obs alle da san (zeigts mit den Händen auf,lächelt) Kann i mi erinnern, da war oaner da, Meilinger hoaßt der, Meilinger, hab doch mal an Lehrer ghabt, der Meilinger hoaßt, der Mo hat ausgschaut (schüttelt den Kopf), furchtbar, alte dreckerte Hosn, unter der Nasn an Gummi (zeigts auf), mit der … s so hinter die Ohrwaschel ghaltn hat, mit irgendwas getränkt. Also a jeder hat da irgendwas ghabt, wo er sich vor dem Geruch schützen wollte. (atmet tief durch) … Und meistens hat ma um achte, neun Uhr hat ma aufghört, weils dann warm wordn is. Da wars dann nimmer zum aushaltn.
W. S.: Es ist genau festgelegt gewesen, wer da exhumieren muss, oder? Wer hat denn das festgelegt?
R. H.: Es hat bloß gheißen, Ampfing muß 300 Leichen … bergen. … ich weiß net … Neumarkt glaub ich a so was, Mühldorf natürlich etwas mehr. Also des war festglegt, wie viel … und … De san dann normal in a Grabzeile ordentlich …eingebettet wordn. Und … dann, wies fertig war, dann ham d´Leit die Gräber begehn müssen … Dann … des war dann auch a Streitfrage, der Friedhof, mitm Denkmal. Damals wars in Ampfing a jüdische Gemeinde und der Vorsitzende von der Gemeinde hat sich um an Friedhof gekümmert. S wär ihn nix angangen, aber er hat sich halt drum kümmert, dass des ausgegrast is ordentlich und dass das Denkmal nicht schön is, ham ja koa Geld ghabt, gell. Hat ja nix gscheits gebn. Dann war ich in München beim … Staatssekretär Auerbach, der war zuständig für die Ausländer und … jüdischen Gemeinden bei der Regierung von Oberbayern. Und dort hab ich a Geld locker machen kenna und an Zement (überlegt) … und des, nach wie viel Jahren woaß i jetz net genau, san die wieder ausgegraben wordn. Und zwar hat man geglaubt, dass man unter Umständen von den Knochen, vom Gebiss, vom Schädel, von … gebrochenen Füßen und … Schenkeln auf eine gewisse Person zurückschließen kann. San Särge gwen, so kleine (zeigt´s an) aus Plastik. Sauber, jedes Stückchen Knochen ham sie abgekehrt, … aber, da is nix raus komma. Da is nix rauskomma.
J. W.: Sie haben gesagt, die sind eingeteilt worden, wie viel jede Gemeinde ausgraben muss. Das heißt, die Amerikaner haben gewusst, wie viele gestorben sind?
R. H.: (nickt) Die Amerikaner ham ja, … da bin ich sehr im Zweifel. Und zwar bin i deshalb im Zweifel, weil, wenn ich dran denke, dass die … Baustelle im … März glaub ich wars, 1945, in gewisser Hinsicht aufgelöst worden ist, von gsunden Leit, soweit ma da hat von gsunde Leit sagn kenna. Und des san glaub i an die 3000 Leit gwesen, die ma da … verfrachtet hat. Und etwa die gleiche Anzahl hätte nach Aufzeichnungen ja da sein solln. Jetz wenn ma vier Gemeinden nimmt, viermal 300 san 1200, und soll wirklich Mühldorf die doppelte Zahl ghabt ham, des lasst si net rechnen, gell. … Des lasst sich net rechnen.
J. W.: Sie haben am Anfang gesagt, bei der Organisation Todt waren Frauen da. Waren die in der Verwaltung der Organisation?
R. H.: Ja, in der Verwaltung, ja (nickt)
J. W.: Das heißt, die sind genauso mitmarschiert mit der männlichen Organisation…..
R. H.: Ja, ja des warn … die warn wie Zivilangestellte. Ja, … nach der Ausgrabung, die Ampfinger, die ham da eisern zsamma ghalten,gell. Sans in Gasthof zur Post ganga, im Korridor … um da was zu trinken. Da is der Wirt komma, hats glei rausgschmissn, weil ja de a so ein Geruch verbreitet ham, der ausm Gasthaus nimmer rausganga is, gell.
J. W.: Wie hat sich denn das auf die Stimmung der Bevölkerung ausgewirkt?
R. H.: Ich hab ehrlich gsagt Angst gehabt, weil i hab des in Ampfing ja organisiern müssen, dass mir die Leit, die i ja alle persönlich gut gekannt hab, sehr böse sein werdn, wenn i sag, du Freind, du kimmst jetz zum Ausgrabn. Und den andern vielleicht nicht … weil … ich hab wirklich bloß die, wo in irgendeiner Form … aktiv warn, die nicht aktiv warn, zum Grab schaufeln eingeteilt werdn muss, gell … Hab i mir denkt, da … wer i Schwierigkeiten kriegn. Aber nix, gar nix. Sie ham des hingenommen (schüttelt den Kopf) si ham mi erstaunt, gell. Da is nix gemeckert worden, … da hat … gschriebn , dass sie zu der und der Zeit da sein müssen, und um was´s geht, … keiner was gsagt(schüttelt wieder den Kopf). Ob sie dann unteranander … werdn si schon gmosert ham gell, aber dass sie nach außen hin sich da … irgendwie beleidigt gefühlt hätten, oder … s war net der Fall
W. S.: Wie sind Sie jetzt da vorgegangen bei der Auswahl. Sie haben halt alle, die irgendeine Funktion gehabt haben zuerst einmal genommen, …
R .H:(unterbricht) Mir ham a List … Das erste, wie die Amerikaner herkomma san, hams von die Gemeinden, net bloß in Ampfing, eine Liste der Parteigenossen verlangt. Und die war ja bekannt. Und da hat mer also, was woaß i, in Ampfing, wie viel hat´s n da gebn, … achzge … Parteigenossen, gell. Und da hat mer gschaut, (zählt auf) da war a SA-Führer dabei, Hitlerjugendführer, und so halt verschiedene Chargen, die hat man wieder rauszogn, gell. Und wie ich dann von den auswärtigen Gemeinden des a ghabt hab, dann hab i mir ausrechnen können, wie viel dass i ungefähr Leit brauch. Die hab i dann aus diesem …Teil rausgnomma.
W. S.: War das in jeder Gemeinde so, dass der Bürgermeister, der Gemeindeschreiber verantwortlich war oder hat es da eine zentrale Verantwortlichkeit gegeben?
R. H.: Da ham mer … zum Beispiel … nach Salmannskirchen, an die Gemeinde Salmannskirchen gschriebn, dass wir im Auftrag, usw.usw. und dass er uns die Par
teigenossen mitteilen muss.
W. S.: Das heißt, Sie vier, wie Sie gesagt haben, die da am Anfang am Landratsamt waren, Sie haben sich da auch drum kümmern müssen …?
R. H.: Ja, wir ham uns drum kümmern müssen, bei den einzelnen Gemeinden die Personen abzurufen, die mer braucht ham.
W. S.: Waren Sie dann auch selber mal draußen an dem Massengrab?
R. H.: (spricht dazwischen) Ja, ja sicher. (wartet) Des is … wie sag i denn glei? … (überlegt) I habs ehrlich gsagt einfach net verstehn können, dass man des macht, gell. Des war a Leichenschändung und koa Leichen …ehrung,gell. Diese Holzbrettlsärge (schüttelt den Kopf), die hams beim Aufladen und Abladen schon teilweise demoliert. Des einzige war, dass sie ordentlich bestattet wordn san … a Reihengrab ausghobn, entsprechend tief und die Särge schön reingerichtet, … des war des einzig Positive an der Gschichte.(denkt lange nach).
W. S.: Sie haben gesagt, dass die Betroffenen, die Parteigenossen selber zumindest Ihnen gegenüber nicht rebelliert haben. In der Bevölkerung, als … Überhaupt nichts? …
R. H.: (unterbricht) Nein, auch nicht … ich hab da nichts gehört, gell … Erst hernach hab ich … und zwar - des passt gar net zum sagn - was sie nebenbei … für a Gaudi gmacht ham. Also sie ham des … mit am gewissen Humor ertragen. Die ganze Gschichte. Wie grad vorhin erzählt hab vom Wirt, … und sonst sans a zsammkemma, im Wirtshaus, aber in dem Moment (schüttelt den Kopf), des war nach 14 Tag war des beendet und Schluss aus Amen. (restl. Satz unverständlich)
W. S.: In Mühldorf, weiß man, hat die ganze Bevölkerung an den Friedhof müssen …
R. H.: (nickt) Ja, …
W. S.: Das war bei euch genauso, gell? …
R.H.: (nickt wieder) Ja, … Bloß wars im Friedhof in Mühldorf so, dass in Mühldorf schon 1945 die Ersten ausgrabn ham müssen. Für die war des nix Neues.
W. S.: Wenn man in Mühldorf mit der Bevölkerung redet - die Amerikaner wollten ja damit auch so ein gewisses Schuldbewusstsein bei der Bevölkerung wecken – dann hat das nicht ganz so funktioniert. Wie war denn das bei euch in Ampfing?
R. H.: (schüttelt leicht den Kopf) Des einzige war, sie ham scho … gmosert, weil´s gheißen hat, eine bestimmte Gruppe muss wieder ausgrasen, weil … halt d´Leit was doa ham müssen, was sie net bsonders gern getan ham. Aber, sie ham net rebelliert (schüttelt wieder den Kopf) … es ist damals, muss i sagn … die ganze Nachkriegszeit die ich erlebt hab, war so, dass die Leit des hingenommen ham, gell. Des war also net, dass jetz des die bösen Amerikaner san (weist mit den Händen auf die eine Seite) und die braven Deitschn oder was, net … sicher hats Reibereien gebn, wenns oam a halberte Wohnung ausgramt ham, (lächelt), dass der net glacht hat drüber, des is klar. Aber ansonsten san die Leit ruhig gwesen.(nickt)
J. S.: Ja, weil der Jungwirt hat uns erzählt, dass bei der Exhumierung Leute herangezogen worden sind, bis nach Irl …
R. H.: ( fragt nach) Was han de?…
J. S.: Sie hätten bis nach Irl Leute zum Ausgraben eingezogen …
R. H.: Ja, ja, des is des was i gsagt hab, dass die Gemeinde Ampfing von den anderen Gemeinden auch die Parteigenossen anfordern ham können.
K. H. Jaensch: Herr Huber, die Nazigrößen waren doch eigentlich in der Bevölkerung zu Hitlers Zeiten gefürchtet - einige wenigstens - und war da nicht dann Schadenfreude unter der Bevölkerung, als die nun Leichen ausgraben mussten?
R. H.: (überlegt, lächelt) Des … is an und für sich etwas ganz Normales, dass immer Leute gibt, die sich über etwas freun … aber man kann net sagn, dass sich die grundsätzlich … drüber gfreut ham, gell. Und Nazigrößen … des is allein schon ein Ausdruck, den zu erklären schwierig is. Ha, der … Göring war a Nazigröße, gell und der Ortsgruppenleiter von … der Gemeinde, was war der? …war für …
K. H. Jaensch (wirft ein): Für den Ort war er doch auch …
R. H.: … für den Ort … die Nazigröße. Der Ortsgruppenleiter war für den Ort die Nazigröße.
K. H. Jaensch: Ja, aber ich kann mir doch vorstellen, dass die Bevölkerung das schon verfolgt hat, und sich gesagt hat, ha, der muss jetzt auch Ausgraben gehen und warum der nicht. Ist …
R. H.: (nickt) Ja, des is … in solchen Fällen immer. Ob´s jetz da um des Ausgraben geht sondern um zwangsweise … Beschäftigung von, zu irgendwelchen öffentlichen … Dingen, da ist immer so, dass es Probleme gibt mit der Erfassung der Leute, die da … aktiv sein müssen. Und da, zum Beispiel, wenn i da Ampfing anschau, da is der Ortsgruppenleiter Weber, war Bezirksoberlehrer, war Organist in der Kirch, war Chorleiter vom Gesangsverein (lächelt, und zuckt leicht die Schultern) … Des war dem seine …Tätigkeit. In a andern Gemeinde, da war des wieder net, da war er halt nur Ortsgruppenleiter. Und was das nationale Bewusstsein angeht, ham de natürlich alle an Auftrag gehabt. Wenn ma da dran denkt an die … Sammlungen, WHW-Sammlungen, also Winterhilfswerksammlungen, Volkswohlfahrt- oder Kriegsgräberfürsorge, san Sammlungen gwesen, die san angeordnet worden. Und die hat die Partei durchzuführen gehabt, nicht die Gemeinde. … so war a … strenge Trennung.
J. W.: Sie haben den Namen Forys vorher so erwähnt, als wenn der herausgehoben wäre gegenüber den anderen Amerikanern, die da waren.
R. H.: Forys, ja….(nickt zustimmend)
J. W.: Also besonders scharf hat sich das angehört?
R. H.:( nickt) Ja, ja, ja … Der war unbeliebt, der war … war a scharfer Hund …
J. W.: Sie haben ja eine Bewachung gehabt bei der Exhumierung.
R.H.: (wirft bestätigend ein) Ja, ja …
J. W.: Das heißt, es waren die Amerikaner dabei. Wie haben sich die amerikanischen Soldaten dabei verhalten?
R. H.: Die ham sich überhaupt net verhalten. Die ham sich … nicht gezeigt.
J. W.: Also, die waren so im Abstand …
R. H.: Des war ein Abstand, des war an die … Kommunalbehörde übertragen, zur Durchführung, da war sie auch zur Überwachung. Das Einzige, was war, dass a Arzt draußen gwesen is.
J. W.: Noch mal, sicherheitshalber, es waren also keine amerikanischen Soldaten dabei?
R. H.:(schüttelt den Kopf) Ich kann mi net dran erinnern … Also, des wär mir bestimmt bekannt.
W. S.: Also die Überwachung ist auch von den kommunalen …
R. H.: ( nickt) Ja, …
W. S.: Ihr wart zuständig?
R. H.: Mir hama schaun müssen, dass die Leit a do san. (klopft sich in die Hand), die eingeladen wordn san zu dem … in der Früh immer a Strichliste gwesen (zeigts auf). A weil i vorhin von diesem Maillinger gredt hab, des war tatsächlich mei früherer Zeichenlehrer, net.
W. S.: Der Hermann, gell?
R. H.: Ja …
K. H. Jaensch: Ich hab ihn ghabt … (Mehrere Gesprächsteilnehmer bekunden, dass sie H. Maillinger im Unterricht hatten)
R. H.: Und … der hat sich dann doch zu erkennen gegeben … mir war´s peinlich, in gewisser Hinsicht, aber … mei, was hilft´s? … Ja … weil mir vorhin von de Ortsgruppenleiter gredt ham, in Ampfing war beispielsweise der Ortsgruppenleiter gleichzeitig Kirchenorganist, Chorleiter vom Chor … vom Gesangsverein, Bezirksoberlehrer, also stellv. Schulrat, d.h der hat also mehrere Funktionen gehabt. Und ich hab ihn selber in der Schule ghabt, und … hat in die Schule schon damals … viel nationales Gedankengut eingebracht worden. Über Kriegs … Weltkrieg und Versailler Vertrag und all diese Dinge. Und da warn aber auch unter uns Buben welche, die warn nicht in der Hitlerjugend. Der hat des nicht irgendwie denen … spüren lassen. Des sind Schulkinder gwesen, … aus …
W. S.: Jetzt muss ich zum letzten Mal noch zu dem Exhumieren nachfragen, und dann gehen wir noch zu den Amerikanern über. Es wird manchmal erzählt, dass bei der Entscheidung, wer in dieser Exhumierung mitarbeiten hat müssen, dass da auch ehemalige jüdische Häftlinge ein Wort mitreden konnten? Ist Ihnen da was in Erinnerung?
R. H.: ( hört genau hin, schüttelt den Kopf) Na, …
W. S.: Das stimmt nicht?
R. H.: Na. Die ham vielleicht beim, beim Captain Forys mitreden kenna , dass sagn, wir möchten des a ham, dass de ausgrabn wern. Aber bei uns, … bei den kommunalen Behörden … (schüttelt den Kopf) … (unverständlich) … nix zu tun ghabt. Ich habe außer dem Streit mit´m Silberspitz wegen des Friedhofes auch net daran erinnert, dass de amal bei der Exhumierung dabei gwesen warn. Des …
W. S.: … stimmt einfach nicht!? …
R. H.: Es san ja dann in Ampfing amal an die achtzig Juden gewesen oder jüdische Bevölkerung und dann auch in Mühldorf sind welche gwesen, in Schwindegg sind welche gwesen und die zusammen ham eine jüdische … Gemeinde ergeben. Und das Büro war beim … Hinterecker drunt (weist hinunter) und eana Chef war dieser Silberspitz und der hat sich um diese Leute sehr gekümmert, was Bezugsscheine angeht. …Wie´s beispielsweise … (unverständlich) … da kommt oaner zu mir und sagt: Du bist scho a sauberner Kerl. Sag i: Warum? Was feit der denn, ne? Hat er gsagt: Du verschacherst des ganze Holz an die Juden - Brennholz - . Sag i: Wie kommst denn auf die Idee? Ja, der Sägewerksbesitzer hat des gsagt, gell. Weil er nur an die Juden a Holz liefern derf … Ja, des hat mit mir nix zu tun ghabt. Die ham Bezugsscheine kriegt und ich hab koan kriegt. Des war der Unterschied. Und so wars mit vielen anderen Dingen auch. … (unverständlich) … Fahrräder, … oder… Mobiliar … und … also, die san gut versorgt worden.
W. S.: Ist das über die UNRA gegangen?
R. H.: Na, des is von der Gemeinde … von der … jüdischen Gemeinde ausgangen.
W. S.: Ach so, die haben praktisch, die jüdische Gemeinde hat noch mal ein Sonderkontingent an Bezugsscheinen gehabt?
R. H.: (nickt) Ja, die hat sich so gegeben als eigene Gemeinde in einer Gemeinde. Also, die ham also dieselben Privilegien ghabt wie wir. Und … ja … dann hams ja noch a Synagoge gebaut 1947 im Pfarrheim drin. Sie war sehr schön (nickt beifällig) gemacht, also echt … und a Jahr später is brach glegen. San die Juden alle furt. Und vorher ham sie ihre … Gottesdienste im Hinterecker-Saal …abghalten, da wars … die Wände (zeigt hoch) mit Bildern aus Jerusalem rundum bemalt ghabt ham. Des war auch recht schön gmacht.
R. H.: (nickt) Ja, …
W. S.: Das waren sozusagen „displaced persons“, wovon sie jetzt erzählt haben. Die waren bei uns in Aschau, in Waldkraiburg, bei euch in Ampfing, in Schwindegg, und wo waren noch so Kerne?
R. H.: (nickt) Mühldorf.
W. S.: Ja, Mühldorf …
R. H.: Ja, Mühldorf, ja, Ampfing, und ich kann mich bloß erinnern an Schwindegg … Mühldorf, Ampfing … und dann san noch so vereinzelte in einigen Gemeinden gwesen.
W. S.: Und wo haben die Leute gewohnt?
R. H.: Die ham die Wohnung, wie später die Flüchtlinge gwohnt ham, so ham die auch gwohnt. Bloß ham die meistens zwoa Zimmer ghabt, oder gar drei, wenn sie Kinder ghabt ham. Da war der … des war grad die Zeit, wo die Flüchtling komma sand. Und da hats viel Reibereien gebn, weil a Flüchtlingsfamilie mit zwoa Kinder hat a Loch kriegt mit 14 Quadratmeter und die ham unter Umständen mit einem Kind zwoa oder gar drei Zimmer kriegt. Und da ham a schwer, schwer dagegen angehen können, dann war ja sofort der Hitlerjugendführer von Ampfing … wenn etwas … nicht in dene ihrem Sinn glaufen is, gell.
W. S.: Aber die Zuweisung ist auch komplett über die Gemeinden abgewickelt worden, so wie später bei den Flüchtlingen, oder?
R.H. (relativiert) Äh, äh … fast.
W. S.: Fast?
R. H.: (nickt) Fast. Die ham sich unteranander … geholfen, bei der Suche von Wohnungen. Die waren (schüttelt den Kopf) … die waren eigentlich recht gschickt in der Hinsicht. Und die ham ja … alles mögliche ja ghabt. Einer war Pferdehändler, beispielsweise, … die ham Motorrad scho ghabt und warn … auch bekleidungsmäßig bestens ausgestattet. Man hat sich direkt gfragt, wo kommen die her? Die können doch net ausm KZ sein. Die warn … Bäuchlein(zeigts), gell … guat rausgfüttert, bestens angezogen. (hebt fragend die Schultern) Kann des sein, dass de ausm KZ kommen? Die meisten san a aus Polen kommen … des müssen also polnische Juden gwesen sein, die die Zeit irgendwie überstanden ham, gell. Aber, man hat da nix erfahren, gell.
W. S.: Aber das klingt jetzt so, als hätte es da einen ziemlich „Knatsch“ in der Bevölkerung gegeben?
R. H.: ( nickt) Da hats scho an Knatsch gebn, ja. Wegen der ungleichen Behandlung beispielsweise. … Der Arbeiter, der a Radl braucht hätt, um nach Töging ins Stahlwerk zfahrn, der hat koan Schlauch net kriegt. Aber de san mit neie Radl rumgfahrn. Wo komma do neie Radl her? Also des warn, des warn also Zustände, die man net kapiern hat kenna.
J. W.: Sie haben vorhin gesagt, sie(die Leichen) sind in kleine Holzsärge umbettet worden bei der Exhumierung. Da müsste man eigentlich eine genaue Zahl festgestellt haben, wie viele man exhumiert hat?
R. H.: (nickt) Ja, in Ampfing 315.
J. W.: Wissen Sie eine Gesamtzahl?
R. H.: Na, da woaß i net. Ja, ich glaub, dass in irgendeiner, in irgeneinem … meiner Bücher müsst´s drinstehn. (deutet mit dem Kopf nach vorne) Die Gesamtzahl.
W. S.: Ist darüber in den einzelnen Gemeinden Buch geführt worden, dass man diese Gesamtzahl vielleicht noch genauer … Sie wissen genau, es waren 315 bei uns in Ampfing?
R. H.: ( nickt) Des weiß ich ganz bestimmt, weil mir des x-mal … melden ham müssen und des woaß i aus dem Grund ganz bestimmt. Es war so, dass ursprünglich nicht 315 warn, ich glaub, des warn ursprünglich bloß 300 und da san dann noch einige Wochen später … hams uns plötzlich an LKW voll … Särge hergstellt, die dann schnell, schnell bestattet wern ham müssen. Des müsste in dem Büchl drinstehn.
W. S.: Lese ich noch mal nach.
R. H.: Oder in dem Manuskript.
W. S.: Jetzt noch einmal zurück zu den „d.p.“s , zu dieser jüdischen Bevölkerung, die bei euch war. Das war bis zur Auswanderung nach Palästina, oder?
R. H.: … Des is meistens folgendermaßen abgelaufen: Da is einer nach Ampfing gekommen, das war der Silberspitz, und der hat schnell eine Wohnung ghabt, eine wunderbare Wohnung für sich allein. Und plötzlich kommt er dann wieder in die Kanzlei, na hat er einen dabeigehabt, den muss er anmelden in Ampfing, gell. Und dann ist die Zeit gekommen, wo die Juden eine Entschädigung gekriegt ham, Haftentschädigung. Und - da san ständig wieder welche komma, und die ham alle, als allererst´s glei … verlangt, einen … (denkt länger nach) Anmeldebescheinigung. Die ham … als glei … Anmeldebescheinigung wolln, weil sie die für diese Entschädigung braucht ham. Und da is des so weit gegangen, dass de … dass der Silberspitz oder einer von seine Kollegen komma is und hat gsagt, er muss den und den anmelden, (schüttelt den Kopf) der wo selber gar net kema is, gell. Und des war … Is mer a bisserl spanisch vorkomma. Ja, wo is der, der muss si doch selber zoagn, gell. Ja, der is no net da, gell. Und des is so weit gegangen, dass so was auch in Mühldorf passiert is, bei der Stadtverwaltung, da hams Ding erschlichen, Aufenthaltsbescheinigungen. Na is der Bauer, der´s Einwohnermeldeamt ghabt hat, is dann aufm Gericht kommen, wegen Urkundenfälschung, gell, (lacht) der arme deifl. Den hams ja gedrängt, gezwungen, gell. Also da is, da is vieles net sauber gwesen. Und dann sans (hebt den Kopf) allmählich abgezogen. Die ersten san nach Palästina, die weiteren san nimmer nach Palästina (schüttelt den Kopf und lacht) da wars net so schön, wie sie gmoant ham. Die san dann nach München zogn oder die … ham sich so verlorn, gell … Und zwar is des passiert … mit der Währungsumstellung san die flüchtig geworden.(lächelt) Eana Haupttätigkeit war ja der schwarze Markt in München in der Wiedemayrstraße. Da … de regelmäßig vertreten gwesen. Wenn ma an Anzug braucht hat, dann is ma bloß nach München gfahrn und dann hat ma gwußt, dass ma von dene an Anzug kriegt, gell.
W. S.: Können Sie mir die Rolle von der UNRA noch mal erklären. Haben Sie selber mit der UNRA zu tun gehabt?
R. H.: Die UNRA (atmet auf) … Die UNRA war eine Organisation zur Heimführung der Ausländer. Also für die polnischen Zwangsverschleppten und für, für alles Femde, was halt von den Hitler´s Leuten zwangsmäßig nach Deutschland gführt wordn is. Und … des war a Organisation, die des finanziert hat, die hat die Leute zusammengesammelt. Zum Beispiel in Waldkraiburg war ein großes Lager, und in Aschau war a großes Lager, da san de zusammengführt wordn, und dann weiter (schiebt mit der Hand). Bloß wollten de net unbedingt hoam, des war ja … de wollten net unbedingt hoam. De san zum Teil … schwarzghandelts, da ham sie ja gut verdient. In Ampfing ham … sind zwei Personen erschossen wordn, weil die Frau, a Bäuerin, sind´s in der Nacht in den Bauernhof eingedrungen, und die ham sich dann ins Schlafzimmer zurückgezogen, weil sie scho gwusst ham, dass des eventuell der Pole sein könnte, der bei ihnen beschäftigt war. Und die Polen san eana nachglaufn über d Stiegn nauf und ham da mit der Pistoln durch Tüa durchgschossn und die Frau erwischt, sie war tot. Und dann bei am andern Bauern, da hams an Bauernsohn ins Bett neizwunga und ham eam im Bett drin erschossn. Die warn sauer darüber, weil sie … kurze Zeit vorher dort warn, sie wollten a Viech plündern. Und die ham eana des net gebn, was sie aber wollten, und … des warn zwoa schlimme Sachn. Da is dann nach Ampfing a Gendarmerie-Station herkomma mit 10 Mann, zum Schutz der Bevölkerung. Also … des mit den UNRA war eigentlich eine ordentliche Angelegenheit. Also, von den Amerikanern, von der UN … UNO … errichtete Organisation.
W. S.: Aber Sie haben vorhin gesagt, die UNRA ist für jüdische Menschen eher nicht verantwortlich gewesen. Das haben die selber organisiert?
R. H.: ( unterbricht, bestätigt) Auch, auch, auch … Aber sie warn nicht die öberste Organisation für die Gemeinde. Die Gemeinde war eine Sache für sich. Die Personen waren UNRA geschützt. Also nicht die Gemeinde als solche, sondern jede einzelne Person hat der … UNRA angehört.
W. S.: Wir haben jetzt viele Interviews geführt. Da hört man ganz unterschiedliche Dinge. Man hört, wenn die Bauern die Polen anständig behandelt haben, dann sind die auch bei diesen … Gegenmaßnahmen nicht so betroffen gewesen. Aber die Bauern, die selber unfair gewesen sind, die sind hart angegriffen worden. Würden Sie das auch so sehn, oder sagen Sie dass …
R. H.: (unterbricht, nickt) Ja, es is so, dass natürlich net Polen Polen warn, sondern es hat anständige Polen gebn … beispielsweise unser Nachbar, der Kaser-Bauer (?), der hat zwoa Polen ghabt und die ham sich mächtig gfreit, weil´s es Radlfahrn ham lerna kenna. Ham an Mordsbrief hoam gschriebn, dass sie radlfahrn kennan. Also, … und ähnliche Dinge … Dort, wos net funktioniert hat, da san a die Verhältnisse aufm Hof a unter Umständen rauh gwesen. In Ampfing hats einen SA-Sturmführer gebn, den hams gerufen, die Bauern,
wenn Polen sich … bös wordn san. Der hat sie verdroschn dann. Dann war wieder a Ruah, net. Mit gleichzeitigen Drohungen, dass´ s KZ net weit is, gell. Also, des hat schon zweierlei Dinge gegeben. … Oans, was i nicht kapieren kann is, wo die Frau erschossn wordn is, weil des a tiefchristliche Familie war, kann ich mir schlecht vorstelln, dass de … na, s konn i mir net vorstelln (schüttelt den Kopf).
W. S.: Dass die zuvor unfair gewesen wären?
R. H.: Ja,ja … Es war a schön, wie die ersten Polen komma san, da war dortn an der Zangberger Straße an der Ecke a Schmiede, und da ham sich die Polen jedes Wochende getroffn. Da san drei Nachmittage am Sonntag (verschränkt die Arme, lacht) … zwanzg Polen rumgstandn. Und die san … diese Stelle … deshalb dortgstandn, weil die polnischen Männer zum Teil die Pferde in die Schmiede bringen ham müssn, die an dem Grundstück gstandn is.
W. S.: Das waren dann nach dem Kriegs die „d.p.“s, von denen Sie jetzt reden?
R. H.: (nickt) Ja, ja …
W. S.: Hat es überhaupt einen Kontakt zwischen den Einheimischen und diesen „d.p.“s eben, die da nach dem Krieg gewesen sind, gegeben, oder eher gar nicht?
R. H.: (lächelt) Die Schwarzhändler, ja. Die Schwarzhändler, ja.
W. S.: Aber so beim Tanzen, zum Beispiel …
R. H.: ( schüttelt den Kopf) Na, na …
W. S.: Überhaupt nicht?
R. H.: … Da hats keinen … keine Kontakte gebn.
W. S.: Ich frage jetzt deshalb nach, weil wir in der Nähe von Haag eben auch Interviews geführt haben. Und da haben uns die Leute erzählt, dass eben Polen, die vorher, während der Kriegszeit noch bei den Bauern gearbeitet haben, auch relativ gut Deutsch gekonnt haben, und ein bisschen wie Knechte zur Familie gehört haben, dann nach dem Krieg, als das Leben halt schon langsam wieder losgegangen ist, z.B. getanzt worden ist am Abend in der Tenne, mit dabei waren und Musik gespielt haben, und so. So etwas hat es bei euch nicht gegeben?
R. H.: Ja, nach dem Krieg.
W. S.: Ja, klar.
R. H.: Es is a so, dass … jetz in vergangenen Jahren verschiedene Familien, keine Bauernsfamilien, die Polen beschäftigen, die alle Jahr zu a bestimmten Zeit kommen, und Reparaturarbeiten machen. Und da sind natürlich auch weibliche Personen mit dabei , ob da a Kontakt besteht, des … möchte i net sagn. Aber dass Polen, die früher scho mal da warn nachm Krieg immer wieder herkomma, um irgendwas zu arbeiten, des schon.
W. S.: Und jetzt direkt 1946 oder Ende 45, da wissen Sie überhaupt nicht, dass die Ampfinger Bevölkerung und Polen irgendwas miteinander zu tun gehabt hätten?
R. H.: Na, na, na …
W. S.: Überhaupt nicht?
R. H.: Na, da war … (schüttelt immer den Kopf)
W. S.: Das waren zwei Welten.
R. H.: … Schlimm is dann auch schon wordn, wie dann die … Flüchtlingswelle gekommen is. Da hats Reibereien gebn zum Teil mit den..Juden vor allen Dingen und auch mit den Polen und mit Ausländern im Allgemeinen, weil die Flüchtlinge sich auch benachteiligt gefühlt haben in der Zuteilung von … was weiß ich … irgendwelchen Sachgüter … oder, was sie halt braucht ham, gell.
W. S.: Haben Sie da viel abkriegt von dem Stress, von dem Ärger, als …
R. H.:… Ja … und zwar deshalb, weil … die Flüchtlinge, die ham ja an Antrag stelln müssen, … da hast a Packi Papier daghabt für fufzg Gummireifen hättens braucht und das Kontingent warn vielleicht fünfe. Ja, wer kriegt … des warn die Dinge, die äußerst unangenehm warn.
W. S.: Und wie haben Sie dann da entschieden?
R. H.: Ja, da warn mer drei Mann und wer weiter weg war, meinetwegen, wenn oana in Töging gearbeitet hat, der hat an Reifn kriegt, und der, der bloß in Mühldorf garbeitet hat, hat halt koan kriegt. Man machts halt irgend… so ... rechtlichen Maßstab dass man des machen kann.
W. S.: Also, da hats aber dann schon einen Stess gegeben, das kann man sich schon vorstellen.
R. H.: Da hats an Stress, klar … Weil, da … des is ja bekannt wordn, wann die Verteilung der Sachgüter war und wenn da oana net …(unverständlich) kriegt hat, dann hat er si scho grührt, gell … Aber, des war wieder a Sache zwischen demjenigen, der des braucht hätt und der Gemeinde. Nicht … der Allgemeinheit.
K. H. Jaensch: Hat die Kirche zu der Zeit nicht auch verteilen können? Ein Kontingent gehabt? …
R. H.: Die Kirche.(schüttelt den Kopf) Die Kirche hat keine Sachgüter ghabt.
K. H. Jaensch: Wer hat dann die Kehrpakete verteilt?
R. H.: Die Kehrpakete. Die Kehrpakete sind im Grunde genommen Geschenke gwesen von Deutschn, die in Amerika gelebt ham. Also, wenn amoi oana ausgwandert is, a Ampfinger nach Amerika und war noch zu der Zeit in Amerika, dann hat der seinen Leuten Kehrpaketet gschickt. Und da hats aber auch kirchliche Organisationen gegeben in Amerika, die so was organisiert ham. Also, des war net immer von Verwandtschaft zu Verwandtschaft, sondern so was is auch durch Organisationen glaufen. Des war natürlich net die Welt gwesen.
K. H. Jaensch: Aber in Waldkraiburg weiß ich, hat der Pfarrer Krebs verteilt und in Mühldorf der Pfarrer Weichlein …
R. H.: Ja, konn scho sein …
K. H. Jaensch: Die haben da Sachen zur Verfügung gehabt, Mäntel … ja, auch Milchpulver weiß ich …
R. H.: Ja, ja des ham … die Pakete san ja gleich ausgerüstet gwesen. Kaffee, Milch, Strümpfe, … was woaß ich … des gib i scho zu, dass de so was ghabt ham. Bloß is des net so gwesn, dass des … breiter Masse ausgeschüttet wordn wäre. Dass mer da in Ampfing dreißg oder vierzge so Kehrpakete kriegt ham. Des … aber a wieder Ausgewählte gwesen, gell.
K. H. Jaensch: War da auch Vetterlwirtschaft?
R. H.: Wo is de net? … (lacht) … Na, ich möchte dene nicht nahe treten. Jeder is a armer Hund, der so was macha muß.
(kleinere Schaffenspause)
W. S.: Erzählen Sie uns doch noch etwas, was Sie für wichtig halten. Bei Ihnen ist das so ideal, wie Sie noch geschrieben haben. Da kann man noch zugreifen.
R. H.: Ja, es is so … es is ja relativ bald scho bekannt wordn … 1945 scho, bekannt wordn, dass die ausgesiedelt werdn, zwangsweise … und da san die ersten kemma anfangs 1946. Und des war da no relativ einfach. Da hat ma ja no freie Zimmer ghabt, gell. Und des is also … immer, immer mehr san komma, immer mehr san komma und immer schwieriger is wordn, die Leute unterzumbringa. Und vor allen Dingen, sachgemäß unterzumbringen. Da warn Familien, Mann , Frau und Kind, in einem Zimmer und in welchem Zimmer, in der Speis von am Bauernhof … Also die Leit san teilweise schon sehr schlecht untergebracht wordn. Und die Aufgabe war zunächst bei der Gemeinde gelegen. Die Gemeinde hat einen sogenannten Wohnungsausschuss ghabt, da warn drei Mann, die ham von Haus zu Haus gehen müssen, um eben Zimmer bereitzustellen. Und wie komisch die Leute eigentlich warn, also die Einheimischen, da hams an LKW voller … Heimatvertriebener bei der Gemeindekanzlei abgstellt, sans auf eanane Koffer und Ding gsessen, und der Wohnungsausschuss is grennt und hat gschaugt, dass er d´Leit unterbringt, und da san a paar Bauern dagstandn, hat der oane zum andern gsagt: De da, na de is nix, schaug dera ihrane Händ o, die hat doch no nia a Arbeit ghabt. Aber, de da, de da, … de ham sie … wie Vieh ham sie dies beurteilt und … (schüttelt den Kopf) … Dann, am Anfang war im Regelfall … kein allzu großes Vertrauensverhältnis, des sich aber dann … bald eingerenkt hat, und bald warn dann, vor allem die junga Leit, beim Fußballverein und so was san die dann zsammkomma und da is die Gschichte dann schon besser glaufen.
W. S.: Aber so, dass sich was von selber einrenkt oder sich was ergibt, weil´s der Alltag fordert, das hats vorher bei den jüdischen Menschen, die bei euch in Ampfing gelebt haben, eher nicht gegeben, oder?
R. H.: Na, na … de warn … also die Flüchtlinge ham zu de Hausleit immer a rasches … Verständnis gekriegt, während die Juden warn separat, gell.
W. S.: Das erklärt sich sicher auch über den Antisemitismus, der über die Jahre hinweg bei den Leuten einfach implementiert worden ist, eingespreizt worden ist.
R. H.: Ja, klar. Vor allen Dingen is … ja die unterschiedliche Behandlung in der Zuteilung von allen möglichen Sachen bei die Leit net so guat okemma.
W. S.: Also, Sie sagen, es war vor allem der wirtschaftliche Aspekt und nicht so ein grundsätzlicher …
R. H.: Ja, ja, ich habs ja vorhin erzählt, wie die ozogn warn, also die Frauen, mit Schmuck behangen, also … Motorradl hams ghabt und a Ross hams ghabt und alles mögliche … was woaß i … (schüttelt den Kopf) … was mer si gar net vorstellen kann, dass ma des damals ham hat kenna.
W. S.: Und bei den Flüchtlingen … Die haben ja eigentlich überhaupt nichts gehabt haben … Sie sagen das war praktisch …
R. H.: (unterbricht) Die ham überhaupt nix … des warn arme Hund, und da war ein Vergleich mit den Hauseigentümern eher ein umgekehrter. Da war der Hauseigentümer der Reiche, und der Flüchtling der Arme, gell.
W. S.: Und dann tun sich die Einheimischen eigentlich leichter, so sagen Sie jetzt eigentlich, oder?
R. H.: Ja.
W. S.: Was war denn für Sie als Gemeindeangestellten die schwierigste Zeit oder die schwierigste Aufgabe, wenn Sie´s jetzt so rückwärts betrachten?
R. H.: Ja, des war die Zeit bis knapp zur … Währungsreform. … Bis 1948, wobei des Jahr 46 und 47 (nickt) das schwierigste Jahr war.
W. S.: Eben gradeso wie Sie´s vorher geschildert haben, dass der Mangel so groß war, dass die Entscheidungen, die Sie ständig getroffen haben, wer etwas kriegt, für Sie ganz persönlich auch schwierig war?
R .H.: ( bejaht) Ja, ja und das Zentrale (?) is auch, da is (?)diese Judenausgrabung reingfalln und Bezugscheinverteilung, Wohnungsverteilung , des is ja alles ziemlich …
W. S.: Sie sind ja da ein total junger Mann gewesen, das stelle ich mir ja immens schwierig vor …?
R. H.: Komisch, … (zuckt die Schulter,verzieht den Mund) I hab bloß Angst ghabt, des hab i eana scho gsagt, dass ma jemand böse sein könnte darüber, weil ich irgendwas machen hab müssen, was dem vielleicht net gschmeckt hat, gell. Aber (schüttelt den Kopf) ich hab da keine Probleme ghabt. Und dann is ja die Zeit gekommen, wo der Aufbruch war bei uns, dann war ich in umgekehrter Tätigkeit beschäftigt, und des war dann an schöne Zeit.
J. S.: Waren Sie irgendwie mit eingebunden bei der Jagd auf die Wachposten vom KZ oder haben das die Amerikaner auf eigene Faust gemacht?
R. H.: Des hab i jetz net …
J. S.: Ob Sie eingebunden waren in die Jagd nach den Wachposten vom KZ oder haben das …
R. H.: Ach so, … die, die da die Verbrechen gmacht ham, na, (schüttelt den Kopf) da hab i nix damit zu tun ghabt. Des hat da die Militärregierung übernommen, die ham auch den … Mörder von dem jungen Mann in Hallein draußen erwischt, … ham den wenigstens verurteilt. Also man hat da schon streng ausanander ghalten, hat möglichst versucht (lächelt) nicht sich selber was aufzuladen, was ma so erledigen sollt. Weil nix gscheids wars allwei.
W. S.: Vielleicht noch, war Entnazifizierung in Ampfing ein ganz besonders schwieriges Problem gewesen, oder würden Sie sagen, so wie überall sonst.?
R. H.: I schreib´s grad! … Entnazifizierung.! Des war eine Volksangelegenheit. Die Amerikaner san komma, und ham als erstes Fragebögen verteilt, mit 132 Fragen. Da is draufgstandn: amol die ganzen Personalien, wo ma garbeitet hat, ob ma woaß, ob der Arbeitgeber bei der Partei war, auf welchem Kriegsschauplatz dass ma war, und also 132 Fragen. Und die hat jeder ausfülln müssen, der in einer Behörde tätig war. Bei der Post,, beim Finanzamt, in der Schule. Die ham damals, in der Zeit wo des war, 10 000 Lehrer in Bayern aus der Schule ausgstellt. Auf Grund dieses Fragebogens … Und zwar hat des … die Militärregierung angeordnet, und ein eigener Ausschuss beim Landratsamt, der geheim war, der hat die ausgewertet. Vor allen Dingen die Entlassungen. Des war ja schrecklich, diese … Behörden sin ja plötzlich ohne Fachleit gwesen.
W. S.: Ein ganz besonderes Problem bei der Entnazifizierung war ja, wenn sich jemand über einen „Persilschein“ als nicht belastet ausgewiesen hat, dann haben ja die Entnazifizierungsstellen diese behaupteten Nichtnazis sozusagen ausgehängt, und die Leute konnten darauf reagieren. War das bei euch in Ampfing auch so?
R. H.: … Des muss i da Reihe nach sagn, weil sonst kimm i net z´recht …
W. S.: Sonst kommt man durcheinander!
R. H.: Die Leute, die in Behörden beschäftigt warn, haben den Bogen ausfülln müssen., sind daraufhin ausgestellt wordn, ham kein Lohn gekriegt, ja, ham … (schüttelt den Kopf) ham koa Gehalt mehr kriegt. Und dann san Leute eingestellt wordn, die von Tuten und Blasen nix ghabt … die ham … den Bogen ausfülln müssen. Und dann is aber schon bald Ende 1945 das Bayerische Entnazifizierungsgesetz vorbereitet worden. … Im Januar 46 is des in Kraft getreten und da hats dann an Fragebogen gebn mit 36 Fragen. Und den ham alle Bürger ausfülln müssen ab dem 18.Lebensjahr. Wer den nicht ausgfüllt hat, hat koane Lebensmittelkartn kriagt. Also, wer Lebensmittelkarten ham wollt, der … dadurch hat ma de alle erfassn können. Diese Dinge … Dann … (denkt länger nach) … dann hat man gleich zu Beginn der Entnazifizierung Gschäfte zugsperrt. Bäcker, Metzger, die ham nimmer arbeitn … sWirtshaus hams zugsperrt. Da ham allerdings die Betriebe, die mit Lebensmittel zu tun ghabt ham, die ham einen Treuhänder nehmen müssen. Des is also fremdverwaltet wordn, während die andern, die koane Lebensmittel verkauft ham, die war … Betrieb einfach zua, aus Schluss, amen. Und da san dann diese Entnazifizierungsausschüsse kommen, wo unter anderm der … Dembik dann Ankläger war und der Hilsta (?) im Gespräch war, und … wenn die genau nach dem Gesetz ganga warn, hättens die Geschäfte gar net zusperrn derfa. Die hätten erst a Urteil fälln müssen, und des is ja net erfolgt gwesen, weils ja koa Gesetz gebn hat, gell.
Und a Beispiel war auch a komisches, die Frau von am Frisör, die war zeitweis bei der … NS_Frauenschaft, sie is zu 150 Mark Geldbuße verurteilt wordn als Mitläuferin. A SA-Sturmbandführer, seit 1925 bei der Partei , der hat (beugt sich nach vorn) 100 Mark Geldstrafe kriagt. (lächelt, schüttelt den Kopf). Des san … also … Unwegsame gwesen. Und die ganze Gschichte is dann, (unverständlich) … gsagt ham, da hats … is dann zum Beispiel die Weihnachtsamnestie (?) gekommen.Und da ham mir eine Liste gekriegt, auf dene alle draufgstandn san, die unter die Weihnachtsamnestie wolltn. Und die hat ausgehängt werdn müssen, zu dem Zweck, dass wenn oana do net drauf war, den hätt ma meldn müssen. Jetz is des bei der Weihnachtsliste … (verbessert sich) Amnestie net so tragisch gwesen, aber die ham zum Beispiel die Mitläuferliste ausghängt a. Des war scho ekelhafter gwen, wenn oana do sich verschwiegen hätte, gell. Also so oft eine Aktion war, Weihnachtsamnestie, Jugendamnestie (?), … da hats no oane gebn … da ham die Listen bei der Gemeinde 14 Tag ausghängt werdn müssen.
W. S.: Hat es da in Ampfing viel Ärger gegeben?
R. H.: Na,… (lacht, schüttelt den Kopf) hot koa Mensch ogschaugt. Es hat ja jeder gwusst, wer wo wo war. Des war ja gor koa Geheimnis … Da hats nix gebn. Des oanzige war bei die großn Fragebögen, da war der Druck so klein, dass die ältern Leit des net ham lesn kenna. Die san in d Kanzlei komma und ham gsagt, i solls eana ausfülln.
W. S.: Und Sie schreiben da jetzt gerade über die Entnazifizierung?
R. H.: Ja, ja …
W. S.: Da bin ich ja schon gespannt und freu mich drauf.