Für das Erinnern
Mühldorf. Ein mächtiger Betonbogen ragt aus dem Boden. Eisenstäbe bohren sich durch Geröll und Gestrüpp. "Vorsicht, Lebensgefahr!", mahnt eine gelbe Tafel. Dieser Ort ist Geschichte. Gestern hat Grünen-Chefin Claudia Roth die ehemalige Anlage im Bunkergelände im Mühldorfer Hart besucht. "Hier zeigt sich eindrucksvoll der Zusammenhang zwischen Größenwahn und Verbrechen", stellt sie fest. Den Versuch der Natur, sich das Gelände nach und nach zurück zu holen, wertet sie als Mahnung, den Gedenkort zu erhalten. "Hier spürt man die Geschichte", sagt sie, "und da darf kein Gras drüber wachsen."
Auf Einladung der Mühldorfer Grünen Dr. Georg Gafus und Cathrin Henke war die Bundesvorsitzende zu der ehemaligen Außenstelle des KZs Dachau gekommen. Dr. Erhard Bosch vom Verein "Für das Erinnern" führte über das Gelände. Eine riesige unterirdische Fertigungshalle für Kampfflugzeuge sollte hier noch in den letzten Kriegsmonaten entstehen. Um die 9000 Zwangsarbeiter – zumeist ungarische Juden – schufteten hier vom August 1944 bis April 1945. Zwischen 3000 und 4000 der KZ-Häftlinge verloren ihr Leben. Unter unmenschlichen Bedingungen hausten sie in Erdhütten, bekamen kaum zu essen.
Bei ihrer Befreiung durch die Amerikaner wogen einige der Männer nur noch 35 Kilo. "Vernichtung durch Arbeit" nennt Erhard Bosch diese grausame Taktik. Seit vielen Jahren kämpft der Verein dafür, dass die Bunkeranklage als Gedenkstätte anerkannt wird. Bis März sollen nach Angaben von Bosch die Verhandlungen mit den Waldbesitzern abgeschlossen sein. "Es ist viel zu lange nichts passiert, aber es ist noch nicht zu spät", sagt Georg Gafus zu den konkreter werdenden Planungen. Zumindest herrsche inzwischen parteiübergreifend Einigkeit über das Gedenkstättenprojekt. Claudia Roth begrüßte die Pläne. Wenn Zeitzeugen wie Max Mannheimer solche Orte besuchten, lebe die Geschichte. Doch man müsse auch für die Zeit danach planen. "Es gibt immer weniger Max Mannheimers, und wir müssen trotzdem die Geschichte lebendig erhalten", mahnt sie. Als Anregung wolle sie einen Brief an Ministerpräsident Günther Beckstein verfassen. "Denn die Erinnerung muss gepflegt werden, dafür muss man sich einsetzen." Wenn man den wenigen Überlebenden durch ihre Namen auf einer Gedenktafel zu einer späten Würde verhelfen könne, dürfe man das nicht unterlassen, meint die Grünenpolitikerin. "Vergessen tötet – und hier sollte man alles dafür tun, damit das nicht passiert." (gbe)
Das KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart soll möglichst schnell zur Gedenkstätte werden. Das versprach der Direktor der bayerischen Gedenkstättenstiftung bei der Gedenkfeier.
"Das bürgerliche Engagement hat entscheidend dabei geholfen, dass dieser Ort nicht vergessen wird." So hat Landtagsabgeordneter Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten, den Weg vom verfallenen Bunker zum offiziellen Erinnerungsort beschrieben.
Auf den Tag genau 63 Jahre nach dem Transport der Häftlinge des Konzentrationsaußenlagers im Mühldorfer Hart haben etwa 30 Bürger, ehemalige Häftlinge und zahlreiche Bürgermeister am Montag die Gedenkfeier des "Vereins für das Erinnern" am Bunkerbogen besucht.
Mit "Unzulänglichkeit, vielleicht Versagen» hat Freller, der bereits als bayerischer Kultus-Staatssekretär mit dem Thema Gedenkort beschäftigt war, die bisherigen staatlichen Bemühungen geschildert, einen Erinnerungsort im Mühldorfer Hart zu schaffen. Dort eine Denkmal- und Bildungsstätte zu errichten, «dieser Pflicht stellt sich der Freitstaat Bayern und ich mich persönlich als Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten», sagte Freller vor der Bunkerruine und ehemaligen KZ-Häftlingen. Das solange keine Lösung gefunden worden sei, wertete Freller als «beschämend".
Zwar behindern laut Freller nach wie vor «juristische und bauliche Schwierigkeiten» die Umsetzung eines Gedenkortes. Es stehe aber fest, dass neben Waldlager, Bunkerruine, Massengrab «ausdrücklich» auch das Museum dazu gehöre.
Der ehemalige KZ-Häftling Max Mannheimer erinnerte daran, dass Bürgermeister Günther Knoblauch für die Stadt Mühldorf Räume für dieses Museum zugesagt habe. «Erinnern Sie ihn daran, sollte ich nicht mehr da sein», sagte Mannheimer an die Zuhörer gewandt. Mannheimer berichtete zusammen mit Walter Taus, ebenfalls ehemaliger KZ-Häftling im Mühldorfer Hart, von den Haftbedingungen im Lager.
"Jedes Vergessen tötet ein zweites Mal", sagte Landrat Georg Huber angesichts der heutigen Situation im Mühldorfer Hart und der Schicksale der hier etwa 3000 Ermordeten.
Ebenso wie Huber stellte Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer die Arbeit des Vereins "Für das Erinnern" heraus. Auch diese Arbeit diene der Sicherung der Demokratie.
Mayer sagte zur Entwicklung einer Gedenkstätte, "dass nicht alles so ist, wie es wünschenswert wäre" - auch wenn «alle eine Gedenkstätte wollen". Das "schnellstmögliche" Umsetzen des Vorhabens sei Ziel. Langfristig könne die Umsetzung einer Gedenkstätte Jahrzehnte nach den Verbrechen nur gelingen, wenn es auch gelinge, die Jugend in diese Erinnerungsarbeit einzubinden.
Für das Engagement der Jugend steht heute Sonja Holzhauser. Die Schülerin der Mühldorfer Wirtschaftsschule Gester erzählte von ihrer Geschichts-Arbeit und den Gesprächen mit Zeitzeugen, (ovb 2008)
Waldkraiburg (hg) - Mit seinen lokalgeschichtlichen Forschungen über das KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart hat Peter Müller dazu beigetragen, dass die Opfer nicht vergessen wurden und ein Prozess der kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit im Landkreis in Gang kam. Jetzt wurde der Waldkraiburger mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
"Sie haben durch ihr Ehrenamt die Gesellschaft maßgeblich mitgestaltet", betonte Kultusminister Siegfried Schneider, als er im Namen von Bundespräsident Horst Köhler kürzlich in München fünf Bürgern das Bundesverdienstkreuz am Bande verlieh. Unter ihnen der 65-jährige Peter Müller, dessen gesellschaftlicher Beitrag in der Erinnerung an das dunkle Kapitel der deutschen Geschichte besteht. In den 7Oer-Jahren beschäftigte sich der Gymnasiallehrer für Geschichte, Deutsch, Erdkunde und Ethik intensiv mit dem Nationalsozialismus im Landkreis Mühldorf und brachte Licht in ein bis dahin weitgehend verdrängtes Kapitel der Lokalgeschichte: das Außenlager des Konzentrationslagers Dachau im Mühldorfer Hart.
"Ein Auslöser dafür war der Film "Holocaust", erinnert sich Müller. Die US-amerikanische Serie über das Schicksal der deutschjüdischen Familie Weiß in der Zeit der NS-Diktatur lief Ende der 7Oer-Jahre im deutschen Fernsehen. Sie setzte eine neue breite öffentliche Diskussion um die braune Vergangenheit und den Holocaust in Gang. "Mich hat dieser Film interessiert und sehr berührt."
Müller, der im Landkreis aufgewachsen ist, erinnerte sich an einen Wandertag, "bei dem unser Lehrer uns Reste des Lagers im Wald zeigte". Zur persönlichen Betroffenheit kam das Anliegen des Geschichtslehrers, den Schülern die Zeitgeschichte im Sinne des Wortes nahezubringen, "den Unterricht um den regionalen Bezug zu erweitern", wie der Waldkraiburger sagt.
Peter Müller machte sich an die Arbeit mit den Quellen, studierte Prozessakten, nahm Kontakt mit Archiven in Großbritannien und den USA auf, befragte Zeitzeugen, die über das Leben im KZ-Außenlager berichteten. Die Ergebnisse seiner zeitaufwendigen Forschungen veröffentlichte er Anfang der 8Oer-Jahre in mehreren Aufsätzen und Beiträgen, unter anderem im "Mühlrad", das der Heimatbund Mühldorf herausgibt, und in einer eigenen Broschüre mit dem Titel "Das Bunkergelände im Mühldorfer Hart - Rüstungswahnsinn und menschliches Leid".
Mit Nachdruck will sich MdL Karl Freller (CSU) für die KZ-Gedenkstätte einsetzen. "Bis Mai (2009) soll etwas geschehen", sagt der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten.
Mühldorf. Der gute Wille ist da, doch passiert ist immer noch nichts auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers im Mühldorfer Hart. Zwar hatten die politischen Gäste der Gedenkfeier im April übereinstimmend die Dringlichkeit betont, diesem Ort mehr Würde zu geben, doch es sind vor allem die juristischen Feinheiten, die das Projekt in die Länge ziehen.
"Das ist immer noch eine relativ komplexe Angelegen heit", umschreibt es Karl Freller, CSU-Landtagsabgeordneter und Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Hauptdiskussionspunkt ist nach wie vor die Sicherheitsfrage. "Wir können nicht das gesamte Areal verwalten", sagt Freller. "Baulich muss sich darum der Bund kümmern und das Gelände sichern." Denn im Besitz des Bundes sind nach wie vor die Bunkerreste auf dem Gelände. Zudem haben etwa 50 Anlieger Eigentumsanteile. Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten habe Interesse an der Fläche um den Bunkerbogen, erklärt Freller. Das Angebot des Bundes an die Stiftung, die Aufgabe der Ver kehrssicherung gegen eine Zahlung von 250 000 Büro zu übernehmen, habe das Bayerische Finanzministerium bereits abgelehnt. "Das ist zu risikoreich", sagt Freller.
Doch das Gelände müsse dringend eingezäunt werden, damit der Ort nicht weiter für wilde Feiern missbraucht werde. "Hier passieren sonst Dinge, die der Würde dieses Ortes abträglich sind", sagt er. Vorstellen könne er sich, das Gelände vom Bund zupachten. Er rechne mit einem Zuschuss des Freistaates. Die Stiftung sei derzeit dabei, die Haushaltsunterlagen in Sachen Gedenkstätte vorzubereiten. "Ich möchte unbedingt, dass bis Mai nächsten Jahres etwas geschehen ist", betont Freller: "Ich stehe hier im Wort."
gbe (pnp, 16.9.2008)
"Das bürgerliche Engagement hat entscheidend dabei geholfen, dass dieser Ort nicht vergessen wird." So hat Landtagsabgeordneter Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten, den Weg vom verfallenen Bunker zum offiziellen Erinnerungsort beschrieben.
Auf den Tag genau 63 Jahre nach dem Transport der Häftlinge des Konzentrationsaußenlagers im Mühldorfer Hart haben etwa 30 Bürger, ehemalige Häftlinge und zahlreiche Bürgermeister am Montag die Gedenkfeier des "Vereins für das Erinnern" am Bunkerbogen besucht.
Mit "Unzulänglichkeit, vielleicht Versagen" hat Freller, der bereits als bayerischer Kultus-Staatssekretär mit dem Thema Gedenkort beschäftigt war, die bisherigen staatlichen Bemühungen geschildert, einen Erinnerungsort im Mühldorfer Hart zu schaffen. Dort eine Denkmal- und Bildungsstätte zu errichten, "dieser Pflicht stellt sich der Freitstaat Bayern und ich mich persönlich als Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten", sagte Freller vor der Bunkerruine und ehemaligen KZ-Häftlingen. Das solange keine Lösung gefunden worden sei, wertete Freller als "beschämend".
Zwar behindern laut Freller nach wie vor "juristische und bauliche Schwierigkeiten" die Umsetzung eines Gedenkortes. Es stehe aber fest, dass neben Waldlager, Bunkerruine, Massengrab "ausdrücklich" auch das Museum dazu gehöre.
Der ehemalige KZ-Häftling Max Mannheimer erinnerte daran, dass Bürgermeister Günther Knoblauch für die Stadt Mühldorf Räume für dieses Museum zugesagt habe. "Erinnern Sie ihn daran, sollte ich nicht mehr da sein", sagte Mannheimer an die Zuhörer gewandt. Mannheimer berichtete zusammen mit Walter Taus, ebenfalls ehemaliger KZ-Häftling im Mühldorfer Hart, von den Haftbedingungen im Lager.
"Jedes Vergessen tötet ein zweites Mal", sagte Landrat Georg Huber angesichts der heutigen Situation im Mühldorfer Hart und der Schicksale der hier etwa 3000 Ermordeten.
Ebenso wie Huber stellte Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer die Arbeit des Vereins "Für das Erinnern" heraus. Auch diese Arbeit diene der Sicherung der Demokratie.
Mayer sagte zur Entwicklung einer Gedenkstätte, "dass nicht alles so ist, wie es wünschenswert wäre" – auch wenn "alle eine Gedenkstätte wollen". Das "schnellstmögliche" Umsetzen des Vorhabens sei Ziel. Langfristig könne die Umsetzung einer Gedenkstätte Jahrzehnte nach den Verbrechen nur gelingen, wenn es auch gelinge, die Jugend in diese Erinnerungsarbeit einzubinden.
Für das Engagement der Jugend steht heute Sonja Holzhauser. Die Schülerin der Mühldorfer Wirtschaftsschule Gester erzählte von ihrer Geschichts-Arbeit und den Gesprächen mit Zeitzeugen.