Für das Erinnern
Seit Juni diesen Jahres haben Lehrer Josef Wagner und Tochter Claudia unter der Hilfe der Firma MedienLB an dem Lehrfilm "Erinnern oder Vergessen?" gearbeitet. Einen speziellen Auftrag gab es nicht. Die beiden schrieben in Eigenregie ein Drehbuch, das auf Erinnerungen und Erfahrungen von Zeitzeugen und bislang noch nie verwendetem Material der amerikanischen Armee basiert. "Wir wollen Schülern Anhaltspunkte liefern", sagt der Hauptschullehrer und Leiter des Medienzentrums, Josef Wagner, der den Film gemacht hat. Und Franz Langstein, Vorsitzender des Vereins für das Erinnern betont: "Einerseits, weil der Nationalsozialismus direkt vor unserer Haustür in den Lagern Mühldorfer Hart und Mittergars stattgefunden hat, andererseits weil es immer weniger Zeitzeugen gibt."
Der 30-minütige Film gibt einen Überblick über die Errichtung der Konzentrationslager im Raum Mühldorf. Tausende von Häftlingen arbeiteten dort von 1944 bis Ende des Zweiten Weltkriegs am Bau des Rüstungsbunkers im Mühldorfer Hart. Die Lager Mettenheim und Waldlager waren organisatorisch als Außenlager an das Stammlager Dachau angebunden. Schüler der Hauptschule Mühldorf eröffnen den Film in einer kurzen Szene am Bunkergelände. Sie erforschen den Ort und suchen nach Hinweisen, die Aufschluss über seine Geschichte geben können. Der Film ist durchzogen von Interviewausschnitten mit den beiden CSU-Politikern Staatssekretär Dr. Marcel Huber und Bundestagsmitglied Stephan Mayer.
Das erklärte Ziel war, einen Film zu machen, der für den Unterricht geeignet ist und den oft fehlenden regionalen Bezug herstellt. "Ich habe zwar bereits einen Film vor 20 Jahren gemacht, doch der war zu lang und technisch noch nicht so ausgereift. Auch der Zusammenschnitt im Jahr 1994 hat mich noch nicht zufrieden gestellt", sagt Wagner und spricht dabei von dem Videofilm "...mit 22 Jahren wollte man noch nicht sterben". Das Besondere an dem neuen Film ist die Zusammenarbeit mit einigen Schülern der Mühldorfer Hauptschule, die im Kreisarchiv, Kreisheimatmuseum und am Rüstungsbunker selbst zu sehen sind und durch den Film führen. Dazu kam es durch Wagners Tätigkeit als Lehrer an der Schule. "Ich kannte die Schüler aus dem Unterricht und wusste, dass sie dafür offen sind.
OVB Dez. 2007 cj
Waldkraiburg (hg) – Mit seinen lokal-geschichtlichen Forschungen über das KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart hat Peter Müller dazu beigetragen, dass die Opfer nicht vergessen wurden und ein Prozess der kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit im Landkreis in Gang kam. Jetzt wurde der Waldkraiburger mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
"Sie haben durch ihr Ehrenamt die Gesellschaft maßgeblich mitgestaltet", betonte Kultusminister Siegfried Schneider, als er im Namen von Bundespräsident Horst Köhler kürzlich in München fünf Bürgern das Bundesverdienstkreuz am Bande verlieh. Unter ihnen der 65-jährige Peter Müller, dessen gesellschaftlicher Beitrag in der Erinnerung an das dunkle Kapitel der deutschen Geschichte besteht. In den 7Oer Jahren beschäftigte sich der Gymnasiallehrer für Geschichte, Deutsch, Erdkunde und Ethik intensiv mit dem Nationalsozialismus im Landkreis Mühldorf und brachte Licht in ein bis dahin weitgehend verdrängtes Kapitel der Lokalgeschichte: das Außenlager des Konzentrationslagers Dachau im Mühldorfer Hart.
„Ein Auslöser dafür war der Film 'Holocaust'", erinnert sich Müller. Die US-amerikanische Serie über das Schicksal der deutsch jüdischen Familie Weiß in der Zeit der NS-Diktatur lief Ende der 7Oer Jahre im deutschen Fernsehen. Sie setzte eine neue breite öffentliche Diskussion um die braune Vergangenheit und den Holocaust in Gang. "Mich hat dieser Film interessiert und sehr berührt." Müller, der im Landkreis aufgewachsen ist, erinnerte sich an einen Wandertag, "bei dem unser Lehrer uns Reste des Lagers im Wald zeigte". Zur persönlichen Betroffenheit kam das Anliegen des Geschichtslehrers, den Schülern die Zeitgeschichte im Sinne des Wortes nahezubringen, "den Unterricht um den regionalen Bezug zu erweitern", wie der Waldkraiburger sagt.
Peter Müller machte sich an die Arbeit mit den Quellen, studierte Prozessakten, nahm Kontakt mit Archiven in Großbritannien und den USA auf, befragte Zeitzeugen, die über das Leben im KZ-Außenlager berichteten. Die Ergebnisse seiner zeitaufwendigen Forschungen veröffentlichte er Anfang der 8Oer Jahre in mehreren Aufsätzen und Beiträgen, unter anderem im "Mühlrad", das der Heimatbund Mühldorf herausgibt, und in einer eigenen Broschüre mit dem Titel "Das Bunkergelände im Mühldorfer Hart – Rüstungswahnsinn und menschliches Leid".
Auch in einer damals überregional viel beachteten Ausstellung im Kreisheimatmuseum im Lodronhaus in Mühldorf über das Dritte Reich im Landkreis brachte er seine Erkenntnisse ein. Erstmalig wurde damit die Geschichte der Dachauer Außenlager in einer Ausstellung dargestellt. In zahlreichen Führungen und Vorträgen brachte der Lehrer bis heute die grauenhaften Vorgänge Schülern wie Erwachsenen nahe. Soweit es seine Gesundheit zulässt, bringt er sich auch heute noch ein, etwa beim dritten Geschichtstag des Landkreises am 18. Oktober in Gars. Das Thema: Der Nationalsozialismus im Landkreis.
Als Müller mit seinen Recherchen begann, war die Beschäftigung mit dieser Zeit unter lokalhistorischen Gesichtspunkten ein Tabu, mindestens aber alles andere als selbstverständlich. "Natürlich hat es auch Gegnerschaft gegeben", sagt er. Die Zahl derjenigen, die ihn und sein Bemühen um die Erinnerung an die Opfer unterstützten, sei immer größer gewesen, angefangen vom Dienstvorgesetzten im Ruperti-Gymnasium über die Verantwortlichen beim Heimatbund bis hin zum Leiter des Kreisheimatmuseums, Dr. Spagl.
Mit seinem Beitrag hat Müller in den 8Oer Jahren im Landkreis einen Prozess angestoßen und gefördert, sich mit dem Thema Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Einige weitere Bürger und Initiativen verschrieben sich damals diesem Anliegen.
Müller nennt etwa die Arbeit des Lehrers Josef Wagner, der zusammen mit dem Schüler Rainer Ritzel einen Dokumentarfilm über die Häftlinge im Lager produzierte. Nicht zuletzt auch das Engagement des später unter Federführung des Kreisbildungswerks gegründeten Vereins "Für das Erinnern", der sich für den Erhalt des Bunkergeländes einsetzte.
Das Verdienstkreuz will der Waldkraiburger nicht nur als private Auszeichnung verstehen. Damit werde anerkannt, dass es wichtig und richtig ist, an diese Zeit zu erinnern, aus der Geschichte zu lernen und gegen jede Form von Extremismus aufklären.