Für das Erinnern
Alt-Neuöttinger Anzeiger, 07.11.2019
Burgkirchen. Der polnische Konsul Marcin Krol hat gestern die Alztalgemeinde besucht und im Namen des Münchner Generalkonsulats der Republik Polen Dank für die Anlage und Pflege der Burgkirchner Gedenkstätten ausgesprochen. (Das Generalkonsulat in München ist zuständig für Süddeutschland.)
Marcin Krol, Stellvertreter des Generalkonsuls, legte an der Kirche St. Johann einen Kran am Kindergrab nieder. Nach einem Gedenken lobte der Konsul im Gespräch mit den Vertretern der Gemeinde Burgkirchen und des Vereins "Für das Erinnern" den "sehr guten Zustand des Kindergrabes". Wie Marcin Krol sagte, gibt es in Bayern insgesamt nur zwei Grab- und Gedenkstätten von Kindern, die Zwangsarbeiterinnen geboren wurden. Der Konsul dankte den Mitgliedern des Vereins für ihr Erscheinen und wertete dies als ein Zeichen der deutsch-polnischen Aussöhnung.
Ortsheimatpfleger Alois Remmelberger erklärte, das Kindergrab sei 30 Jahre lang von der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen gepflegt und vor zwei Jahren von der Gemeinde Burgkirchen übernommen worden.
Vom Verein "Für das Erinnern" dankte der aus Polen stammende Andreas Bialas der Gemeinde Burgkirchen für die Zusammenarbeit "für unsere Zukunft". Rudolf Zeiler erinnerte an eine Auszeichnung mit einem Preisgeld von 1000 Euro durch das "Bündnis für Demokratie und Toleranz" in Berlin, welche die Burgkirchener Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen für die Pflege des Kindergrabes erhalten hat.
Nach dem Gedenken am Kindergrab war die zweite Station des polnischen Konsuls die erst in diesem Jahr angelegte Gedenkstätte an der Keltenhalle. Dieses Mahnmal erinnert an die so genannte Ausländerkinder-Pflegestätte, die hier im Zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Heimatpfleger Remmelberger berichtete dem Konsul, dass die Praxisklasse der Mittelschule Burgkirchen bei der Anlage der Gedenkstätte mitgearbeitet hat. Marcin Krol studierte die Liste mit den Namen der hier ums Leben gekommenen Säuglinge und stellte fest, dass sehr viele polnische Namen darunter sind. Remmelberger bestätigte, dass die Mehrheit der Zwangsarbeiterinnen, die hier Kinder zur Welt brachten, aus Polen stammte. Der Heimatpfleger gab überdies bekannt, dass die Burgkirchner Gedenkstätte in den USA in ein Buch aufgenommen wurde, das heuer noch erscheinen soll.
Andreas Bialas ließ wissen, er sei unlängst in Polen mit einer ehemaligen Zwangsarbeiterin zusammengetroffen. Die jetzt 95 Jahre alte Frau habe im Frühjahr 1945 drei Wochen in der Ausländerkinder-Pflegestätte verbracht, bis das Lager von der US-Armee befreit worden sei. Die Polin habe nicht im Werk Gendorf, sondern auf einem Bauernhof in der Gemeinde Feichten Zwangsarbeit leisten müssen. Auf dem Bauernhof sei die Polin gut behandelt worden, hob Bialas hervor. Deswegen sei sie nach der Befreiung zu diesem Bauernhof zu Fuß zurückgekehrt und habe dort am 9. Mai ihre Tochter zur Welt gebracht. Die oberbayerische Bauernfamilie und die polnische Familie sind laut Bialas bis heute befreundet. Außerdem tat Bialas seiner Freude darüber kund, dass immer wieder vor der Gedenkstätte Blumen und Kerzen aufgestellt werden. Der Geschäftsleiter im Rathaus Burgkirchen, Alexander Olbort, überreichte eine Burgkirchner Tasse und die jüngste Ausgabe der heimatkundlichen Schriftenreihe "Öttinger Land" mit einem Beitrag über die neue Burgkirchner Gedenkstätte an Konsul Krol.
Im Anschluss an den Besuch des Konsuls in Burgkirchen fuhren Bialas und Krol noch nach Burghausen, um im Kloster Raitenhaslach das Grab der polnischen Königstochter Hedwig, Braut bei der "Landshuter Hochzeit" im Jahre 1745, zu besuchen. Danach stattete Krol gestern noch einer Gedenkstätte bei Taufkirchen einen Besuch ab. - ge
Mühldorfer Anzeiger, 20.08.2019 - Berichterstattung zum Aktionstag
Initiativen und Vereine in Ostdeutschland treibt die Sorge um, dass mit möglichen Erfolgen der Rechten bei den Landtagswahlen die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen unterdrückt werden könnte. Dagegen engagiert sich auch der Mühldorfer Verein „Für das Erinnern".
Mühldorf – Die Sorge kommt von Vereinen und Initiativen aus dem Osten Deutschlands: Sie fürchten, dass mit den Wahlerfolgen der Rechten bei den bevorstehenden Landtagswahlen die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus zurück gedrängt und die Finanzierung gekürzt werden könnte. Deshalb haben diese Initiativen zu einem bundesweiten Aktionstag aufgerufen, an dem sich auch der Mühldorfer Verein „Für das Erinnern“ beteiligt hat.
Bei einer Führung durch die beiden Gedenkorte „Waldlager“ und „Massengrab“ informierte Dr. Erhard Bosch, der lange zweiter Vorsitzender des Vereins war, über die Geschichte des KZ-Außenlagers im Mühldorfer Hart.
8300 KZ-Häftlinge sollten dort in den letzten Kriegsjahren eine halb unterirdische Rüstungsfabrik zum Bau von Düsenjägern des Typs Me 262 bauen. Fast die Hälfte, 3901, starben dabei durch Schwerstarbeit, Krankheiten, Unterernährung. 3596 Menschen überlebten, das Schicksal von über 830 Menschen ist nicht bekannt.
Mit der Einrichtung der beiden Gedenkorte im ehemaligen Waldlager und Massengrab und der begleitenden Ausstellung im Mühldorfer Haberkasten hat der Freistaat vor knapp zwei Jahren einen Gedenkort zur Erinnerung und Information geschaffen. Der zentrale Ort, der letzte Bunkerbogen, unter dem die Rüstungsfabrik entstehen sollte, ist nicht zugänglich. Derzeit suchen Sprengstoffexperten das Gelände ab, die Arbeiten dauern laut Bosch bis 2023.
Für Vereinsvorsitzenden Franz Langstein war die Teilnahme am bundesweiten Aktionstag ein wichtiges Zeichen. „Wir sind die einzige Initiative aus Süddeutschland die bei „Zusammendenken“ mitmacht.“ Neben dem Signal der Solidarität hob Langstein eine Begegnung am Rande des Aktionstags hervor.
Unter den Gästen sei ein Besitzer von Flächen im Bereich des ehemaligen KZs gewesen. Obwohl der Mann seit vielen Jahren als Betroffener mit dem Thema der Grundstücke befasst sei, habe er die Gelegenheit jetzt nutzen wollen, zum sich vor Ort über das Geschehen zu informieren. „Das zeigt, wie wichtig die Informations-Arbeit auch vor Ort ist“, sagte Langstein.