Der ehemalige KZ-Häftling Giovanni Talleri hielt seine Erlebnisse in Zeichnungen fest, nun starb er im Alter von 87 Jahren
Mit dem Bleistift gegen die Erinnerung
01.02.10
Der italienische Künstler Giovanni Talleri ist tot. Wie jetzt bekannt wurde, starb er bereits am 20. Januar in Triest - genau eine Woche vor dem Holocaust-Gedenktag, an dem seine Ausstellung "Orizzonti limpidi di Libertà" (Klare Horizonte für die Freiheit) in dem Nationalmonument Risiera di San Sabba, dem einzigen nationalsozialistischen Lager in Italien, eröffnet wurde. Dort sind bis 30. Mai nun dennoch Bilder zu sehen, die Talleri auch in der Region bekannt gemacht haben.
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Es sind Bilder wie diese, die Giovanni Talleri zeitlebens nicht mehr los ließen. Foto re
Denn der Italiener war von August 1944 bis März 1945 sieben Monate lang Häftling im KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart, dann wurde er ins Lager Strub verlegt, wo ihm schließlich die Flucht gelang. Zurückgekehrt in seine Heimatstadt Triest, begann Tallerie damals, seine Erinnerungen zu zeichnen, Bilder zu malen von den schrecklichen Erfahrungen, die er nicht mehr los wurde.
Die Zeichnungen seiner Gefangenschaft ließ er lange in der Schublade. Auch in seiner Monografie, die 1968 veröffentlicht wurde, wurden die Erlebnisse im Mühldorfer Hart nicht erwähnt. Erst nach einer langen Pause fing der Italiener 1988 wieder an, Bilder über die Deportation zu malen, 2002 stellte er sie zum ersten Mal aus.
Die Bleistiftzeichnungen zeigen keine Menschen, eher grausige Masken von Lebewesen. Talleri hielt Gesichter, Gesten und Körperhaltungen in leidenden Ikonen fest, Schrecken und Angst spiegeln sich in den leeren Gesichtern. Zu sehen waren die Bilder auch einmal im Mühldorfer Haberkasten - auf Einladung des Vereins "Für das Erinnern", der stets engen Kontakt zu dem Italiener hielt.
"Giovanni Talleri war nicht nur eine hochbegabte Persönlichkeit, der seine Gedanken in Worten, Schriften und Bildern ausdrücken konnte. Er nahm uns und den Verein für das Erinnern bei unseren Besuchen in Triest stets sehr herzlich auf und wollte zusammen mit uns und dem Kreisheimatmuseum Mühldorf eine Ausstellung seiner Werke in Mühldorf machen", erklärt der Zweite Vorsitzende, Dr. Erhard Bosch. "In seinen meist sehr launigen Ansprachen bezeichnete er uns als seine Freunde. Wir haben damit nicht nur einen Augenzeugen, sondern auch einen Freund verloren."
Giovanni Talleri wurde 87 Jahre alt.
"Wir waren Wesen im Halbschlaf"
Mühldorf - János Gosztonyi hat lange nicht über seine Erlebnisse im KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart gesprochen. "Es hat mich einfach niemand gefragt", sagt der 84-Jährige. Jetzt war der Ungar zum ersten Mal seit 1945 wieder hier, Schüler des Ruperti-Gymnasiums und der Hauptschule Mühldorf haben ihn interviewt.
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Weil er Jude ist, wurde János Gosztonyi im Oktober 1944 deportiert. "Es gab Gerüchte über Vernichtungslager", sagt er heute. "Aber daran geglaubt haben wir nicht. Wir waren doch so jung, so dumm, so naiv."
Ein Zufall hat János Gosztonyi und die Schüler an diesem Vormittag zusammen gebracht, in Raum 054 im Ruperti-Gymnasium Mühldorf. "Zeitzeugen gesucht" hieß der Aufruf in einem Radiobeitrag des Bayerischen Rundfunks, in dem es um die Audio-Guides ging, die Gymnasiasten und Hauptschüler zusammen erstellen (wir berichteten). Gehört hatte die Meldung ein ungarischer Verleger, ein Freund Gosztonyis, der schließlich den Kontakt zu den Lehrkräften Alfred Rieder, Elke Schott und Josef Wagner herstellte.
Ein paar Wochen später sitzt der 84-Jährige nun tatsächlich hier und wühlt - vor einer Reihe von Mikrofonen- in seinen Erinnerungen. Zum ersten Mal ist er wieder in der Nähe des Mühldorfer Hart, den er vor bald 65 Jahren als gebrochener Mann verlassen hatte.
Frei heraus erzählt er, was ihm in den Sinn kommt, zurückhaltend und ohne erhobenen Zeigefinger. Der ungarische Akzent bremst ihn ein wenig, immer wieder sucht er nach den passenden Ausdrücken und entschuldigt sich höflich für "mein schwaches Deutsch".
Im Oktober 1944 deportiert
János Gosztonyi fehlt die Erzähl-Routine eines Max Mannheimer, der sich längst daran gewöhnt hat, dass ihm die Menschen an den Lippen hängen. Doch genau das macht diesen Vormittag so besonders, auch wenn den Erinnerungen manchmal die Struktur fehlt, auch wenn nicht immer gleich die Antwort auf die Frage kommt, auch wenn sich der 84-Jährige ab und zu wiederholt.
Doch es lohnt sich hinzuhören, was János Gosztonyi berichtet. Denn seine Geschichte ist ein weiterer Mosaikstein, bringt manches Detail ans Licht, stellt anderes in Frage. Den Ablauf am Tag des Abzugs aus dem Waldlager zum Beispiel: János Gosztonyi erzählt, dass er die Wahl hatte, zu bleiben oder in den Zug zu steigen. "Ich hatte Angst, dass sie das Lager niederbrennen. Also habe ich mich für den Zug entschieden."
Zwei Tage später wurde er in Tutzing von den Amerikanern befreit, das Ende der schrecklichen Irrfahrt hat sich bis heute in sein Gedächtnis eingebrannt. "Ich stand in dem offenen Wagon, inmitten von toten Häftlingen. Hinter mir haben die Amerikaner deutsche Soldaten erschossen, vor mir ging es eine Böschung hinab. Doch ich war einfach zu schwach, um aus dem Zug zu steigen." 35 Kilogramm wog der Ungar noch. Die erste Suppe, das erste Bad: János Gosztonyi schmunzelt, als er sich daran erinnert. Dann zittert seine Stimme, als er über die Heimkehr spricht, über die erste Begegnung mit seiner Mutter am 12. August 1945.
Im August 1945 zurückgekehrt
Die Schüler fragen nach, wollen wissen, wer denn im Lager die Leichen eingesammelt hat, hören von dem "Todesengel", der mit dem Ochsenkarren zuletzt am Krankenzelt Halt machte: "Diese Leichen hatten am wenigsten Gewicht. Die konnte er am leichtesten auf die anderen werfen." Wie es denn mit Freundschaften unter den Häftlingen stand? "Die gab es nicht", sagt János Gosztonyi. "Jeder kämpfte für sich ums Überleben. Wir waren total entfremdet, waren keine Tiere, keine Maschinen, sondern Wesen im Halbschlaf."
Welches Verhältnis er zum Tod bekommen habe? "Man gewöhnte sich daran. Und nach ein paar Wochen waren wir Sachverständige in der Frage, wie lange jemand noch überleben wird." Immer wieder gehen die Finger der Schüler nach oben: Ob er ständig an Flucht gedacht habe? Wie der Tagesablauf aussah? Was es zu Essen gab? Und was aus ihm geworden sei?
Karriere als Autor und Schauspieler
János Gosztonyi ging nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an die königliche Theaterakademie in Budapest und wurde erfolgreicher Schauspieler, Regisseur und Autor. Viele seiner Hörspiele wurden auch ins Deutsche übersetzt, der letzter Roman "Sackpapiere" trägt stark autobiographische Züge und beschreibt die Zeit im Außenlager Mühldorf. "Gleich nach dem Krieg habe ich zum ersten Mal meine Erlebnisse aufgeschrieben. Immer wieder habe ich das seitdem getan. Und nun sind sie veröffentlicht." Erste Gespräche mit Übersetzern und deutschen Buchverlagen laufen bereits.
Drei Tage bleibt János Gosztonyi in der Region, das Bunkergelände oder ehemalige Waldlager wird er nicht besuchen. "Ich muss das nicht mehr sehen", sagt er. "Mir reichen meine Erinnerungen." ha/Mühldorfer Anzeiger
ovb 24.3.2010
Von der Kraft zu überleben
Mühldorf/Las Vegas - Heute vor 65 Jahren kletterte KZ-Häftling Stephen Nasser in den Todeszug aus dem Bunkergelände im Mühldorfer Hart: völllig erschöpft, 30 Kilogramm leicht und gerade einmal 14 Jahre alt. Seine Erinnerungen hat der gebürtige Ungar vor sieben Jahren aufgeschrieben und in Amerika als Buch veröffentlicht. Nun hat sie ein ehemaliger Englischlehrer ins Deutsche übersetzt.
Die Erinnerung an seinen Bruder hielt ihn am Leben: Stephen Nasser.
Lange hat Stephen Nasser gewartet, um sich seine Erinnerungen von der Seele zu schreiben, über ein halbes Jahrhundert lang. Herausgekommen ist "My Brother's Voice", die Geschichte eines ungarischen Jungen, der im Außenlager Mühldorf den Holocaust überlebt hat: mit Mut, Glück und einem unglaublichen Lebenswillen.
Der pensionierte Englischlehrer Heinz Bickert hat das Buch zufällig in die Finger bekommen, als er 2004 in Amerika Freunde besucht hat. Über sie lernte der Hesse den Autor kennen, war beeindruckt von seinen Erzählungen, von den Gesprächen über Versöhnung und von der Biographie dieses Mannes, die in Budapest ihren Anfang nimmt.
Dort wächst Stephen Nasser als jüngstes Kind einer jüdischen Familie auf, die seit Generationen ein Juweliergeschäft besitzt und ein privilegiertes Leben führt. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen im Frühjahr 1944 ändert sich die Lage für die Menschen dramatisch - besonders für die jüdische Bevölkerung.
Nach einem kurzen Aufenthalt im neu errichteten Ghetto und einer Munitionsfabrik wird die Familie nach Auschwitz deportiert - und dort getrennt. Stephen und seinem drei Jahre älteren Bruder Andris gelingt es, sich unbemerkt einer Arbeitskolonne für das Außenlager Mühldorf anzuschließen.
Eindringlich schildert er von seinen Erlebnissen im Mühldorfer Hart, von dem unmenschlichen Arbeitseinsatz an der Bunkerbaustelle und den katastrophalen Bediningen im Lager. Die Mangelernährung sowie die Misshandlungen durch das Lagerpersonal führen dazu, dass beide schnell an Kräften verlieren. Schließlich stirbt Andris in den Armen seines jüngeren Bruders.
Die Erinnerung an ihn gibt Stephen die Kraft und Entschlossenheit auch allein nicht aufzugeben. So landet der 14-Jährige schwer gezeichnet in einem Viehwaggon - heute vor 65 Jahren. Am 30. April 1945 wird er von amerikanischen Soldaten befreit, im Krankenhaus in Seeshaupt kämpft der Junge tagelang gegen Typhus und Lungenentzündung - und überlebt.
13000-mal wurde "My Brother's Voice" in Amerika verkauft, nun sucht Heinz Bickert, der das Buch in Eigenregie übersetzt hat, auch in Deutschland einen Verlag. "Vielleicht gelingt es uns ja die Geschichte über den Heimatbund zu veröffentlichen", erklärt Vorsitzender Dr. Reinhard Wanka. "Schließlich würde das Thema genau in die Reihe unserer Publikationen passen." Darüber hinaus würde die Sicht eines 14-jährigen Häftlings das Buch für die Schulen interessant machen. Erste Kontakte zwischen Heimatbund, Übersetzer und Autor sollen in den nächsten Wochen geknüpft werden.
Wie das Leben von Stephen Nasser weitergeht? Nachdem er aus dem Lazarett entlassen wird, macht er sich auf den Heimweg durch die russische Zone nach Budapest, getrieben von der Hoffnung, seine Mutter wieder zu finden. Die Wohnung seines Onkel und Tante, die den Holocaust in einem der so genannten Schwedenhäuser überlebt haben, wird sein neues Zuhause. Stephen besucht wieder seine alte Schule, lernt seine erste große Liebe kennen - und erfährt vom Tod seiner Mutter in Bergen-Belsen.
1948 verlässt er Budapest, um zunächst in Kanada, später in den Vereinigten Staaten ein neues Leben zu beginnen. Stephen Nasser eröffnet ein Lokal, verkauft Versicherungen, arbeitet als Innenarchitekt. Er gründet eine Familie, wird Vater von zwei Kindern und lebt heute mit seiner zweiten Frau in Las Vegas.
In seinem Buch geht es nicht um Mitleid oder Vergeltung, nicht um Rache oder Hass. Stephen Nasser geht es um Wahrheit und Erinnerung. "Denn diejenigen, die die Geschichte vergessen, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen", schreibt er in seinem Vorwort. "Begeht keine Fehler: Der Holocaust ist Geschichte. Ich weiß es. Denn ich war dabei."
ha/Mühldorfer Anzeiger
Der Holocaust hat versagt
Gedenkfeier 28.4.2010
Mühldorf - Gemeinsam mit Gästen aus Ungarn erinnerten etwa 100 Menschen aus der Region an die Auflösung des KZ-Außenlagers im Mühldorfer Hart. Dr. Lászl Harsányi, Direktor des Holocaust Memorial Center in Budapest, machte aus dem Gedenken einen Tag der Zuversicht.
80 Prozent der Opfer des KZ-Außenlagers im Mühldorfer Hart waren ungarische Juden: 2384, junge Männer zumeist, viele jünger als 30 Jahre, 303 waren noch keine 20 Jahre alt, als sie in der Rüstungsfabrik Weingut durch Arbeit ermordet wurden. Dass sie heute mehr als eine Nummer sind, schrieb Direktor Harsányi bei seiner Rede während der Gedenkfeier den Aktivitäten in der Region, vor allem dem Verein "Für das Erinnern" zu: "Sie machen nicht nur den Ort sichtbar, sondern die Opfer wieder zu Personen, an die man sich als Mensch erinnern kann und nicht nur als Zahlen in einer Kette." Das gemeinsame Gedenken von Deutschen und Ungarn habe eine wichtige Botschaft, sagte Harsányi, Sohn von KZ-Opfer: "Der Holocaust hat versagt, denn wir haben einen Weg zueinander gefunden." Nicht nur das Leid sei gemeinsames Leid geworden: "Wir haben auch eine gemeinsame Zukunft."
Die Gedenkfeier, zu der der Verein seit 2000 einlädt, zeigte sichtbar, dass - anders als vor elf Jahren - inzwischen auch politische Entscheidungsträger hinter der Einrichtung einer Gedenkstätte stehen. Stellvertretende Landrätin Eva Köhr sprach von der Aufgabe des Landkreises, den Ort der "Erinnerung an unvorstellbares Leid" zu erhalten, Kultusstaatssekretär Dr. Marcel Huber versprach: "Wir nehmen jede Möglichkeit der Entwicklung dieses Ortes wahr." Er schränkte aber ein: "Dieser Auftrag ist noch nicht in dem Maße umgesetzt, wie ich es mir vorstelle." Er kündigte ein Gespräch mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums im Juni an, um die noch immer ungeklärten Eigentumsfragen und das Problem der Übertragung des Geländes an die bayerische Gedenkstättenstiftung zu diskutieren. "Wir wollen die spürbare Zurückhaltung des Bundes überwinden."
Dass die Erinnerung an die NS-Gräuel nicht allein Aufgabe von Erwachsenen ist, machte Zehntklässlerin Dagmar Huber deutlich. Seit Monaten beschäftigen sich Schüler des Ruperti-Gymnasiums und der Hauptschule mit der Erstellung von sogenannten Audioguides, die Besucher durch Waldlager, Bunkergelände und ehemaliges Massengrab führen sollen. Marion Glück-Levi, Vorsitzende der "Stiftung Zuhören", die die Produktion der Hörführer zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk begleitet, würdigte die Arbeit der Schüler. Es sei schwierig, nach so langer Zeit das Geschehen zu begreifen. Die Audioguides seien aber ein gutes Mittel, Jugendliche zum Hinhören zu bewegen. "Auch zum Hinhören auf sich selbst, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen." Nur so sei zu erreichen, dass eine Gewaltherrschaft und ihre Methoden "nie wieder gesellschaftlicher Konsens" würden.
Am Vormittag empfing Mühldorfs Bürgermeister Günther Knoblauch im Rathaus die Delegation des ungarischen Holocaust Memorial Center. Auch Knoblauch bekannte sich zur Aufgabe, das Bunkergelände zu gestalten: "Unser Ziel ist eine Gedenkstätte, um das Geschehene aufzuarbeiten. Zum einen um die Verbindung mit den Opfern aufrechtzuerhalten, zum anderen um den jungen Menschen zu zeigen, dass Vergangenheit das eine und Zukunft das andere ist." ha/hon/Mühldorfer Anzeiger
Hörführer fürs Bunkergelände
24.06.10
Mühldorf - 35 Schüler des Ruperti-Gymnasiums und der Hauptschule Mühldorf haben jetzt beim Bayerischen Rundfunk Geräusche, O-Töne und eigene Texte aufgenommen: Die Hörführer durch das ehemalige KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart sind damit fertig und bald einsatzfähig.
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Im professionellen Studio gab es professionelle Tipps: BR-Projektbetreuerin Elke Dillmann riet den Schülerinnen Veronika Sonntag, Elisabeth Günther, Corinna Huber (von links) ihre Texte im Stehen einzusprechen.
Bunkerbau, Massengräber, Lager Mettenheim, KZ-Friedhof, Kiesentnahmetunnel, Alltag der KZ-Häftlinge, Bunkerbogen, Befreiung und Sprengung - das sind die Titel der je fünfminütigen Tonbänder, die die Schüler des Gymnasiums und der Hauptschule Mühldorf jetzt beim Bayerischen Rundfunk aufgenommen haben. Sie sind als sogenannter Podcast erhältlich und können Interessierte mit einem MP3-Spieler durch das Bunkergelände führen.
Die eigentliche Arbeit aber haben die Schüler vor den Aufnahmen in den vergangenen Monaten geleistet, berichten Florian Schmidt, Simon Roth, Laura von Stetten und Veronika Selmaier aus der 10a des Ruperti-Gymnasiums stellvertretend für alle beteiligten Schüler. Die Jugendlichen mussten recherchieren, Zeitzeugen finden und interviewen, am Bunkergelände Eindrücke und Geräusche sammeln, und das Skript ausarbeiten. "Die meisten von uns haben vorher nicht genau gewusst, was hier im kleinen Mühldorf passiert ist", sagt Florian Schmidt, "vor allem die Dimensionen und das Ausmaß konnten wir uns nicht vorstellen." Und damit waren die Schüler nicht allein. Bei einer Umfrage in der Stadt mussten die neun beteiligten Hauptschüler erfahren, dass viele Mühldorfer keine Vorstellung haben, was während des Krieges vor den Stadttoren passiert ist.
Und so haben die Schüler gerne ihre Zeit investiert - auch nachmittags. Vor allem das Schneiden der O-Töne und Geräusche mit einem eigenen Computer-Programm habe viel Zeit in Anspruch genommen, erzählt Laura von Stetten. "Geschichtsunterricht ist nur Theorie, nicht greifbar", sagt Veronika Selmaier, "bei dem Projekt waren wir wirklich draußen, haben Menschen zu den Geschichten kennengelernt und können uns jetzt vorstellen, was abgelaufen ist."
Die ehemaligen KZ-Häftlinge Max Mannheimer und Janos Gosztonyi kamen nach Mühldorf um den Schülern von ihrer Zeit im Lager zu berichten. "Das war sehr emotional", sagt Veronika von Stetten. "Dabei haben wir gelernt, wie gut es uns eigentlich geht", fügt Florian Schmidt hinzu. Und wie viele Meinungsverschiedenheiten es zum Lager noch immer gebe, meint Simon Roth: "Viele Leute wollen einfach nichts mehr davon wissen, die Vergangenheit interessiert sie nicht mehr, andere wollen aufmerksam machen", erzählt er.
Dabei geht es bei dem Projekt des Kultusministeriums, der Stiftung Zuhören und des Bayerischen Rundfunks nicht darum, nur in der Vergangenheit zu wühlen: "Wir wollen, dass der Audioguide zur Aufklärung beiträgt", fasst Simon zusammen, natürlich sei das Geschehene abstoßend, ein Grund mehr sich zu engagieren: "Damit so etwas nie wieder passiert." Er sei auf viele Menschen gestoßen, die glauben, dass so etwas ohnehin nicht mehr passieren könne, erzählt er: "Das ist eigentlich schon eine Gefahr."
Deshalb ist den Schülern jetzt am wichtigsten, dass ihre Audioguides auch angenommen und genutzt werden.
Nach einer gemeinsamen Abschlussfeier der Initiatoren, Träger und Schüler im Juli sollen die Podcasts auf der Internetseite des Bayerischen Rundfunks zum Herunterladen bereitstehen, sagt Lehrer Alfred Rieder, der die Schüler des Ruperti-Gymnasiums betreute. So kann sie jeder auf dem Mp3-Player mit zum Bunkergelände nehmen. Zudem werden im Mühldorfer Hart Stelen aufgestellt, an denen die Tonbänder abgespielt werden können. "Wir können in Zukunft sagen, wir haben die Podcasts gemacht," fasst Simon Roth zusammen: "Für uns ist das Projekt unvergesslich".
nl/Mühldorfer Anzeiger
Bilder, stärker als im Kino
06.07.10
Die Erinnerungen an die NS-Zeit verblassen. Wider das Vergessen haben Schüler des Ruperti-Gymnasiums und der Hauptschule Mühldorf Hörstücke aufgenommen, die Besucher durch das ehemalige KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart führen. Am Montag stellten sie die Beiträge beim Bayerischen Rundfunk in München vor.
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Im Interview: Mühldorfer Schüler berichten beim Bayerischen Rundfunk über ihre Arbeit an Hörstücken durch das Bunkergelände.
München/Mühldorf - Im Herbst haben die Schüler damit begonnen, sich vor Ort ein Bild zu machen, Daten zu recherchieren und Interviews mit Zeitzeugen zu führen. "Das KZ-Außenlager ist ein komplexes Gelände mit einer schweren Vergangenheit. Dies verlangt eine Erklärung, die sich nicht auf Schautafeln umsetzen lässt", sagte Werner Karg von der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Die Tonbänder zeigen einen Weg durch die Gedenkstätte.
Geholfen bei der Umsetzung hat den Schülern Elke Dillmann vom Bayerischen Rundfunk. Entstanden sind drei große Themenblöcke, mit denen sich die Schüler auseinandergesetzt haben: Bau des Bunkers, das Lagerleben sowie das Massengrab und die Erinnerung. Mit Musik, eigens ausgedachten Szenen und Geräuschen setzen die Schüler in ihren Beiträgen Akzente, ziehen den Zuhörer in die Geschichte hinein, lassen Bilder im Kopf entstehen.
Dies lobte auch Staatssekretär Dr. Marcel Huber: "Die Schüler haben sich authentisch dem Thema angenähert und tragen somit zu einer Sensibilisierung der Geschichte bei." Dies bestätigte auch Mercedes Riederer, Chefredakteurin beim Bayerischen Rundfunk: "Auch wenn noch keine Zeitzeugen zu Wort kommen, entstehen bereits durch die Musik, den Text und die Atmosphäre Bilder im Kopf, die stärker sind als es Kino oder Fernsehen vermitteln kann." Fast den letzten Augenblick hätten die Schüler genutzt. Denn noch bestehe die Chance, mit Zeitzeugen zu sprechen.
Das Projekt der Stiftung Zuhören des Bayerischen Rundfunks und der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit will das Bewusstsein an diesem Thema stärken. In Zusammenarbeit mit Schulen entstehen für mehrere Gedenkstätten Hörstücke. Die Schüler sind von Beginn an in den Prozess miteingebunden, entwickeln Themen und recherchieren. "Das Interesse ist groß und das überträgt sich auf die Motivation. Auf diese Weise entstehen Entdeckungsreisen, denen man sich sonst nicht nähert", erklärte Marion Glück-Levi von der Stiftung Zuhören.
Mit den Hörführern bringen die Schüler die Geschehnisse vor den Stadttoren Mühldorfs wieder in Erinnerung. Denn oft fehlte schon in der Nachkriegszeit den Menschen der Bezug zum Bunkergelände im Mühldorfer Hart. "Nach einem solchen Trauma haben viele das Thema zurückgedrängt. Damit so etwas nicht noch einmal passiert, muss jeder seinen Teil dazu beitragen", sagte Marcel Huber. Selbst Mercedes Riederer, die aus dem Landkreis Rottal-Inn stammt, hatte lange Zeit keine Ahnung, was in Mühldorf passiert sei: "Die Schüler dienen als Anstoß dazu, im Kopf zu behalten, wie wichtig die Geschichte ist und diese auch im Hinterkopf zu behalten."
hi/Mühldorfer Anzeiger
Bund zu Verhandlungen bereit
14.07.10
Zum ersten Mal besuchte ein hochrangiger Vertreter der Bundesregierung das Bunkergelände im Mühldorfer Hart. Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk machte sich vor Ort ein Bild des ehemaligen KZ-Außenlagers und einigte sich mit Kultusstaatssekretär Dr. Marcel Huber auf das weitere Vorgehen.
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Endlich waren alle Beteiligten gemeinsam vor Ort: Im Schatten des letzten Bunkerbogens besprachen sich Abgeordneter Mayer, Bundesfinanzstaatssekretär Hartmut Koschyk, die Leiterin der Gedenkstätte Dachau, Dr. Gabriele Hammermann, Stiftungsdirektor Karl Freller und Kultusstaatssekretär Huber (von links).
Mühldorf - Huber formulierte am Ende der Besichtigung die nächsten Schritte. Klar wurde dabei: Es herrscht Übereinstimmung darüber, dass es ausreichend ist, den siebten, noch stehenden Bunkerbogen mit einem Zaun zu sichern und als Gedenkort zu gestalten. Der Rest des weitläufigen, mehrere tausend Quadratmeter großen Geländes soll unter anderem dadurch erhalten und gesichert werden, indem man es zuschüttet.
Dieser Lösung, von Kultusstaatssekretär Huber vorgeschlagen, stimmte auch Franz Langstein vom Verein "Für das Erinnern" zu: "Für die Überlebenden und ihre Angehörigen ist der Gedenkort hier am Bunkerbogen. Diese Trümmer sind der Punkt, wo das Leid am stärksten spürbar wird." Damit machte Langstein zum einen klar, dass der Bunkerbogen als Hauptort nicht zur Disposition stehe; zugleich zeigte er, dass auch die Ehrenamtlichen im Verein mit einer Einzäunung leben könnten.
Ein eindeutiges Bekenntnis gab auch Bundesfinanzstaatssekretär Koschyk ab: "Jenseits aller Zahlen sind wir in einer gesellschaftlichen Verantwortung", sagte er. "Wir stehen in der Pflicht authentische Gedenkorte zu erhalten." Trotzdem spielen Zahlen eine entscheidende Rolle. Denn Grundlage eines Gedenkorts am Bunkerbogen ist unter anderem die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht an den Freistaat.
Wie Koschyk, betonte auch Bayerns Regierungsmitglied Huber, dass Bayern der Verhandlungspartner des Bundes sei, nicht die Gedenkstättenstiftung. Damit nahm er den Freistaat in die Verantwortung an einer Lösung mitzuwirken. Denn die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht ist mit Risiken und Kosten verbunden. Deshalb erwartet Bayern, dass der Bund zahlt.
Koschyk erklärte sich grundsätzlich dazu bereit, betonte aber: "Über Zahlen rede ich heute nicht." Das sei erst in Verhandlungen möglich, wenn die grundlegenden Fragen geklärt seien. Trotzdem sagte Koschyk, sobald auf bayerischer Seite die Grundsatzfragen geklärt seien, werde sich der Bund "nicht für wenig Geld" aus der Verantwortung stehlen. Das betonte auch Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer (CSU), auf dessen Einladung Koschyk nach Mühldorf gekommen ist. "Der Staatssekretär hat gesagt, dass es am Euro nicht scheitern wird."
Huber wertete die Aussagen Koschyks als "Signal des Bundes, in Verhandlungen mit dem Freistaat einzutreten". Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Denkmalamt, Bauverwaltung, der Gedenkstättenstiftung und des Landratsamts müsse unter Federführung des Kultusministeriums "die Voraussetzungen schaffen, um vernünftig verhandeln zu können", sagte er auf Nachfrage. Einen Zeitplan festzulegen sei nicht möglich, ein nächstes Treffen im Kulturministerium soll im Herbst stattfinden.
Die Gestaltung des Waldlagers, in dem es bereits eine Informationsplattform gibt, des ehemaligen Massengrabes und einer Informationsausstellung im Kreismuseum waren kein Thema.
hon
OVB, 9.10.2010
Häftling Nummer 71253
Mühldorf. Leslie Schwartz hat den Holocaust überlebt. Zum ersten Mal nach 65 Jahren besuchte er jetzt das ehemalige KZ-Außenlager Mittergars, in dem der Häftling mit der Nummer 71253 untergebracht war. Zuvor stellte er sich im Ruperti-Gymnasium Mühldorf den Fragen der Schüler.
Mühldorf - "That's my kurze Geschichte", sagt Leslie Schwartz am Ende seines Vortrags - und lächelt. Für einen kurzen Moment ist es unglaublich still im großen Hörsaal des Ruperti-Gymnasiums, der auf den ersten Blick denkbar ungeeignet scheint für ein Zeitzeugengespräch. Irgendwie ist hier alles zu groß, zu wenig intim, um über das Leben, den Tod und die Grausamkeit der Menschen zu sprechen. Doch der 80-Jährige hatte die Distanz zu den Schülern schon nach ein paar Sätzen überwunden, auch wenn nicht jedes seiner englischen Worte in der letzten Reihe ankommt.
Die Zwölftklässler wissen Bescheid über die Fakten, im Lehrplan des letzten Jahres stand das Thema Holocaust ganz oben. Und so fragen die Jugendlichen nicht nach Daten oder Namen, sondern nach Gefühlen und Gedanken - und nach dem Neuanfang. "Good has be good to me", meint Leslie Schwartz im Rückblick auf sein zweites Leben, das 1946 in Amerika begann. Dort leitete er eine Druckerei, heiratete, wurde Vater eines Sohnes.
1971 kehrte Schwartz zum ersten Mal nach Deutschland zurück, heute lebt er abwechselnd in New York und Münster, der Heimat seiner Frau. Vielleicht ist es nur ein Zufall, dass sich Leslie Schwartz in Amerika ausgerechnet in eine Deutsche verliebt hat, vielleicht war es aber auch ein Fingerzeig, dass Versöhnung manchmal einfach so passiert: fern der Fragen nach Schuld und Vergeltung.
"Ich glaube, es war Schicksal, dass ich überlebt habe", meint Leslie Schwartz. "Auch um heute hier zu sein." Und so erzählt der Ungar von seinem ersten Leben - ohne Hass und ohne erhobenen Zeigefinger.
Laszlo Schwarc, wie er damals hieß, kam in einem kleinen ungarischen Dorf zur Welt. Mit Eltern, Geschwistern und Verwandten zog er im April 1944 in ein Ghetto, ehe die SS die Juden in Viehwaggons nach Auschwitz karrte. An der Rampe musste sich der Junge entscheiden. "Ich wusste nicht, in welche Reihe ich mich stellen soll. Zu meiner Mutter? Zu den anderen Kindern? Oder doch zu den Männern?" Lagerarzt Josef Mengele fragte ihn bei der Selektion nach seinem Alter. "17", log der kleine Laszlo und landete schließlich in einem Zug, der Häftlinge zur Zwangsarbeit nach Dachau brachte. Erst schuftete Schwarc in der Motorenfabrik von BMW in Allach, dann wurde er nach Mittergars verlegt.
Völlig ausgehungert pferchte ihn die SS in den letzten Kriegstagen zu den anderen Häftlingen in den Todeszug nach Tutzing. In Poing kommt Laszlo für eine Stunde frei, als ihn die Wachen erneut schnappen, trifft ihn eine Kugel und durchschlägt sein Kiefer. Mit letzter Kraft schleppt er sich zurück in den Zug - und wird zwei Tage später von den Amerikanern befreit. Laszlo erkrankt an Flecktyphus, kämpft im Krankenbett noch einmal ums Überleben. Ausgerechnet ein ehemaliger SS-Arzt operierte ihn später am Kiefer.
Ohne Unterbrechung lassen die Schüler die große Pause vorübergehen, fragen weiter. Unter anderem danach, wie das Verhältnis der Häftlinge untereinander war. "Es gab keine Gefühle", sagt Leslie Schwartz. "Wenn einer neben mir starb, war ich froh, dass ich seine Schuhe haben konnte."
Seine Erlebnisse hat er als Buch veröffentlicht (siehe Infokasten). Nun sei es für ihn psychologisch wichtig, die Orte zu besuchen, die er einst überlebt hat. Und darüber zu reden.
Am 4. Juli hat er auf seiner Lese- und Vortrags-Tour Max Mannheimer getroffen. Gemeinsam haben sich die beiden Überlebenden des Holocaust am Abend das WM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Argentinien angeschaut - und gemeinsam gejubelt, als die Tore für die Deutschen fielen. "Wir saßen da wie zwei kleine Jungs", lächelt Leslie Schwartz. "Und es war fast so, als hätte ich ein kleines Stückchen meiner Kindheit zurückbekommen." ha
© OVB, 09.10.10
Nach 65 Jahren war Leslie Schwartz erstmals wieder im ehemaligen Lager in Mittergars. Der Verein "Für das Erinnern" um den Zweiten Vorsitzenden Erhard Bosch (im Hintergrund) hatte die Rückkehr organisiert. Foto Günster
PNP 15.10.2010
Gegen das Vergessen
Ehemaliger KZ-Häftling Leslie Schwartz spricht über seine schrecklichen Erlebnisse
Mühldorf. Er begab sich für ein paar Tage auf Spurensuche: Nach 65 Jahren besuchte der ehemalige KZ-Häftling Leslie Schwartz erstmals wieder Mühldorf und die Reste des KZ-Lagers Mittergars. Auf Einladung des Vereins „Für das Erinnern“ sprach er auch vor Schülern des Ruperti-Gymnasiums Mühldorf und zog sie mit seiner Geschichte schnell in den Bann.
1930 als ungarischer Jude geboren hatte er anfangs eine schöne Kindheit, doch dann begann die Judenverfolgung. Er wurde mit seiner Familie nach Auschwitz transportiert. Als 14-Jähriger kam er in das Kinderlager und sah seine Mutter und Schwestern nie wieder. Nach einer kurzen Zwischenstation im KZ Dachau ging es für ihn nach Allach bei Karlsfeld. Dort musste er Schwerstarbeit verrichten. Dann wurde er ins Außenlager Mittergars verlegt. Am 26. April 1945 wurde das Lager aufgelöst und die Insassen in Mettenheim in den Todeszug getrieben. In Poing stoppte der Zug und die Häftlinge durften diesen irrtümlich verlassen. Auf einem Bauernhof bekam Schwartz ein Glas Milch und ein Butterbrot - und überlebte dadurch. Soldaten trieben die Häftlinge aber zurück in den Zug, dabei gab es Tote und Verwundete. Schwartz selbst erhielt einen Durchschuss im Nacken und Austritt im Kiefer. Letztlich wurde er in Tutzing von den Amerikanern befreit. Er wanderte 1946 nach Amerika aus.
Er besuchte auch noch die Reste des KZ-Lagers Mittergars. Tief bewegt erzählte er von Leben und Arbeiten im Lager. Am Bahnhof in Jettenbach, der sich praktisch nicht verändert hat, musste er an einem Ausweichgleis mitarbeiten. Trotz seiner schrecklichen Erlebnisse ist er ein freundlicher Mensch. Als Überlebender sieht er es als seine Pflicht an, seine Geschichte zu erzählen. - obb
TNT gegen eine KZ-Gedenkstätte
28.10.10
|Mühldorf - Wenig Neues gibt es beim Aufbau einer Gedenkstätte im Mühldorfer Hart. Winfried Karg, im Kultusministerium zuständig für die Gedenkstättenstiftung, wiederholte bei einem Besuch in Mühldorf die bekannten Positionen. Nur beim Aufbau einer Ausstellung könnte es Bewegung geben.
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2009 wurde die Plattform im Waldlager eröffnet, von der aus die Geschehnisse erläutert werden. Die Bauwerke sind das bislang einzige Gestaltungsmerkmal im ehemaligen KZ-Außenlager.
Der Stiftungsrat, der die Arbeit der Bayerischen Gedenkstättenstiftung begleitet, scheint bereit zu sein, sich auch finanziell an einer Ausstellung über das Bunkergelände im Geschichtszentrum Kreismuseum zu beteiligen. Das sagte Karg nach einer Ortsbegehung im Bunkergelände vor Mitgliedern des Vereins "Für das Erinnern". Wenn Landkreis und Stadt den Betrieb des Geschichtszentrums sicher stellen, "wäre das ein starkes Signal an den Stiftungsrat", betonte Karg. Er schließt für diesen Fall nicht aus, dass der Stiftungsrat bei seiner Sitzung im Januar ein Angebot zur Zusammenarbeit aussprechen könnte.
Denkbar ist eine Dauerausstellung in den oberen Stockwerken des Haberkastens, in denen die NS-Zeit, das Geschehen im KZ-Außenlager im Bunkergelände und die Nachkriegszeit dokumentiert werden könnten. An den notwendigen Umbaukosten müssten sich Stadt und Stiftung beteiligen, Stadt und Landkreis müssten als Träger des gesamten Geschichtszentrums Kreismuseum Personal und Unterhalt sicherstellen. Entsprechende Überlegungen gab es bei Vertretern aus der Region mit Vertretern des Stiftungsrats.
Franz Langstein, Vorsitzender des Vereins "Für das Erinnern", warnte beim Gespräch mit Karg allerdings davor, Erinnerung und Information nur im Museum anzubieten: "Es wäre eine bittere Pille, wenn draußen nichts geschehen würde", sprach er von einer Diskrepanz: Die Schreckensorte im Mühldorfer Hart vergammeln, wärend das Leiden auf dem Papier im Museum dargestellt würde. Zugleich begrüßte Langstein "jede Bemühung, die zu einer Gedenkstätte führt".
In allen anderen Bereichen sagte Karg wenig Neues: "Die zentralen Hemmnisse gibt es nach wie vor, die Rahmenbedingungen sind wahnsinnig kompliziert." Dazu zählen die verschiedenen Zuständigkeiten: Der Bund ist für die Betonüberreste verantwortlich, mit denen ein Problem verbunden ist, das nach Ansicht Kargs "ein finanzielles Risiko birgt, das nicht hoch genug eingeschätzt werden kann": die Reste von TNT-Sprengstoff. Die Amerikaner haben damit Teile der Anlage nach dem Krieg gesprengt. Dieser Sprengstoff könnte das Grundwasser verseuchen. Dieses Thema hatte Staatssekretär Dr. Marcel Huber beim Besuch von Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk im Sommer massiv ins Spiel gebracht (wir berichteten). 2012 will das Wasserwirtschaftsamt untersuchen, ob es tatsächlich TNT-Reste gibt. Giftstoffe, wie früher ebenfalls dort vermutet, gibt es laut Karg nicht.
Zuständig für die Gestaltung ist die Gedenkstättenstiftung, die bereits im Waldlager aktiv war. "Sie hat großes Interesse, etwas Wissenschaftliches und Pädagogisches auf die Beine zu stellen." Das Problem: Die Stiftung hat keine Grundstücke, sie gehören 24 verschiedenen Besitzern, mit denen bald Verhandlungen über einen Verkauf geführt werden sollen. Das sei "der zentrale Schritt", sagte Karg, der damit auf einer Linie mit Staatssekretär Huber liegt. Dabei machte Karg klar, dass nicht der komplette Bunker samt Nebenanlagen einbezogen werden soll; das reduziere die Zahl der benötigten Grundstücke.
Eine schnellere Lösung kann sich Karg im Bereich des ehemaligen Massengrabs vorstellen, die ähnlich ausfallen könnte wie die im Waldlager. Die dortigen Bauten nannte Karg "gelungen, aber nicht die Endstufe".