Im Mühldorfer Rathaus sind die Pläne für die Gedenkstätte am Bunkergelände zu sehen
Ein wenig verloren stehen die Plakatständer im Mühldorfer Rathausfletz, etwas lieblos bestückt mit jeder Menge Pläne. Wer unvorbereitet kommt, zieht unwissend wieder ab. Eine grundlegende Erläuterung fehlt ebenso wie eine korrekte Beschriftung der Pläne. Nichts weist den Betrachter darauf hin, worum es hier geht.
Schade, denn im Grunde geht es um nicht weniger als einen historischen Moment. Endlich liegt ein konkreter Entwurf für die Gedenkstätte am Bunkergelände im Mühldorfer Hart vor; endlich wissen die Verantwortlichen, welche Grundstücke für eine Umsetzung gebraucht werden; endlich bekommt man eine Vorstellung davon, was sich vor Ort mit wie viel Geld umsetzen lässt.
Vorausgegangen war - auch das erfährt der Besucher leider nicht - ein Architektenwettbewerb: durchgeführt vom Bauamt Rosenheim, finanziert von der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten. Einstimmig sei die Entscheidung gefallen, betont Bauamtsleiter Eugen Bauer immer wieder - vor allem, weil der Siegerentwurf des Kranzberger Architekturbüros Latz & Partner am wenigsten stark in die Substanz des Ortes eingreife.
Wer einen Blick auf die Pläne der übrigen Bewerber wirft, kann die Begründung der Jury gut nachvollziehen. Große Würfe werden da teilweise angedacht - mit breiten, asphaltierten Wegen, großzügigen Plattformen oder Stegen, dazu jeder Menge Stahl. Vieles davon ist schon logistisch kaum umsetzbar, von der Finanzierung ganz zu schweigen.
Der Entwurf aus dem Hause Latz wirkt dagegen beruhigend zurückgenommen. Er wahrt die Würde des Ortes, zwingt ihm kein überbordendes Konzept auf, sondern beschränkt sich auf das Wesentliche. Die Wege zwischen den drei Gedenkorten - Waldlager VI, Massengräber und Bunkerbogen - werden mit Erinnerungssteinen vernetzt. An jedem Gedenkort sorgt ein schleusenartiger Informationsraum - bestehend aus zwei U-förmigen Betonscheiben ohne Dach - dafür, dass Besucher vor Ort erfahren, was sie wissen müssen. Er trennt zugleich Information und Gedenken. Die historischen Hintergründe und Details erfahren die Besucher dann - hoffentlich - in einer Dauerausstellung im Mühldorfer Haberkasten.
Den Gedenkorten selbst nähern sich Professor Peter Latz und seine Mitarbeiter auf unterschiedliche Weise. Am Bunkerbogen ermöglicht ein Steg aus rostendem Stahl den Besuchern einen Überblick über das Ausmaß der Anlage. Darüber hinaus ist ein zentraler Versammlungsplatz für rund 70 Personen vorgesehen.
Während hier der Bewuchs nur teilweise entfernt werden soll, wollen Latz & Co. das Waldlager weitgehend von Unkraut befreien, um es in seiner Grundkonstruktion wieder sichtbar zu machen.
Die größte Herausforderung an alle Teilnehmer des Architektenwettbewerbs war mit Sicherheit die Einbeziehung des Massengrabs in ein schlüssiges Konzept, weil es - so formuliert es Peter Latz - der "diffuseste und am schwersten abzugrenzende Ort" ist. Da die Dimension der Ereignisse an dieser Stelle nicht vermittelbar ist, versuchen es Latz & Co. erst gar nicht, sondern wählen einen anderen Weg. Sie planen eine Lichtung aus Baumstämmen, die stellvertretend für die Opfer stehen und in einer Höhe von 1,70 Meter abgeschnitten werden.
So gilt für jeden Gedenkort: Das eigentliche Verstehen erfolgt über die bewusste Wahrnehmung des Gesehenen. Ein guter Ansatz, gerade im Hinblick auf die junge Generation.
Die Pläne aus dem Architektenwettbewerb können noch bis Freitag, 8. Februar, zu den üblichen Öffnungszeiten des Mühldorfer Rathauses im Fletz im ersten Obergeschoss besichtigt werden.
BR, Ankündigung des Filmes "max Mannheimer - Ich kann nicht hassen"
Aufklärung ohne Zeitzeugen werde sehr schwer werden, gibt der Extremismus-Forscher Prof. Klaus Schröder von der Freien Universität Berlin zu bedenken. "Denn sie wirken immer noch am meisten. Sie sind eindrucksvoll, sie hinterlassen Spuren auch im historischen Gedächtnis von Menschen, gerade von Jugendlichen." Der bald 95-jährige Buchenwald-Überlebende Stéphane Hessel beweist das derzeit hinreichend.
Es gibt noch einen zweiten weisen Zeugen, der hierzulande unterwegs ist. Wie kaum ein anderer beeindruckt und bewegt er seit bald 28 Jahren vor allem jungen Zuhörer: Der Jude Max Mannheimer, der im 93. Lebensjahr steht und jetzt wohl seine letzten Reisen unter anderem zu den Jugendlichen in den Schulen antreten wird.
Eine dieser letzten Reisen nahm Autor Peter Dermühl zum Anlass, den Überlebenden von Theresienstadt, Auschwitz, Warschau und Dachau für eine 45-minütige Dokumentation durch sein vergangenes und gegenwärtiges Leben zu begleiten. So kam es zu intensiven wie bewegenden Begegnungen mit Achtklässlern einer Mittelschule in Oberbayern, mit der Schauspielerin Iris Berben, mit seinem Freund Hans-Jochen Vogel, mit ehemaligen Mithäftlingen, mit Jugendlichen aus verschiedenen Ländern, mit seiner Familie samt Urenkeln - und mit seiner Freundin Elija Boßler, einer Karmeliten-Nonne, die in ihrem Kloster auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau lebt.
Auf dieser Reise zeigt Dermühl den 92-Jährigen in eindrucksvollen Bildern, wie er sich noch einmal auf seinen damaligen Weg in die Freiheit macht, wie er trotz Kritik den Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen entgegennimmt und dabei als Mahner und Wegweiser auftritt oder wie er sich zu seiner Eitelkeit bekennt - "Ich möchte auch aussehen wie George Clooney" -, um gleich darauf von seiner Freundin Elija zur Ordnung gerufen zu werden.
Redaktion: Stephan Keicher
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SZ, 5.2.2013:
Ganz nah dran
Mit fast 93 Jahren ist Max Mannheimer immer noch als Mahner und Erinnerer unterwegs. Der Journalist Peter Dermühl hat ihn mit einem Kamerateam begleitet - Ergebnis ist das Porträt "Ich kann nicht hassen".
Von Gregor Schiegl
Als Max Mannheimer 1945 aus dem KZ befreit wurde, hatten die Nazis bis auf seinen Bruder Edgar alle Familienmitglieder ausgelöscht. Jetzt ist der fast 93-Jährige wieder zuhause in einer großen munteren Familie mit fünf Urenkeln.
Auch mit 92 Jahren ist
Max Mannheimer immer noch ein Charmeur. Er bezirzt die Schauspielerin Iris Berben, wie sehr er sich freue, "mit einer schönen Frau auf der Bühne zu sitzen". Als er kurze Zeit später auf dem Podium der Münchner Kammerspiele mit gebrochener Stimme von dem Leiden erzählt, das die Nazis über die Menschen, über seine Familie, über ihn gebracht haben, bekommen die Zuhörer feuchte Augen. Auch Iris Berben streicht sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Das sieht nur, wer ganz nahe dran ist.
war ganz nah dran. Ein halbes Jahr lang hat der 66-jährige Journalist Max Mannheimer mit einem Kamerateam begleitet. So ist das Portrait mit dem Titel "Ich kann nicht hassen" entstanden, das heute Abend um 22.45 Uhr im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird. "Ich habe nur etwas angerissen, angetippt", sagt Peter Dermühl. Mehr ist wohl kaum möglich im Rahmen von 45 Minuten Sendezeit über einen Mann mit einer so dramatischen, bedrückenden und zugleich dank Mannheimers Naturell so trotzig lebensbejahenden Geschichte.
Max Mannheimer ist dem Tod oft begegnet. Die Nazis deportierten seine Familie 1943 nach Auschwitz. Von den acht Familienmitgliedern überlebten nur er und sein Bruder Edgar das KZ Theresienstadt, das KZ Warschau und das KZ
Dachau - mit knapper Not, abgemagert bis auf die Knochen, von Typhus geschwächt. 1964 wähnte sich Max Mannheimer todkrank und schrieb als Erinnerung für die Nachwelt sein "Spätes Tagebuch". Und jetzt ist er immer noch unterwegs als Mahner und Erinnerer. "Der Terminkalender quillt über", heißt es im Film über den Unermüdlichen. "Er schont sich nicht." Aber irgendwann wird er diese Mission beenden müssen.
Aufklärung ohne Zeitzeugen werde sehr schwer werden, sagt der Extremismus-Forscher Klaus Schröder von der Freien Universität Berlin, denn sie wirkten immer noch am stärksten. "Sie sind eindrucksvoll, sie hinterlassen Spuren auch im historischen Gedächtnis von Menschen, gerade von Jugendlichen." Filme können diese Lücke nicht füllen. Aber zumindest könnten die Filme Fragen der Zuschauer beantworten, sagt Mannheimer. Und das ist es auch, was Dermühl will: "Leute informieren". Das, was man als Journalist eben so macht.
Es ist nicht der erste Film über Max Mannheimer: Die Münchner Filmemacherin Carolin Otto hat ihm ein Denkmal gesetzt mit dem Dokumentarfilm "Der weiße Rabe". Es ist eine liebevolle, durchaus persönliche Hommage. Dermühl hat den Film gesehen, zumindest Teile davon, "aber ich wollte mir ganz persönlich ein Bild von diesem Mann machen." Mannheimer habe es ihm sehr leicht gemacht und auch Nähe zugelassen: Gemeinsam besuchten sie die Überreste des Außenlagers Mühldorf, wo Mannheimer als 25-Jähriger erleben musste, wie die Mithäftlinge unter den mörderischen Arbeitsbedingungen neben ihm tot umfielen und er dachte: Gut, dass es nicht dich erwischt. "Man musste so denken, um das zu überleben." Es ist ein Ort voll schmerzlicher Erinnerungen, die Mannheimer auch mit 92 Jahren noch einholen.
"Ich war in manchen Momenten kurz davor zu sagen: Macht die Kameras aus", sagt Peter Dermühl. Mannheimer habe aber mit seiner seelischen Stärke diese schwierigen Augenblicke am Ende doch immer selbst gerettet. "Natürlich kann man die Emotionen nicht einfach abschalten", sagt Max Mannheimer der SZ. "Aber man wird über die Jahre auch ein bisschen immun." Er hat sich diesen schwierigen Momenten schon oft ausgesetzt. Und er hat auch immer wieder Hilfsmittel eingesetzt, um diese schrecklichen Erinnerungen auszuhalten: Tabletten, seine Malerei und das Reden. Immer wieder das Reden. Seine Arbeit als Zeitzeuge, sagt er, sei auch so eine Art Therapie für sich selbst.
Anders als Carolin Otto hat sich der Journalist Dermühl strenge professionelle Distanz zu seinem Protagonisten auferlegt. Heute duzen sie sich zwar, aber während der Dreharbeiten war Max immer "Herr Mannheimer". Mehrfach zitiert Dermühl den Grandseigneur des Nachrichtenjournalismus Hanns Joachim Friedrichs im
Gespräch mit der SZ: "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache." Er habe auch gebohrt und nachgehakt. Das, was man als Journalist eben so macht. "Es war nicht immer harmonisch."
Die Verleihung des Europäischen Karlspreises der Sudetendeutschen Landsmannschaft an Max Mannheimer vor drei Monaten sei so eine "haarige Geschichte" gewesen: In der Laudatio konnte man den Eindruck gewinnen, den Vertriebenen sei das gleiche Unrecht widerfahren wie den Überlebenden des
Holocaust. "Sie haben sich seiner bedient, und Max Mannheimer hat das zu spät erkannt", sagt Peter Dermühl. Auch solche bitteren Erkenntnisse gibt es, wenn man bohrt und nachhakt.
Im Film klingt der Konflikt lediglich am Rande an, aber das ist letztendlich wohl auch nicht der entscheidende Punkt. Preise seien nur Dekoration, sagt Max Mannheimer im Kreis seiner Familie. Die Menschen sind ihm wichtiger. Vor allem die jungen, denen er immer wieder erklärt, sie seien nicht verantwortlich für die Gräueltaten der Nazis - wohl aber, dass sich Derartiges nie wiederhole.
Im Gespräch mit einem ehemaligen Mithäftling scherzt er, er werde mit hundert in Pension gehen. Lediglich dieses eine Detail muss man als überholt betrachten: Max Mannheimer teilte per Fax mit, er habe jüngst mit einer Pianistin telefoniert, die das KZ Theresienstadt überlebt hat und jetzt in London lebt; die Dame ist 109 Jahre alt. Erst vor wenigen Tagen habe er eine 103-jährige Jüdin aus Kattowitz getroffen, die unter falscher Identität in Paris überlebt habe. "Angesichts dieser Beispiele finde ich es nicht richtig, mit 100 Jahren in Rente zu gehen und lasse den Termin offen." Am morgigen Mittwoch feiert Max Mannheimer seinen 93. Geburtstag.
ovb, 19.3.2013
Kein Geld aus Berlin
Schlechte Nachrichten aus Berlin: Es gibt kein Geld von der Gedenkstättenstiftung des Bundes für das Bunkergelände im Mühldorfer Hart. Ein Expertengremium hat einen Antrag der Stiftung bayerischer Gedenkstätten abgelehnt.
2010 gab es Hoffnung auf ein weitergehendes Interesse Deutschlands am Bunkergelände: "Jenseits aller Zahlen sind wir in einer gesellschaftlichen Verantwortung", sagte damals Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (Zweiter von rechts, zusammen mit Bundestagsabgeordnetem Stephan Mayer, dem Vorsitzenden der Gedenkstättenstiftung Karl Freller und Dr. Marcel Huber, damals Kultusstaatssekretär). An der geplanten Gedenkstätte will sich der Bund trotz des damaligen Bekenntnisses nicht beteiligen. Foto hon
Mühldorf - Das Konzept steht: Aufarbeitung der Zeitgeschichte im zweiten Obergeschoss des Mühldorfer Haberkastens, dazu eine Gedenkstätte an den drei zentralen Orten im Mühldorfer Hart - am Bunkerbogen, am ehemaligen Massengrab und im Waldlager. Wie die Gedenkstätte aussehen wird, ist nach einem Architektenwettbewerb beschlossene Sache (wir berichteten).
Doch für eine Umsetzung fehlt das Geld - insgesamt geht es um 3,2 Millionen Euro. Der Plan: 1,2 Millionen sollte die Stiftung bayerischer Gedenkstätten beisteuern, dazu kämen jeweils 200000 Euro von der Stadt Mühldorf und vom Landkreis. Vorausgesetzt der Bund übernimmt die fehlenden 1,6 Millionen Euro.
Doch aus dieser Rechnung wird erst einmal nichts. Denn ein Expertengremium hat einen Antrag der Stiftung Bayerische Gedenkstätten auf die Zuteilung von Geld aus der Gedenkstättenförderung des Bundes abgelehnt.
Aus drei Gründen: Erstens gibt es Zweifel an der bundesweiten Bedeutsamkeit des Ortes; zweitens ist den Experten das Konzept mit der Aufteilung der Dokumentation auf mehrere Orte nicht schlüssig. Und drittens gibt es Zweifel an der Dauerhaftigkeit, weil es nicht nur einen Träger sondern ein Miteinander von Stiftung, Landkreis und Kommunen geben soll.
Ulrich Fritz, der bei der bayerischen Stiftung für die KZ-Außenlager in Bayern zuständig ist, kann die Argumentation nicht nachvollziehen: "Mir ist die Begründung zu lapidar. Außerdem wird deutlich, dass die Experten in die Verhältnisse vor Ort keinen Einblick haben." Schließlich handele es sich beim Bunkergelände um einen "international bedeutsamen Ort. Wenn man das natürlich nicht sehen will, ist das ein K.O.-Kriterium." Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Anzeichen, dass der Bund ausschließlich Interesse an der Förderung der großen Konzentrationslager zeigt. "Wenn man die Hürden so hoch legt, bleiben die Außenlager außen vor", sagt Fritz.
Trotzdem: "Aufgeben gilt nicht", sagt stellvertretende Landrätin Eva Köhr, die als Vorsitzende des Fördervereins Kreisheimatmuseum die Arbeitsgruppe zur Errichtung einer Gedenkstätte koordiniert. Köhr hofft nun auf andere Geldquellen: "Das Leader-Förderprogramm auf Landesebene ist noch nicht ausgeschöpft. Darum werden wir uns als nächstes bemühen."
Auch von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen erhofft sie sich einen Zuschuss, wenn es um die rund 800000 Euro teure Einrichtung der Dauerausstellung im Haberkasten geht. "Falls Stadt und Landkreis jeweils 200000 Euro übernehmen könnte der Rest von dort kommen." Wenn schon die Umsetzung der Pläne am Bunker auf Eis lägen, soll ihrer Meinung nach wenigstens die Ausstellung baldmöglichst realisiert werden.
Der Vorsitzende des Vereins "Für das Erinnern", Franz Langstein, glaubt, dass in Sachen Finanzierung durch den Bund das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. "Ich denke schon, dass wir mit Berlin noch einmal ins Gespräch kommen können, wenn die Frage der Verkehrssicherung geklärt ist."
Ähnlich sieht es Ulrich Fritz: "Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Bund nur dann einen gewissen Betrag bezahlt, wenn er zugleich die Verantwortung für das Gelände abgeben kann." Dabei spielt unter anderem die bis dato ungeklärte und möglicherweise teure Beseitigung von Kampfmittelbeseitigung eine Rolle.
Eva Köhr nimmt in Sachen Verkehrssicherung den Freistaat und damit die Stiftung Bayerischer Gedenkstätten in der Pflicht. "So steht es im Gesetz."
Ulrich Fritz sieht das Thema Trägerschaft mit gemischten Gefühlen: "Bisher haben wir an keinem Gedenkort in Bayern die Verkehrssicherungspflicht übernommen. Die liegt an den anderen Standorten entweder bei den Grundstückseigentümern oder bei der Kommune." Dennoch will Fritz nicht kategorisch ausschließen, dass die Stiftung die Trägerschaft übernimmt, macht aber zugleich klar, was das bedeutet: "Dann wollen wir auch vor Ort präsent sein und mit entscheiden, was passiert. Außerdem braucht es in diesem Fall dauerhaft mehr Geld. Und zwar nicht nur einmal, sondern Jahr für Jahr." ha
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SZ, 6.4.2013
Bayern
Glasscherben statt Gedenkstätte
Im KZ-Außenlager in Mühldorf schufteten sich fast 3000 Menschen zu Tode. Doch einen Erinnerungsort gibt es nicht, die Pläne scheitern am Geld und an der Bürokratie. Stattdessen feiern Jugendliche unter dem Bunkerbogen
Von Heiner Effern
Mühldorf - 2909 Namen stehen auf der Totenliste der Amerikaner, die sie nach der Befreiung des KZ-Außenlagers im Mühldorfer Hart erstellt haben. Insgesamt mehr als 8000 Männer schleppten hier als Arbeitssklaven Zementsäcke für den Bau einer geheimen Rüstungsfabrik. Oder sie bogen mit der letzten verbliebenen Körperkraft Eisenstäbe. Viele der Häftlinge fielen ausgehungert und erschöpft tot um. Sie sollten in den letzten neun Kriegsmonaten eine Halle für den Bau des Düsenflugzeugs Me262 errichten. 400 Meter lang, 32 Meter hoch, Sohlenbreite 85 Meter. Sie wurde nie fertig: Sechs riesige Betonbögen des Daches sprengten die Amerikaner, doch der siebte steht noch heute in dem Wald bei Mühldorf. Ein beeindruckendes Zeugnis des lebensverachtenden Wahnsinns der Nazis bis zum Kriegsende. Trotzdem haben es Bund und Land nie geschafft, eine Gedenkstätte am zweitgrößten Außenlager des KZ Dachau zu errichten. Die Initiatoren aus der Region müssen nun einen neuen Rückschlag verkraften: Der Bund erklärte das eingereichte Konzept einer Gedenkstätte für nicht förderungswürdig.
Ein Grund seien die 'unzureichenden authentischen Überreste des ehemaligen KZ-Außenlagers', erklärt ein Sprecher von Kulturstaatsminister Bernd Neumann. 'Auch die herausgehobene Exemplarität des Ortes wurde in Frage gestellt.' Zudem sei die Dreiteilung des Dokumentationsortes konzeptuell nicht ausreichend aufgefangen. Nun fehlen zum Bau einer Gedenkstätte erneut etwa 1,5 Millionen Euro. Max Mannheimer, einer der letzten Überlebenden des KZ-Außenlagers, sagte im März 2011, er rechne nicht mehr damit, den Bau einer Gedenkstätte noch zu erleben. Er darf sich wieder einmal bestätigt fühlen.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten setzen sich einheimische Initiatoren für eine würdige Gedenkstätte ein - und laufen gegen eine Wand. Zuerst galt es, überhaupt das Interesse für eine Gedenkstätte zu wecken. Mittlerweile sind Kommunalpolitiker und auch die Stiftung Bayerische Gedenkstätten von dem Ansinnen überzeugt. Doch die Umsetzung scheitert immer wieder am Geld, an unübersichtlichen Eigentumsverhältnissen und an der Bürokratie. In den 1980er Jahren favorisierte der Bund, der die Verantwortung für die NS-Bauten übernommen hatte, noch die Aufarbeitung 'mit der Planierraupe', wie der frühere Kreisheimatpfleger Ernst Aicher einmal sagte. Nun will er das Gelände und die Verkehrssicherungspflicht am liebsten ganz loswerden. Besonders da möglicherweise auch noch Munitionsreste unter den Betontrümmern liegen könnten. Dabei haben aber auch noch einige Landwirte mitzureden, denen der Grund gehört, auf denen der Rüstungsbunker steht. Übernehmen soll das ganze Areal und auch die Verkehrssicherungspflicht der Freistaat, er würde dafür möglicherweise bis zu eine Million Euro vom Bund heraushandeln können. Die Verhandlungen verlaufen aber immer wieder im Sand.
Trotzdem wähnten sich die Mitglieder des Vereins 'Für das Erinnern - KZ-Gedenkstätte Mühldorfer Hart' wieder einmal kurz vor dem Ziel, mit einer abgespeckten Variante. Mit den Mitteln der Gedenkstättenförderung von Bund und Land schien eine würdige Gedenkstätte möglich zu sein. Zusammen mit den Kommunalpolitikern aus der Region und der Stiftung Bayerische Gedenkstätten hatten sie einen Wettbewerb ausgerufen. Das Siegerkonzept verbindet drei Orte: das frühere Massengrab, von dem nur noch tiefe Mulden zu sehen sind. Das Waldlager, in dem die Häftlinge unter widrigsten Bedingungen in Erdhütten hausen mussten: Zu sehen sind noch die Aushub-Konturen im Boden einschließlich der Schlafpritschen. Und einen kleinen Teil des Bunkergeländes. Dort ist ein Steg geplant, von dem aus die Ruine und das Areal zu überblicken sein würden.
Doch eine Expertengruppe des Bundes überzeugte die Idee nicht. 'Enttäuschend' nennt Karl Freller dies, der Präsident der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Man müsse 'noch mal nachbohren'. Besonders verärgert ist man in der Stiftung über die 'lapidare Begründung' der Experten. Die Gedenkstätte im KZ-Außenlager sei unabhängig davon aber 'ein enorm wichtiges Anliegen', sagte Freller. Deshalb werde die Stiftung nun beginnen, am Massengrab und im Waldlager Gedenkorte einzurichten. Für das Bunkergelände habe 'der Bund Sorge zu tragen'. Der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer (CSU) wiederum sieht auch den Freistaat in der Pflicht. Dieser müsse das Gelände übernehmen und die Trägerfrage sauber lösen. 'Da müssen sich alle bewegen.' Sonst bleibe der gordische Knoten unlösbar.
Glasscherben und Feuerstellen zeugen davon, dass momentan auf dem Gelände der Bunkerruine feuchtfröhliche Partys steigen. Hinweisschilder auf den Bunker draußen an der Straße gibt es immer noch keine. Wer ihn besuchen will, muss ihn suchen. Am 28.April wird in Gedenken an die Befreiung unter dem Betonbogen eine Gedenkfeier stattfinden. Wieder einmal nur auf einer unbefestigten Kiesfläche. Vorher werden die Helfer des Vereins wohl noch Glasscherben einsammeln.
'Man sollte diesen Ort bewahren'
Der 86-jährige Gabriel Meltzer hatte Glück - er überlebte das KZ-Außenlager Mühldorf
Gabriel Meltzer zählt zu den letzten lebenden Häftlingen des einstigen KZ-Außenlagers Mühldorf. Als er dort ankam, war er 17Jahre alt und völlig auf sich allein gestellt: Seine Familie war im Konzentrationslager Auschwitz ermordet worden. Nach dem Krieg wohnte Meltzer zunächst im oberbayerischen Markt Schwaben und wanderte dann nach Amerika aus. Heute lebt der 86-Jährige in Kalifornien.
SZ: Wie lange wurden Sie im Außenlager Mühldorf gefangen gehalten?
Gabriel Meltzer: Wenn ich mich recht erinnere, war es von Ende August 1944 bis zur Befreiung im April 1945. Ich hatte mich aus dem Konzentrationslager Dachau freiwillig zur Arbeit nach Mühldorf gemeldet. Den Anblick des Krematoriums dort konnte ich nicht ertragen.
Wie war das Leben dort?
Es war eine grausame Zeit. Ich war in einer sehr schlechten körperlichen und geistigen Verfassung. Ich wusste nicht, wie ich das alles aushalten sollte. Zunächst wurde ich auf der sogenannten Hauptbaustelle eingesetzt. Wir bekamen nicht genug zu essen für die harte Arbeit. Ich musste Zement auf das Dach des Bunkers schleppen, immer im Kreis. Einmal fiel einer von uns in den frischen Beton, aber niemand machte sich die Mühe, ihn herauszuziehen. Er liegt immer noch irgendwo.
Wo waren Sie untergebracht?
Es wurden einfach Löcher im Boden ausgehoben und dann mit einem Dach bedeckt. Es waren keine richtigen Häuser, sondern Baracken. Ich erinnere mich noch, dass wir mitten in der Nacht aus den Hütten mussten und uns aufstellen mussten, wenn ein Häftling fehlte - und zwar so lange, bis er gefunden wurde. Einmal kam ein Arzt zu einer Selektion. Ich hatte ein großes Geschwür am Bein. Er deutete darauf, aber ich sagte zu ihm: Das macht mir überhaupt nichts! Dann wurde ich wieder zur Arbeit geschickt. Die anderen kamen in den Schonungsblock. Wir haben sie nie wieder gesehen. Ich hatte aber Glück. Denn später kam ich in das Malerkommando, das war Anfang 1945. Die SS errichtete Gebäude, die mit grüner Tarnfarbe besprüht werden mussten.
Sie haben überlebt.
Es waren einfach glückliche Umstände. Am Bahnhof in Poing (nach der Evakuierung des Lagers Mühldorf, Anm. d. Red.) hielt unser Zug für drei Tage. Ich bin herausgesprungen und in den Wald gerannt. Viele Gefangene wurden erschossen, ich aber konnte flüchten.
Seit Ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager sind fast genau 68 Jahre vergangen. Wie oft denken Sie noch an die Zeit zurück?
Sehr oft. Wissen Sie, die Erinnerungen kommen immer wieder, denn das war eine sehr tragische Zeit, die ich nie vergessen kann. Das Geschehen bleibt in mir.
Vor vier Jahren besuchten Sie erstmals den Ort Ihrer früheren Qualen wieder. Was war Ihr Eindruck?
Das war sehr emotional für mich. Mein Leben im Konzentrationslager hing an einem dünnen Faden. Ich kann gar nicht beschreiben, wie es war, zurückzukommen.
Wie sollten sich die kommenden Generationen an das furchtbare Geschehen erinnern?
Das war eine sehr dunkle Zeit in der deutschen Geschichte. Deutschland heute ist anders. Aber die Geschichte muss der Jugend erzählt werden.
Was sollte Ihrer Meinung nach mit den Ruinen in Mühldorf passieren?
Deutschland geht es in finanzieller Hinsicht sehr gut. Man sollte deshalb diesen Ort bewahren, um den künftigen Generationen zu zeigen, was man Menschen antun kann.
Interview: Sebastian Beck
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ovb, 8.4.2013
Erinnerung ohne Kränze
Der Verein "Für das Erinnern", der sich seit Jahren für eine KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart einsetzt, geht neue Wege. Im Rahmen des Projekts "Aprilfünfundvierzig" sollen künftig Vereine und Institutionen eigene Aktionen rund um den 28. April auf die Beine stellen.
© OVB
Die Gedenkfeier am Bunkerbogen bleibt auch weiterhin die zentrale Veranstaltung am 28. April. Foto rob
Mühldorf - Den Anstoß gab im vergangenen Jahr der Historiker Wolfgang Benz. Der ehemalige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU München gab den Teilnehmern der Gedenkfeier am Bunkerbogen im Mühldorfer Hart einen guten Rat mit auf den Weg: Erinnerung, so Benz, sei erst dann lebendig, wenn sie nicht nur an Gedenkstätten stattfinde, sondern "Einzug in unserem Leben und Alltag" halte.
Worte, die sich Franz Langstein, Vorsitzender des Vereins "Für das Erinnern", gut eingeprägt hat. Nun sollen Taten folgen - auch abseits der Kranzniederlegungen. Heuer sitzen bereits die Katholische Jugendstelle im Landkreis und die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Mühldorf mit eigenen Aktionen im Boot.
"Ein Anfang ist gemacht", sagt Langstein, der sich für die Zukunft aber noch wesentlich mehr erwartet. "Stück für Stück wollen wir das Projekt mit dem Namen 'Aprilfünfundvierzig' auf eine breite Basis stellen. Alle sind eingeladen mitzuarbeiten: Vereine genauso wie Schulen, caritative Einrichtungen oder einzelne Pfarreien."
Das Thema Erinnerung ist für Langstein dabei nur ein Aspekt. "Natürlich geht es auch darum, der ständigen Gefahr entgegenzutreten, dass braunes Gedankengut wieder hochkommt." Die Neonazi-Demo im Januar vergangenen Jahres in Mühldorf sei ein sichtbares Zeichen dafür gewesen, dass Mahnung und Erinnerung keine leeren Floskeln sind. "Es braucht Menschen, die sich für eine wachsame Demokratie und Gesellschaft einsetzen."
Zentraler Gedenktag bleibt auch in Zukunft der 28. April. An diesem Tag wurde im Jahr 1945 das KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart evakuiert. Die Gedenkfeier des Vereins "Für das Erinnern" wird wie immer am Bunkerbogen stattfinden. "An diesem Datum halten wir natürlich fest", sagt Vereinsvorsitzender Franz Langstein. Treffpunkt ist um 17.30 Uhr am Parkplatz der Firma Inn-Beton.
Rund um diesen Termin kommen weitere Aktionen dazu. So veranstaltet die Katholische Jugendstelle in Zusammenarbeit mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) am Freitag, 12. April, unter dem Titel "Popcorn und Politik: Egal ist fatal" einen Filmabend zum Nationalsozialismus mit anschließender Diskussion über Gefahr und Verantwortung. Beginn ist um 18 Uhr in der Jugendstelle am Stadtplatz in Mühldorf.
Am Samstag, 27. April, wird dann ab 19.30 Uhr in den Räumen der Evangelischen Kirchengemeinde in der Mühlenstraße der Film "Endstation Seeshaupt" gezeigt.
"ABC der Erinnerung" heißt es schließlich am Mittwoch, 8. Mai, ab 18 Uhr - ebenfalls in den Gemeinderäumen in der Mühlenstraße. Auf die Teilnehmer wartet ein kreatives Angebot, das von Jugendlichen für Jugendliche ab 13 Jahre gestaltet wird. Teilnehmer sollen unempfindliche Kleidung mitbringen, weitere Informationen gibt es im evangelischen Pfarramt unter Telefon 08631/6155
ovb, 30.4.2013
Ungarns Ex-Ministerpräsident besucht Bunker-Gedenkfeier
Ein Lob für Deutschland
Mühldorf - Dass Auschwitz, die Vernichtung der Juden, im christlichen Kulturkreis geschehen konnte, ist steter Anlass, über die Zukunft nachzudenken, damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt Das sagte Gordon Bajnai, ehemaliger Ministerpräsident Ungarns, bei der Gedenkfeier zur Befreiung des KZ-Außenlagers im Mühldorfer Hart.
Der ehemalige ungarische Ministerpräsident Bajnai (Zweiter von links) während der Gedenkfeier. Foto rob
Bajnai betonte, es gebe nur wenige Länder oder Völker, die in der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit so weit vorangekommen seien wie Deutschland. "Das war ein Lernprozess, der Deutschland und die Deutschen für immer verändert hat." Auch deshalb sei Deutschland eines der besten Länder Europas - "auch im geistigen Sinn. Ich respektiere Deutschland dafür," so Bajnai, der seine Rede in deutscher Sprache hielt.
Bajnai wünscht sich eine vergleichbare Entwicklung für Ungarn. Dort sei "nicht nichts, aber nicht genug passiert." Nach dem vor zwei Jahrzehnten ausgelösten Kampf um Freiheit und den Schutz der Demokratie stehe sein Land heute am Scheideweg. Ungarn müsse die richtige Antwort auf Ausgrenzung und den ungarischen Holocaust finden. In der ungarischen Delegation waren auch die ehemaligen Mühldorfer Häftlinge Imre Rabai, Imre Varsani und Laszlo Bernath. Eine 14-jährige Schülerin verlas die Grußbotschaft des ehemaligen Budapester Oberrabbiners József Schweitzer: Es gebe "keinen Zorn gegenüber den Unschuldigen, aber man darf nicht vergessen."
"Wach bleiben!" hatte der Verein "Für das Erinnern - KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart" mit Vorsitzendem Franz Langstein als Motto für den Gedenktag ausgegeben. Langstein zeigte sich enttäuscht über den Bund, der die Errichtung einer Gedenkstätte nach dem Vorschlag eines Architektenwettbewerbs finanziell nicht unterstützen werde. Zwar würde eine aktive Zivilgesellschaft gefordert, so wie es die regionalen Anstrengungen für eine Gedenkstätte sind. "Wenn es ernst wird, zieht man sich zurück." Das bisherige Engagement sei aber nicht umsonst gewesen. Das Bemühen im Landkreis Mühldorf werde sich verstärken. Das Gedenken an die Opfer hänge nicht vom Geld ab. "Das ist Ehrensache", sagte Langstein.
"Jedes Vergessen bedeutet erneutes Sterben", sagte Landrat Georg Huber. Für die Entscheidung des Bundes, das von der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Landkreis und Stadt finanziell mitgetragene Vorhaben nicht zu unterstützen, hat Huber "kein Verständnis". Zum seitens des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien vorgebrachten Ablehnungsgrund, das Außenlager sei nicht bedeutend genug, sagte Huber: "Sind 3000 Tote, 8000 Misshandelte wirklich unbedeutend?"
Auch Ulrich Fritz von der Stiftung Bayerische Gedenkstätten kann die Ablehnung des Bundes nicht verstehen. Zur Bedeutung einer Gedenkstätte im Mühldorfer Hart sagte er, der Dachauer Mühldorf-Prozess sei der einzige der Alliierten zu einem KZ-Außenlager gewesen. In den Protokollen internationaler Häftlings-Komitees tauche der Begriff Mühldorf häufig auf. Für Fritz ist das ehemalige Außenlager ein "Ort von weitreichender Bedeutung".
Eine klare Sprache fand die 86-jährige Ungarin Katalyn Bürg, ebenfalls ein ehemaliger Häftling. Langstein überbrachte ihre Botschaft: Sie wolle nicht sterben, bevor eine Gedenkstätte eröffnet sei. rob
Symposium zum Jahrestag der Räumung des KZ-Außenlagers
Gäste aus Ungarn fürchten Rassismus in ihrem Land
Mühldorf - Eine 18-köpfige Delegation der Budapester Stiftung "Ins Auge schauen" informierte sich am Wochenende beim Verein "Für das Erinnern" über den geplanten Bau einer Gedenkstätte im Bunkergelände. Bei einem Symposium berichteten die Ungarn über rassistische Tendenzen in ihrem Land.
So sagte die Stiftungsvorsitzende Agnes Pap, die wirtschaftlichen Probleme Ungarns hätten zu einer Stärkung extremistischer Gruppen geführt. Die rechtsradikale Partei Jobbik habe bei Wahlen zwölf Prozent der Stimmen erreicht und sei mit 47 Abgeordneten im Parlament vertreten. Die nationalkonservative Partei Fidesz habe 68 Prozent.
Etwa ein Fünftel der Ungarn wisse nichts über den Holocaust. Etwa 15 Prozent der Geschichtsstudenten würden rassistische Standpunkte vertreten. Die Unkenntnis über den Holocaust führte Pap auch auf Jahrzehnte sozialistischer Herrschaft zurück. Pap zeigte Bilder nationalistischer Demonstrationen und Plakate.
"Wir bedauern, dass wir kein anderes Bild der ungarischen Gesellschaft zeigen konnten", so die Stiftungs-Vorsitzende. Pap zufolge richtet sich die Aufklärungsarbeit ihrer Stiftung vor allem an Jugendliche. Dass dies notwendig ist, zeigten in einem deutsch-ungarischen Filmprojekt aufgezeichnete Aussagen von acht bis zwölfjährigen Kinder einer Budapester Schule zum Thema Rassismus. Ungarn im Alter zwischen 14 und 86 Jahren, darunter ehemalige Häftlinge und deren Angehörige, waren nach Mühldorf gekommen. Den Kontakt hatte der Mühldorfer Dr. Karl Wingler vom Verein "Für das Erinnern" hergestellt.
Wingler und Manfred Kapser, der das Symposium leitete, verglichen den Stand der Aufklärung über den Holocaust in Ungarn mit der Situation in Deutschland Ende der 60er-Jahre. rob
ovb, 21.5.2013
Auf dem Abstellgleis
Das Geschichtszentrum im Landkreis Mühldorf ist in weite Ferne gerückt. Der Lenkungsausschuss des "Mühldorfer Netz" lehnte einen entsprechenden Antrag auf Leader-Förderung ab. Dem Projekt fehle die nötige Reife, heißt es.
Mühldorf - Zentrales Problem sind die Kosten. Da sich die Pläne für einen Umbau des Haberkastens noch im Genehmigungsverfahren befinden, gibt es keine detaillierte Kostenermittlung, sondern lediglich eine Schätzung. Demnach kostet der für ein Geschichtszentrum notwendige Ausbau des zweiten und dritten Obergeschosses rund 935000 Euro. Dazu kämen noch einmal rund 800000 Euro für die Gestaltung der Ausstellungen, die sich zum einen um die Wirtschaftsgeschichte im Landkreis und zum anderen um die Zeitgeschichte im Zusammenhang mit dem Bunkergelände im Mühldorfer Hart drehen sollen.
Vor allem die stellvertretende Landrätin und Vorsitzende des Arbeitskreises zur KZ-Gedenkstätte, Eva Köhr, machte Druck, um für das Geschichtszentrum heuer noch Mittel aus dem Leader-Topf für innovative Aktionen im ländlichen Raum zu akquirieren. Die mögliche Fördersumme beläuft sich auf rund 700000 Euro. Den Leader-Antrag an das Landwirtschaftsministerium muss die Stadt Mühldorf als Eigentümer des Haberkastens stellen. Betreiber des Geschichtszentrums soll aber der Landkreis sein.
Der Mühldorfer Stadtrat behandelte das Thema nichtöffentlich und kam zu dem Beschluss, den Leader-Antrag nur unter folgender Bedingung zu stellen: "Die Höhe der städtischen Beteiligung wird erst entschieden, wenn die tatsächlichen finanziellen Belastungen unter Einbeziehung aller Fördermittel feststehen und die vertraglichen Regelungen mit dem Landkreis geklärt sind."
"Wir können nun einmal keinen Blankoscheck ausstellen", betonte Bürgermeister Günther Knoblauch auf Nachfrage. Trotzdem reichte die Stadt den Beschluss beim "Mühldorfer Netz" ein, das die Antragstellung der Leader-Fördermittel im Landkreis koordiniert. Im sogenannten Lenkungsausschuss fiel der Antrag durch. "Dem Projekt fehlt die nötige Reife", erklärte "Mühldorfer Netz"-Geschäftsführer Sascha Schnürer. Die Richtlinien seien schließlich eindeutig: "Wir brauchen eine genaue Kostenermittlung. Und diese lag nicht vor."
Die Stadt müsse als Projektträger die Finanzierung sicherstellen. Zudem sei ein Kreistagsbeschluss über die Co-Finanzierung notwendig, sagt Schnürer, der deutlich macht, dass man das Projekt an sich für sehr unterstützenswert hält. "Keine Frage, wir würden es natürlich gerne machen. Aber wir können da nicht aus unserer Haut."
Wie der Stadtrat so dürfe auch das "Mühldorfer Netz" keine Blankoschecks ausstellen. "So gesehen machen alle Gremien nur ihre Arbeit. Im Interesse der Steuerzahler", erklärt Schnürer.
Mühldorfs Bürgermeister Knoblauch kann die Entscheidung des Lenkungsausschusses zwar inhaltlich nachvollziehen, hätte sich aber "an manchen Stellen einfach mehr Flexibilität" gewünscht.
Bestes Beispiel dafür sei die Zusage der Bayerischen Landesstiftung, die den Ausbau des Dachgeschosses mit 93500 fördert. "Dort hatte man auch keine anderen Unterlagen", sagt Knoblauch. Daneben steht noch ein Förderantrag an den Bayerischen Kulturfonds über 220000 Euro im Raum, der nach der Zusage der Landesstiftung ebenfalls gute Chancen auf grünes Licht hat. So könnten heuer insgesamt über 300000 Euro Fördermittel für den 900000 Euro teueren Dachgeschossausbau abgerufen werden - oder schlicht verfallen.
Allgemein herrscht nun leichte Ratlosigkeit, wie es weitergeht. Während Bürgermeister Günther Knoblauch ein Gespräch zu dem Thema mit dem Landkreis abwarten will, hofft Eva Köhr schon auf das nächste Förderprogramm "Eler" und sieht vor allem Stadt und Landkreis in der Pflicht: "Es braucht klare Aussagen, was die Kosten betrifft."
Knoblauch würde nach wie vor das Modell eines Zweckverbandes mit den betroffenen Gemeinden Mühldorf, Waldkraiburg, Ampfing und Mettenheim sowie den Landkreis befürworten. Ein Modell, das aber aktuell wohl nicht mehrheitsfähig ist.
Die Zeit drängt. Noch heuer beginnen voraussichtlich im Waldlager und am ehemaligen Massengrab die ersten Arbeiten für eine Gedenkstätte, ab 2015 sollen sich Besucher auch an anderer Stelle über das KZ-Außenlager informieren können. Nach aktuellem Stand aber sicher nicht im Rahmen der großen Lösung eines Geschichtszentrums. ha
ovb, 6.7.2013
Die Gedenkstättenstiftung des Bundes stellt für das Bunkergelände im Mühldorfer Hart kein Geld zur Verfügung. Alle Hoffnungen, mit einem veränderten Konzept doch noch punkten zu können, haben sich jetzt zerschlagen. Das Antwortschreiben aus Berlin fiel mehr als deutlich aus - und sorgt für Ernüchterung bei den Verantwortlichen vor Ort.
Ein historisches Bild: Vor drei Jahren besuchte der Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk das Bunkergelände und sagte über die Ruinen im Mühldorfer Hart: "Das ist sehr eindrucksvoll, das können Fotos nicht wiedergeben. Wir stehen in der Pflicht, authentische Gedenkorte zu erhalten." Diese Erkenntnis scheint den Weg nicht vom Berliner Finanzministerium zum Kultus-Staatsminister gefunden zu haben. Foto hon
Mühldorf/Berlin - Bereits im März hat die Gedenkstättenstiftung des Bundes den Antrag auf eine Förderung zur Errichtung einer Gedenkstätte im Mühldorfer Hart abgelehnt (wir berichteten). Daraufhin forderte die Stiftung bayerische Gedenkstätten eine detaillierte Erläuterung der Gründe für die Absage der beantragten 1,6 Millionen Euro. Gerade einmal 33 Zeilen ist das Antwortschreiben aus dem Bundeskanzleramt lang, das dem "Mühldorfer Anzeiger" vorliegt und das Kultus-Staatsminister Bernd Neumann unterschrieben hat. Doch diese 33 Zeilen haben es in sich.
Unter anderem heißt es darin: "Die Bundesbedeutsamkeit im Sinne der Gedenkstättenkonzeption sehen die Mitglieder des Expertengremiums (...) insbesondere aufgrund der geringen authentischen Überlieferungssubstanz im Mühldorfer Hart als nicht gegeben an. (...) Der erhaltene Bogen und die versprengten Überreste erfüllen diese Kriterien (der bundesdeutschen Gedenkstättenförderung; d. Red.) nicht."
Darüber hinaus äußert das Gremium noch einmal Bedenken an der konzeptionellen Dreiteilung der Gedenkstätte Mühldorfer Hart, die sich insbesondere auf die Vermittlung der inhaltlichen Ebene im Kulturzentrum Haberkasten bezieht. "Die räumliche Entfernung zum historischen Ort und der fehlende inhaltliche Bezug zum als Verantsaltungsort der Stadt Mühlheim (!) genutzten Zentrum wurden bemängelt."
Nicht nur der falsche Ortsname im letzten Absatz sorgt bei den Verantwortlichen in der Region und bei der Stiftung bayerische Gedenkstätten für Kopfschütteln. Von einer "einzigen Zumutung" spricht stellvertretende Landrätin Eva Köhr, die zugleich dem Arbeitskreis KZ-Gedenkstätte vorsitzt. Tief enttäuscht zeigt sich auch der Vorsitzende des "Vereins für das Erinnern": "Das Schreiben ist ein Ausdruck von Geringschätzung", sagt Franz Langstein. "Unserer Arbeit heute und den Opfern von damals gegenübern." CSU-Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer nennt die Formulierung "unglücklich, unsensibel und inhaltlich falsch".
Alle Beteiligten wissen um die Folgen, die die Aussagen des Expertengremiums haben können. Wie Mayer hoffen aber auch Köhr und Langstein, dass die Einschätzung des Gremiums keine negative Auswirkung auf andere Förder-Anfragen hat.
Für Ulrich Fritz von der Stiftung bayerische Gedenkstätten steht nach dem Antwortschreiben aus Berlin vor allem eines fest: "Beim Bund brauchen wir im Zusammenhang mit der Gedenkstätte keine Mittel mehr beantragen." Entmutigen will er sich bei den Planungen aber deshalb nicht lassen. "Wir sind vielleicht gebremst, aber nicht gestoppt. Und wir haben ja einen guten Plan, der auf Realisierung angelegt ist." Noch im Herbst sollen am ehemaligen Waldlager und Massengrab die Arbeiten beginnen - mit Geld von der Stiftung.
Ein großes Fragezeichen steht dagegen hinter der Realisierung der Gedenkstätte mit Steg und Inforaum am Bunkerbogen, die momentan an zwei Punkten scheitert: an den fehlenden 1,6 Millionen Euro aus Berlin sowie an der Frage, wer vor Ort für Verkehrssicherung und die eventuelle Beseitigung von Kampfmitteln verantwortlich ist. Köhr, Langstein und Mayer sehen den Freistaat und damit die Stiftung bayerische Gedenkstätten in der Pflicht, die Trägerschaft des Projekts zu übernehmen.
Im Gespräch mit der Heimatzeitung lässt Ulrich Fritz durchblicken, dass für die Stiftung das Thema "Trägerschaft" nicht das K.o.-Kriterium ist - vorausgesetzt, die "Stiftung tritt nicht als Eigentümerin der Liegenschaften auf". Seiner Meinung nach muss sich vor Ort an den Eigentumsverhältnissen nichts ändern: "Alles Weitere muss man eben mit den Eigentümern vertraglich regeln." Das sei machbar, ist Fritz überzeugt, und macht klar: "Beim Stand der Dinge kann es sich die Stiftung doch gar nicht mehr leisten, dass in Mühldorf in Sachen KZ-Gedenkstätte nichts passiert." Ha
Das Expertengremium
Auf die Frage, wie das Expertengremium zu seinem Urteil gelangt, hieß es aus dem Bundeskanzleramt: "Zur Beurteilung des Förderantrags stützte sich das Expertengremium auf die umfangreichen Unterlagen, die dem Antrag auf Förderung beigefügt waren, auf eigene Erkenntnisse sowie auf das profunde Fachwissen.
(...) Bei den Experten handelt es sich um erfahrene Fachwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen. Dem Gremium gehören mit je einem Vertreter/in an: die Stiftung Deutsches Historisches Museum; die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; die Bundeszentrale für politische Bildung; die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur; das Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors; das Institut für Zeitgeschichte; die universitäre Forschung mit Forschungsschwerpunkt in der NS-Geschichte und der deutschen Zeitgeschichte nach 1945; die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten der Bundesrepublik Deutschland; die Arbeitsgemeinschaft Gedenkstätten zur Diktatur in SBZ und DDR sowie die Länder." Ha
Kommentar von Wolfgang Haserer
Schreibtisch-Tat
Keine authentische Bedeutung, schlechtes Konzept: Das Urteil des Expertengremiums über das Bunkergelände und die geplante Gedenkstätte ist schlicht und ergreifend falsch.
Nur wer noch nie einen Fuß auf das Gelände im Mühldorfer Hart gesetzt hat, kann diesem geschichtsträchtigen Ort seine authentische Bedeutung absprechen. Bogen und Trümmerfeld sind in Beton gegossene Zeugnisse für den Größenwahn des NS-Regimes. Hier, mitten im Wald, zeigt die "Vernichtung durch Arbeit" bis heute ihr Gesicht.
Wer darüber hinaus derart grundlegende Zweifel am Konzept der Gedenkstätte äußert, verkennt die Bedingungen vor Ort. Was die Experten indirekt fordern, ist ein Museum im Mühldorfer Hart. Eine Schreibtisch-Tat, fernab jeglicher Realisierungschance.
Dabei ist die fehlerhafte Einschätzung der Experten das eine, die Formulierung der Fördermittel-Absage das andere. Ohne einen Funken Fingerspitzengefühl stößt das Gremium vor allem all jene vor den Kopf, die sich seit Jahren ehrenamtlich für die Erinnerung an die Opfer des KZ-Außenlagers einsetzen. Deshalb sollte man die 33 Zeilen aus Berlin als das bewerten, was sie sind: als eine zwischen Tür und Angel formulierte Absage mit vorgeschobenen Gründen.
Denn wirklich überraschend kommt die Absage der Gedenkstättenstiftung des Bundes nicht. Die Chancen auf eine Bewilligung der Fördermittel standen von Beginn an schlecht - was vor allem daran lag, dass innerhalb eines Jahres eine Vielzahl derartiger Anträge aus Bayern gestellt wurde. Wer unter anderem Geld für die großen NS-Dokumentationszentren in München und am Obersalzberg haben will, kann nicht erwarten, dass gleichzeitig ein Millionenbetrag in den Mühldorfer Hart fließt.
Geld für den Haberkasten
Neben der Absage aus Berlin gibt es dagegen positive Nachrichten, was den Ausbau des Mühldorfer Haberkastens betrifft.
Nach der Zusage der Bayerischen Landesstiftung, die den Ausbau des Dachgeschosses mit 93500 Euro fördert, gibt es nun auch grünes Licht vom Kulturfonds Bayern. 200000 Euro gibt es für die Dachgeschoss-Erschließung, in dem die Ausstellung zum KZ-Außenlager untergebracht werden soll. Insgesamt kostet der Ausbau rund 900000 Euro, dazu kommen noch einmal mehrere hunderttausend Euro für die Gestaltung der Ausstellung. Ob heuer noch mit den Ausbauarbeiten begonnen wird, steht allerdings nach dem gescheiterten Antrag auf Leader-Fördermittel (wir berichteten) in den Sternen. Die Mittel aus der Landesstiftung können immerhin bis zum Jahr 2016 abgerufen werden. Ha
ovb, 3.7.2013
Die Heilung in der Begegnung suchen
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Seit drei Jahren sucht Leslie Schwartz, Holocaust-Überlebender, "seine Heilung" in der Begegnung und Zusammenarbeit mit der "new generation".
"Das ist wie eine Therapie für mich, wenn ich an Euch glaube und Euch vertraue", sagte er stellvertretend für alle jungen Deutschen zu den Neuntklässlern des Waldkraiburger Gymnasiums. "I love you all", sagt er zu ihnen und legt seine Hoffnung in sie.
© OVB
Leslie Schwartz zeigt den neunten Klassen am Waldkraiburger Gymnasium ein altes Klassenfoto aus seiner Kindheit in Ungarn. Die 1940er Jahre waren dort für Juden eine schreckliche Zeit, wie er den Schülern erzählt. "Die Ungarn waren noch schlimmer als die Deutschen." Die SS habe ihn täglich gequält und seine Gedanken vergiftet. "Ich war ein Kind, irgendwann dachte ich wirklich, ich bin wertlos." Für sein ursprüngliches Heimatland hat er heute keine Gefühle mehr. Foto kla
Waldkraiburg - Für Leslie Schwartz ist Deutschland heute ein "fantastisches Land". Der gebürtige Ungar, der vor wenigen Tagen das Bundesverdienstkreuz aus den Händen von Kultusminister Ludwig Spaenle entgegen nahm, lebt in Florida und Münster.
Manche Menschen können nicht verstehen, wie er sich in einem Land aufhalten und dort "Wärme empfinden" kann, in dem er vor über 68 Jahren die Schreckenszeit des Holocaust erleben musste. Er kam hierher zurück, um sich den dunkelsten Orten seiner Vergangenheit zu stellen und die Menschen zu suchen, die ihm damals geholfen haben.
Den Schülern am Waldkraiburger Gymnasium erklärt er, er habe seit einigen Jahren eine neue Haltung zu Deutschland entwickelt. "Das ist wie eine Therapie für mich. Ich will mich frei fühlen und alles hinter mir lassen", so der 83-Jährige, der viel besser Englisch spricht, als Deutsch. Deutsch hat er im KZ gelernt - als Überlebensstrategie.
In den vergangenen drei Jahren hat er vor 64 Realschulen und Gymnasien gesprochen - um gegen das Vergessen zu kämpfen.
Seine tragische Geschichte erzählt er den jungen Leute, spielt ihnen ein Radio-Interview mit dem Bayerischen Rundfunk vor und zeigt ihnen den bewegenden Dokumentarfilm "Der Mühldorfer Todeszug - Begegnungen gegen das Vergessen", ein Projekt mit dem Gymnasium Markt Schwaben und der Regisseurin Beatrice Sonhüter, an dem er selbst aktiv mitgewirkt hat.
In dem besagten Todeszug saß der damals 14-jährige Laszlo Schwarc, heute Leslie Schwartz, der 1944 ins Ghetto Kleinwardein musste und dann nach Ausschwitz deportiert wurde. Mit einem Zug kam er mit anderen Häftlingen zur Zwangsarbeit nach Dachau und wurde in verschiedene Außenlager zum Schienenbau abkommandiert, landete schließlich in den KZ Mittergars und Mühldorf. Dort wurde er in den letzten Kriegstagen in den Todeszug gezwängt - mit 3600 weiteren Häftlingen, alle halb verhungert, krank und völlig am Ende. Der Dokumentarfilm zeigt, wie Leslie Schwartz sich mit Schülern aus Markt Schwaben auf Spurensuche zu den einzelnen Stationen des Zuges macht, der eigentlich nach Tirol fahren sollte. Ziel der SS: Keiner der Häftlinge sollte das Kriegsende erleben.
Bewegend etwa die Momente, als er mit einer Schülerin Hand in Hand durch die Trümmerreste des Mühldorfer Bunkers klettert, oder als Schwartz in einem Güterwagen für immer Abschied nimmt von seiner Familie. Nie wieder hat er seine Mutter und seine kleine Schwester gesehen und bricht vor der Kamera in Tränen aus.
Die Waldkraiburger Gymnasiasten sind tief beeindruckt und berührt, lauschen der Dokumentation und seinen Worten. Der kleine Mann mit dem gütigen Gesicht scheint in sich zu ruhen. Auch als er davon berichtet, wie ihn eine Kugel eines Hitlerjungen in den Nacken traf. Der Todeszug hielt damals in Poing und die Wachen glaubten, der Krieg sei vorbei und ließen die Häftlinge frei. Doch die SS trieb die völlig geschwächten Menschen wieder zusammen und zurück in den Zug.
Schwartz war damals eine Stunde lang frei und bekam von einer "lieben Bäuerin" Milch und ein Butterbrot, bis plötzlich der Hitlerjunge rief "Hände hoch". Leslie wollte weglaufen - die Kugel erwischte ihn dennoch.
Zwei Tage später stoppten die Alliierten den Zug. Er hatte Typhus und wurde medizinisch versorgt, seine Schussverletzung - sein Kiefer ging zu Bruch - wurde von einem SS-Arzt in Feldafing operiert.
Nach dem Krieg machten ihn zwei seiner Onkel ausfindig, einer holte ihn 1946 nach Los Angeles. Er baute sich ein Leben in den Staaten auf und betrieb eine Druckerei. Heute ist er mit einer Münsteranerin verheiratet.
Nach zwei Stunden ist der 83-Jährige mit seine Zeitreise unglaublicher Tragik am Ende angekommen. Es war aber auch eine Schilderung voller Ruhe und Selbstbewusstsein und an gewissen Stellen einer weisen Ironie. kla
ovb 15.7.2013
Einsatz über Parteigrenzen
Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, informierte sich im Kreismuseum Lodronhaus über den Stand der Planungen einer KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart. Am Ende stand ihr Versprechen, sich beim Bund für eine Förderung des Projekts einzusetzen.
Das Bunkergelände im Modell: Claudia Roth (mitte) informierte sich im Kreismuseum Lodronhaus über die geplante KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart. Neben Dr. Susanne Abel (rechts) erläuterten auch Landrat Georg Huber (links) und Cathrin Henke die Pläne und Geschichte des Geländes. Foto ha
Mühldorf - Rund 1,6 Millionen Euro hatte die Stiftung Bayerische Gedenkstätten beim Bund zur Förderung der KZ-Gedenkstätte beantragt - ohne Erfolg (wir berichteten). Dabei sorgte vor allem die Begründung des Expertengremiums, das Kultus-Staatsminister Bernd Neumann berät, bei den Verantwortlichen in der Region für Enttäuschung: Keine authentische Bedeutung habe das Bunkergelände im Mühldorfer Hart, hieß es zum einen. Zum anderen sei das Konzept zur Umsetzung der Gedenkstätte mit der musealen Aufbereitung des Themas im Mühldorfer Haberkasten nicht überzeugend.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, Cathrin Henke, nahm das negative Urteil der Experten in Berlin zum Anlass, das Thema auf die Tagesordnung für Claudia Roths Besuch in Mühldorf zu setzen.
Nach einem Ortsbesuch im Mühldorfer Hart erläuterte Museumsleiterin Dr. Susanne Abel der 58-Jährigen die Geschichte des Bunkergeländes und das inhaltliche Konzept der KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart. Unter anderem stellte sie den Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs vor.
Landrat Georg Huber entließ Claudia Roth mit der Bitte, sich in Berlin nachdrücklich für eine finanzielle Förderung des Projekts einzusetzen: "Uns geht es hier doch nicht darum, in irgendeine Konkurrenz zum KZ Dachau zu treten. Ganz im Gegenteil. Der Bunker im Mühldorfer Hart ist Teil von Dachau. Und hier wird heute noch sichtbar, was 'Vernichtung durch Arbeit' im Dritten Reich bedeutet hat."
Von einer fehlenden authentischen Bedeutung könne überhaupt keine Rede sein, sagte Claudia Roth im Anschluss gegenüber der Heimatzeitung. "Was ist denn dann authentisch, wenn nicht dieser Ort?"
Roth kündigte an, sich offiziell mit einer Anfrage zu dem Thema an die Bundesregierung zu wenden. Zudem werde sie sich nach der Bundestagswahl zusammen mit den Parteikollegen im Bundestag und den entsprechenden Ausschüssen für eine finanzielle Förderung des Projekts durch den Bund einsetzen. "Dafür suchen und finden wir mit Sicherheit auch das Gespräch über die Parteigrenzen hinweg."
Die Bundesvorsitzende der Grünen machte deutlich, dass die geplante KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart bislang kein Thema im "Ausschuss für Kultur und Medien" gewesen sei, der sich um die bundesweite Erinnerungskultur kümmert. "Dort besprechen wir nur große Projekte im Detail." Dabei sei 'Erinnerungskultur' genau das richtige Stichwort, betonte Cathrin Henke: "Die Leute joggen heute am ehemaligen Massengrab vorbei ohne zu wissen, was hier einmal geschehen ist." ha
ovb 25.7.2013
Mehr Sensibilität mit ehemaligem KZ erwartet
Gars - Das braun-weiße touristische Hinweisschild "KZ-Außenlager Mittergars 100m" an der Kreisstraße Gars Bahnhof - St. Erasmus sorgt für Verärgerung. Man müsse zumindest die Worte "ehemalig" oder "Gedenkstätte" hinzufügen und vor allem auch weitere Erklärungen am Mahnmal anbringen. Das fordert eine Bürgerin in einem Antrag an die Gemeinde Gars
Das touristische Hinweisschild an der Kreisstraße Gars Bahnhof - Jettenbach- Bahnhof wird noch 2013 durch eine erklärende Tafel am 100 Meter entfernten Mahnmal ergänzt. Die beantragte Änderung der Bezeichnung wurde nicht entschieden. Foto Basler
Das Schild wurde bald nach der im Jahr 2007 erfolgten Aufstellung und Weihe des "Mahnmals gegen das Vergessen der menschenverachtenden Gräuel im ehemaligen KZ-Außenlager bei Mittergars" an der Abzweigung nach "Waldrandsiedlung" angebracht. Die Bürgerin war in ihrem Antrag der Meinung, die gewählte Formulierung löse Missverständnisse aus. Zumindest aber ist so wohl unsensibel.
Bürgermeister Norbert Strahllechner erläuterte imBau- und Umweltausschuss, dass das ehemalige KZ-Außenlager nichts mit der auf Jettenbacher Gemeindegebiet liegenden und weit mehr als 100 Meter entfernten "Waldrandsiedlung" zu tun habe. Die Reste des KZ sind vielmehr gleich hinter dem Mahnmal im Wald zu finden.
Er habe bei Altbürgermeister Georg Otter Rückfrage gehalten und erfahren, dass sowohl für die KZ-Gedenkstätte "Mühldorfer Hart" als auch beim Mahnmal für das Außenlager bei Mittergars noch 2013 ausführliche erklärende Tafeln geplant sind. Damit sei dann dem Anliegen der Antragstellerin Rechnung getragen, war man im Ausschuss der Meinung. ba
ovb, 9.8.2013
Wo die Bewohner Ecksbergs ermordet wurden
Mühldorf - Der "Verein für das Erinnern" besuchte im Rahmen einer Bildungsreise den Ort, an dem im Zweiten Weltkrieg 248 Bewohner der Stiftung Ecksberg ermordet wurden: Schloss Hartheim in Oberösterreich.
Zweiter Vorsitzender Dr. Erhard Bosch informierte die Teilnehmer über die Geschichte des Schlosses und über dessen besondere Bedeutung in der NS-Zeit. Seit 1898 war Schloss Hartheim eine Pflegeanstalt für geistig und mehrfach Behinderte aus Oberösterreich. Mit der Machtübernahme Hitlers und dem Anschluss Österreichs im Jahre 1938 an das Deutsche Reich wurde diese "Verwahrstelle" beschlagnahmt und in der Folge zu einem von reichsweit sechs sogenannten "T4 Tötungslagern" umgebaut.
Durch wissenschaftliche Theorien vorbereitet und vom Nationalsozialismus zum ideologischen Grundanliegen erklärt, sollten Rassenhygiene und Eugenik durch den ersten systematisch geplanten und staatlich durchgeführten Massenmord des NS-Regimes unter dem Begriff Euthanasie radikal verwirklicht werden.
Vor Ort erläuterte Martha Gammer vom Gedenk-Komitee die Geschichte und Entwicklung des Schlosses zum heutigen "Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim" ausführlich und eindrucksvoll. In der zweigeteilten Führung besichtigten die Teilnehmer zuerst die verschiedenen Themenräume, in denen die Dokumentation zur NS-Euthanasie museal aufgearbeitet wird. So wird unter anderem im Raum "Euthanasie-Anstalt Hartheim" durch Exponate belegt, dass hier die Durchführung und Verwaltung des Massenmordes an behinderten Personen ("Aktion T4") und später an missliebigen Häftlingen ("Sonderbehandlung 14f13") stattgefunden hat. Im Raum "Täter und Opfer" erfahren Besucher, dass von 1940 bis 1944 in der Tötungsanstalt Hartheim etwa 30000 Menschen ermordet wurden. Nur wenige Mitarbeiter der Vernichtungsmaschinerie wurden nach 1945 vor Gericht gestellt und verurteilt.
Nach der Mittagspause erklärte Martha Gammer den Ablauf des Tötungslagers. Die mit Bussen angelieferten Menschen wurden im Aufnahmebereich registriert und anschließend entkleidet, ehe sie in der Gaskammer mit Kohlenmonoxid ermordet wurden. Die Leichen wurden im Krematoriumsraum in zwei Öfen verbrannt. Die anfallende Asche und zerkleinerten Knochenreste wurden anfänglich in der nahen Donau versenkt, später auf Äckern verstreut.
An den Wänden des Arkaden-Innenhofes sind eine große Zahl an Gedenktafeln angebracht, darunter eine Gedenktafel, die an die hier ermordeten 248 Mitbewohner der Stiftung Ecksberg erinnert. re
ovb, 29.8.2013
Vizepräsidentin für Gedenkstätte
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) will sich für die Förderung einer Gedenkstätte für das ehemalige KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart einsetzen.
Mühldorf - Pau will mit einer Anfrage an die Bundesregierung das Augenmerk auf die Bedeutung des Lagers hinweisen - auch nachdem Kultus-Staatsminister Bernd Naumann in diesem Jahr die Förderung einer Gedenkstätte durch die Gedenkstättenstiftung des Bundes aufgrund von Zweifeln an dem Gedenkstättenkonzept abgelehnt hatte.
Josef Wagner vom Verein "Für das Erinnern - KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart" erläutert Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau die Geschichte des ehemaligen Dachauer KZ-Außenlagers. Foto Attenhauser
Die Bundestags-Vizepräsidentin hatte sich selbst am Montag ein Bild von der Bunkerruine und dem damit verbundenen Leid der Häftlinge gemacht. Josef Wagner vom Verein "Für das Erinnern - KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart" hatte vor Ort über die Geschichte informiert - auch mit dem Hinweis, dass die Nazis die Überlebensdauer tausender jüdischer Zwangsarbeiter beim Bau des Rüstungsbunkers mit etwa vier Wochen kalkuliert hätten.
Pau ist die bislang ranghöchste deutsche Bundespolitikerin, die das Gelände besucht hat. Auf den Hinweis Wagners, dass niemand derer, die den Förderantrag zur Errichtung einer Gedenkstätte abgelehnt haben, das Gelände gesehen habe, sagte Pau: "Ich würde gerne mal beim Ministerium nachfragen!" Pau fand das u.a. mit der Stiftung Bayerische Gedenkstätten entwickelte Gedenkstättenkonzept "nachvollziehbar". Wenn Orte wie das Massengrab, die Rüstungsruine und das Waldlager kenntlich seien, könnten kommende Generationen lernen. Pau sagte dies auch vor den Ergebnissen des NSU-Untersuchungsausschusses über die rechtsextremistische Mordserie.
Das Gedenkstättenkonzept sah die Sicherung und Gestaltung der Erinnerungsorte im Hart im Zusammenhang mit einem Museum in der Stadt Mühldorf vor. Der Bund sollte 1,6 Millionen Euro tragen, die Stiftung Bayerische Gedenkstätten hatte 1,2 Millionen Euro zugesagt, insgesamt 400000 Euro sollten von Stadt und Landkreis Mühldorf kommen.
Bei der Umsetzung einer Gedenkstätte im Mühldorfer Hart gelten sowohl die Verkehrssicherung des Bunkerbogens und des Geländes, in dem mitunter Kampfstoffe vermutet werden, als auch die Eigentumsverhältnisse im Wald als problematisch. rob
ovb, 3.9.2013
Unterstützung zugesagt
Mühldorf - Nach Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) hat jetzt auch der bayerische Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Heubisch (FDP) seine Unterstützung für die Errichtung einer Gedenkstätte für das ehemalige KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart angekündigt. Das erklärte Heubisch bei seinem Besuch am Bunkerbogen der ehemaligen Rüstungsbaustelle. "Ich bin bereit, mich entsprechend beim Bund einzubinden", sagte Heubisch.
Minister Heubisch war mit Landrat Georg Huber (CSU), Mettenheims Bürgermeister Stefan Schalk (CSU), stellvertretender Landrätin Eva Köhr (CSU), der FDP-Landtagskandidatin und Kreisvorsitzenden Sandra Bubendorfer-Licht und FDP-Kreisrat Max Oelmaier vor Ort. Köhr leitet im Landkreis Mühldorf eine Arbeitsgruppe, die mit der Umsetzung einer Gedenkstätte beschäftigt ist und deren Pläne beim Bund auf Ablehnung gestoßen sind.
Die Mühldorfer Museumsleiterin Dr. Susanne Abel erläuterte Heubisch die Geschichte des Dachauer KZ-Außenlagers mit seinen zahlreichen Außenstellen.
Landrat Georg Huber (CSU) sagte, die Umsetzung einer KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart solle nicht als Wahlkampfthema dienen. Dazu sei es "zu wichtig". rob
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Alt-Neuöttinger Anzeiger 8.10.2013
„Ich war ein Kind wie ihr heute“
Holocaust-Überlebender Leslie Schwartz zu Gast bei den M-W-Schulen
Zeitgeschichts-Unterricht in beeindruckender Form erlebten Realschülerinnen und Gymnasiasten der Altöttinger
Maria-Ward-Schulen beim Besuch des Holocaust-Überlebenden Leslie Schwartz (2.v.r.), im Bild zusammen
mit (v.l.) Dr. Erhard Bosch vom Verein „Für das Erinnern – KZ-Gedenkstätte Mühldorfer Hart“, Italienisch-
Lehrerin Eva Falchi und Realschulleiter Ulrich Anneser.
Altötting. Es ist mucksmäuschenstill in der bis auf den letzten Platz voll besetzten Pausenhalle der Maria-Ward-Schulen. Ein 83-Jähriger hat die Realschülerinnen in seinen Bann gezogen. Er berichtet in gebrochenem Deutsch,
wechselt ins Englische mit deutlich osteuropäischen Einschlag. Es geht um sein Leben, um seine Jugend, die er teils im KZ verbringen musste. Laszlo „Leslie“ Schwartz ist ein Überlebender der deutschen Nazi-Verbrechen an den Juden.
Seit 1946 lebt der gebürtige Ungar in den USA. Doch immer wieder kommt er nach Deutschland, vor allem in den Südosten Bayerns, denn hier spielte sich ein Teil seines Schicksals ab: Er war im KZ-Außenlager in Mühldorf interniert, überlebte den Todeszug vom April 1945, den er in einem Film mit Schülern eines Gymnasiums
2011 dokumentiert hat.
Nach Altötting vermittelt hat ihn Dr. Erhard Bosch vom Verein „Für das Erinnern“, der sich seit Jahrzehnten
für die Errichtung einer KZ-Gedenkstätte Mühldorfer Hart einsetzt. Ein Wiedersehen gibt es für Leslie Schwartz auch
mit MdB Stephan Mayer, den er „mein Freund“ nennt.
Nach der Vorführung des Films über den Todeszug haben die Schüler Gelegenheit, Fragen zu stellen. „Ich war ein Kind wie ihr heute“, sagt Schwartz: „Wenn ich vor Kindern erzähle oder lese, fühle ich mich wieder wie ein Kind.“
Der 83-Jährige ist freundlich, liebenswürdig, heiter; er lächelt viel. In seinen Worten schwingt kein Vorwurf, keine Verbitterung mit. Lediglich als die Frage nach seiner Familie kommt, erkennt man große Traurigkeit. Deren Leidensweg führte von Ungarn nach Auschwitz. Er selbst kam nach Dachau und in mehrere Außenlager.
Seine Mutter und seine Schwester sind in der baltischen See ertrunken.
Auch im Film gibt es eine Szene zu diesem Schicksalsschlag: In einem der Waggons, die zum Transport der KZ-Insassen verwendet wurden, sieht er den Ort, sich von den beiden zu verabschieden. Und beginnt zu weinen.
Wichtig ist Leslie Schwarz besonders ein Appell an die jungen Zuhörer: „Ich habe überlebt, um meine Geschichte zu erzählen. Jeder kann die Welt verändern – durch Menschlichkeit, Liebe und Wahrheit.“ Und er übt Kritik, dass
es in Mühldorf noch kein Denkmal gibt, keinen „Erinnerungsort“.
Für Realschulleiter Ulrich Anneser ist Schwartz’ Besuch bei den Maria-Ward-Schülern ein Beitrag zum Wachhalten der Geschichte und eine Mahnung, dass es nie mehr solche „Fehlentwicklungen“ geben dürfe wie in der verbrecherischen NS-Zeit. Nach den Realschülerinnen kam Leslie Schwartz auch noch mit Gymnasiasten zusammen.