Presseartikel 2012
Talleris Erinnerungen im Kreismuseum
Sieben Monate lang war Giovanni Talleri Häftling im KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart - und überlebte.
Seine Erinnerungen hielt der Italiener nach seiner Rückkehr nach Triest in zahlreichen Bleistiftzeichnungen und Bildern fest. Fünf seiner Werke haben nun einen dauerhaften Platz im Kreismuseum Mühldorf gefunden. Der "Verein für das Erinnern" hatte sie nach Talleris Tod unter der Initiative des Zweiten Vorsitzenden Dr. Erhard Bosch (links) als Schenkung erhalten, nun können sie als Dauerleihgabe im Lodronhaus besichtigt werden. Museumsleiterin Dr. Susanne Abel (rechts) dankte Bosch für sein Engagement und stellte zugleich den "unschätzbaren Wert" der Zeitzeugnisse heraus. Einen ausführlichen Bericht über den Künstler und seine Bilder lesen Sie heute unter "Kultur in der Region" auf der Seite 29.
Foto ha/ovb
Bilder einer gestohlenen Jugend
19.1.2012
Seit Montag hat Giovanni Talleri einen festen Platz in Mühldorf, einen "Raum der Erinnerung" im Kreismuseum Mühldorf. Keine zehn Kilometer von dem Ort entfernt, an dem er die schlimmsten Monate seines Lebens verbracht hat.
Im August 1944 wurde Talleri in Triest verhaftet, direkt an seiner Haustür. Wie viele andere hatte sich der junge Mann dem militärischen Aushebungsbefehl widersetzt. Zur Strafe steckten ihn die Nationalsozialisten in die Strafkolonne des KZ-Außenlagers im Mühldorfer Hart.
Die Arbeit war entkräftend, das Leben menschenunwürdig. Die Bilder von ausgemergelten Häftlingen, von prügelnden Aufsehern, von gebrochenen Menschen brannten sich in sein Gedächtnis. Talleri hatte Glück, nach einer Verlegung ins Lager nach Strub gelang ihm von dort die Flucht.
Wieder zu Hause in Triest begann er seine Erinnerungen zu zeichnen. Die Bleistiftskizzen der leidenden Figuren mit den leeren, willenlosen Gesichtern landeten zunächst in der Schublade - und blieben dort fast ein halbes Jahrhundert lang. Selbst in seiner Monografie, die 1968 erschien, erwähnte Talleri seine Erlebnisse im Mühldorfer Hart nicht, erst Mitte der 80er-Jahre fing er wieder an, Bilder über die Deportation zu malen.
Fünf Werke sind nun im Mühldorfer Kreismuseum zu sehen. Sie sind eine Dauerleihgabe des "Vereins für das Erinnern", der vor allem durch seinen Zweiten Vorsitzenden Dr. Erhard Bosch jahrelang den Kontakt zu Talleri gepflegt hat - bis zu dessen Tod im Januar 2009.
Eng geht es zu in dem Talleri-Raum. Die Bilder hätten auf den ersten Blick mehr Platz verdient, vor allem die große Leinwand mit den dunklen Acrylfarben. Die "Strafkolonne Mühldorf 1944" zeigt vier Häftlinge bei nächtlichen Gleisarbeiten an der Baustelle des Rüstungsbunkers, bewacht von einem SS-Mann mit Gewehr.
Das matte Olivgrün der SS-Uniform war zugleich farbgebend für den Anstrich des Ausstellungsraums. Den acht Quadratmetern verleiht dieser Farbton einen düsteren, bedrückenden Charakter. Die räumliche Enge tut ihr übriges, um sich dem Geschehen, dem dargestellten Leid näher zu fühlen.
Welche Möglichkeiten sich im Zusammenhang mit einer seit Jahren geplanten zeitgeschichtlichen Aufarbeitung des Themas auftun, zeigt am besten die Bleistiftzeichnung "Rientro-Strafkolonne 1945". Sie stellt ein Häftlingskommando dar, das abgearbeitet ins Lager zurückkehrt, in der Hand den Essnapf für die "Bunkersuppe". Wer will, kann nämlich die im Waldlager entdeckten Schüsseln zwei Räume weiter im Original besichtigen.
Ob die Kunst geholfen habe, das Erlebte zu verarbeiten, wurde Talleri einmal gefragt: "Ja", antwortete er, "als spirituelle Beschäftigung schon." Doch Talleris Intention ging weit darüber hinaus: "In meinem Fall gibt es die Verpflichtung von den Dingen loszukommen und nachzudenken über die Zeit, über die Flüchtigkeit des Lebens, über die Erkenntnis, dass nichts oder fast gar nichts daraus gelernt worden ist", schreibt er in seiner Monografie "Die passagio".
Und dann wird er konkret: "Wenn man die Uniformen und die Waffen austauscht, stellen die Bilder das ewige Drama des Menschen dar. Seine Unfähigkeit, Probleme mit seinem Nächsten zu lösen. (...) Und das schon seit der Zeit der primitiven Kämpfe mit Steinäxten bis hin zu den fortgeschrittenen Kriegen mit den alles vernichtenden Waffen der Neuzeit."
Acryl auf Leinwand: Häftlinge bei der nächtlichen Gleisarbeit im Schnee, bewacht von einem SS-Mann. OVB
OVB 2012
Mühldorf - Vor dem Bau einer KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart sind nach wie vor viele Fragen zu klären. Das wurde bei der Gedenkfeier am Samstagabend deutlich.
© rob
Ein Gedenkort auch als Zeichen gegen Neofaschismus: Bei der Feier am Bunkerbogen sprach sich auch der Direktor der Bayerischen Gedenkstättenstiftung für den Bau einer Gedenkstätte aus. Schüler der Fachakademie ließen Besucher Steine mit den Namen von getöteten Häftlingen schreiben.
"Die Erinnerung wird nicht sterben - das ist Behauptung und Wille zugleich", sagte Franz Langstein, Vorsitzender des Vereins für das Erinnern, bei der Gedenkfeier anlässlich der Befreiung des KZ-Außenlagers am Samstag am ehemaligen NS-Bunkerbogen im Mühldorfer Hart. Für Langstein ist eine dauerhafte Arbeit vor Ort auch angesichts der neofaschistischen Morde notwendig.
Dass die Erinnerungsarbeit dort sinnvoll ist, wo fast 4000 von 8000 Häftlingen innerhalb von zehn Monaten starben, bestätigten zwei Schüler des Gymnasiums Gars. Gloria Schwanhäuser und Daniel Rascher berichteten von ihrer schulischen Geschichtsarbeit, davon, dass einige bis vor einem Jahr nichts von dem KZ-Außenlager vor der eigenen Haustür gewusst hätten, davon, dass am Bunkergelände "alles greifbarer" geworden sei. Die Aufarbeitung der Geschichte sei schließlich "nicht mehr nur für gute Noten, sondern für uns selber" wichtig geworden.
"Die Vergangenheit wirkt auch in die Zukunft hinein", begründete Oberregierungsrat Michael Stadelmann als Vertreter des Landrats die Aufgabe einen Erinnerungsort zu schaffen. Der Verein "Für das Erinnern" kämpfe unermüdlich dafür. "Dies kann der Landkreis nur unterstützen", so werde "ein Stück der Würde der Opfer wiederhergestellt".
"Ein offener Umgang mit der lokalen Geschichte gereicht allen Bürgern in Stadt und Landkreis zur Ehre", sagte Landtagsabgeordneter Karl Freller als Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, verbunden mit dem Dank an ehemalige Häftlinge wie Max Mannheimer, die ihre leidvolle Erinnerung an Mühldorf dazu gebracht habe aufzuklären statt sich abzuwenden. Ihnen sei das dauerhafte Bewahren der Geschichte wichtig. "Wir dürfen ihre Hoffnungen nicht enttäuschen."
Doch die Umsetzung eines Gedenkortes dauert noch. Freller sprach von nach wie vor "offenen Baustellen", wie einer "komplexen Eigentumslage, der Frage der Kampfmittel und Altlasten, die Sicherheit unser zukünftigen Besucher, schließlich der dauerhafte Unterhalt".
Freller kündigte die weitere Unterstützung der Stiftung an: "Wir werden in den nächsten Monaten gemeinsam mit dem Staatlichen Bauamt Rosenheim einen Gestalterwettbewerb ausrichten. Wir zählen darauf, dass der Landkreis und die Stadt Mühldorf im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht nur ideelle, sondern auch materielle Unterstützung einbringen." So werde es gelingen, "den Bund und andere Geldgeber von der Ernsthaftigkeit unserer Pläne zu überzeugen. Die Zeit drängt", so Freller, für den die Erinnerung an Gräuel der Nationalsozialisten an festen Gedenktagen "kein Selbstzweck ist: Sie kann das Geschehen zwar nicht ungeschehen machen, aber sie vermag es, die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung zu verringern".
Der Historiker Wolfgang Benz, ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, hält eine Gedenkstätte im Mühldorfer Hart für machbar, mit Anschub durch den Bund und dem Freistaat als Träger. Eine Ausstellung vor Ort "ohne zu viel Belehrung" solle idealerweise das ganze Jahr über zugänglich sein und "neugierig machen, den historischen Ort zu erkunden". Benz: "Das Angebot muss stärker sein als die Indolenz der Faulen, die einen Schlussstrich ziehen wollen."
Für Benz sind historische Orte als direkt vermittelnde Lernorte notwendig. Die Auseinandersetzung mit Geschichte vor Ort gehöre zur politischen Kultur, solle aber mehr als bloßer Geschichtsvermittlung dienen. Benz warnte vor einer "falschen Erwartung", dass durch verordnete Besuche an solchen Lernorte Mängel der schulischen Bildung ausgeglichen oder Gewalt verhindert werden könnte. Sie könnten lediglich Anstoß dazu sein. Durch die Zuwendung der Öffentlichkeit an und durch Gedenkorte werde den Opfern ein Stück ihrer Identität wiedergegeben.
Teil dieses Prozesses ist für Langstein eine Aktion der Fachakademie Starkheim. Die Schüler ließen auf dem Stadtplatz Mühldorf Passanten die Namen von KZ-Opfern auf Steine schreiben.
ovb, 25.6.2012
Bunkerverein zu Besuch in Theresienstadt
Eine Geschichte des Grauens
Mühldorf/Theresienstadt
Eine Informations- und Bildungsreise nach Theresienstadt hat der Verein "Für das Erinnern - KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart" unter Leitung von Dr. Erhard Bosch durchgeführt. Neben der Besichtigung des ehemaligen Konzentrationslager blieb den Reisenden ausreichend Zeit, die Stadt Terezin zu erkunden.
Die Geschichte Theresienstadts begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als der habsburgische Kaiser Josef II. zur Sicherung seines Territoriums am Zusammenfluss von Eger und Elbe eine mächtige Grenzfestungsanlage mit zwei Festungen erstellen ließ.
Die Prager Gestapo nutzte die "Kleine Festung" seit Juni 1940 als Polizeigefängnis zur Unterbringung von vorrangig politischen Gefangenen genutzt. Ab November 1941 entstand in der eigentlichen Stadt der ehemaligen Hauptfestung- das Ghetto, ein Sammel- und Durchgangslager für Juden. Die hier wohnhafte Zivilbevölkerung musste bis Mitte 1942 ihre Wohnungen in der Stadt verlassen, wo in der Folge mehr als 155000 jüdische Männer, Frauen und Kinder durch das Ghetto geschleust wurden. Wegen der äußert schlechten und knapp bemessenen Verpflegung, der permanenten physischen und psychischen Misshandlung und des daraus resultierendem schlechten Gesundheitszustands starben bis Kriegsende 35000 von ihnen; weitere 83000 Juden sind nach der Weiterdeportation in anderen Vernichtungs- und Konzentrationslagern im Osten umgekommen.
In einer Täuschungsaktion der NS-Machthaber wurde einer Delegation des Internationalen Roten Kreuzes Theresienstadt als Musterort für "ein selbst verwaltetes jüdisches Siedlungsgebiet" vorgestellt. Im Vorfeld wurde hierfür eine "Verschönerungsaktion" durchgeführt; dabei wurden das Aussehen der Häuser und Unterkünfte ausgebessert, Einrichtungen wie Kinderhort und Schulräume geschaffen und am Marktplatz ein eigener Musikpavillon aufgestellt.
Auch in der "kleinen Festung" waren seit 1942 viele Juden im Rahmen der so genannten Sonderbehandlung ohne Gerichtsverfahren hingerichtet worden. Noch am 2. Mai 1945 wurden durch ein Hinrichtungskommando 51 Häftlinge erschossen. Allein aus den Massengräbern der "kleinen Festung wurden gegen Ende des Sommers 1945 601 Häftlingsleichen exhumiert. Wegen der stark ansteigenden Zahl von Todesfällen wurde im Herbst 1942 ein neues Krematorium in Betrieb genommen. In seinen Öfen wurden bis 1945 etwa 30000 Opfer verbrannt.
Gegen Ende des Krieges war im KZ-Außenlager Leitmeritz, dem Ghetto und in der "Kleinen Festung" eine Bauchtyphus- und Fleckfieber-Epidemie ausgebrochen. Mit dem Eintreffen der "Roten Armee" am 8. Mai wurden die kranken KZ-Häftlinge in provisorisch eingerichteten Krankenhäusern medizinisch versorgt und auch die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten wurde organisiert. Trotzdem fielen noch Hunderte der furchtbaren Seuche zum Opfer. re
25.Juni 2012, ovb
Neues Buch über das Bunkergelände im Mühldorfer Hart
Die Suche nach der Wahrheit
Peter Müller gehört zu den Pionieren der Geschichtsforschung im Landkreis Mühldorf. Am Freitagabend erhält er nicht nur zusammen mit Josef Wagner den Geschichtspreis des Heimatbunds, sondern stellt auch sein neues Buch zum Bunkergelände vor.
Mühldorf/Waldkraiburg – Jahreszahlen sind für den Historiker Peter Müller kein Problem. Deshalb muss der ehemalige Gymnasiallehrer für Geschichte, Deutsch und Erdkunde auch nicht lange nachdenken, wann er zum ersten Mal auf das Bunkergelände im Mühldorfer Hart aufmerksam wurde. „1953 war das, bei einem Wandertag mit der Grundschule.“
Der Weg führte den damals Zehnjährigen zusammen mit seinen Klassenkameraden auch am ehemaligen Waldlager vorbei. „Natürlich wollten wir von unserem Lehrer wissen , was es mit der großen Lichtung und den Überresten der Erdhütten auf sich hat.“ Plantagenarbeiter hätten hier einmal gelebt, bekam er zur Antwort.
Bis heute weiß Peter Müller nicht, ob es der Lehrer nicht besser wusste, oder ob er die grausame Wahrheit den Kindern einfach nicht erzählen wollte. „Die Menschen hatten eben andere Sorgen. Und sie wollten vergessen.“
Gegen das vergessen wehrt sich Peter Müller seit Jahrzehnten, am kommenden Freitag stellt er im Rahmen der Verleihung des Mühldorfer Geschichtspreises sein neues Buch vor: „Rüstungswahn und menschliches Leid – Bewältigung und Erinnerung“ heißt der Titel. Es ist nicht nur das Ergebnis monatelanger Arbeit. Es ist auch eine Zusammenfassung dessen, was Peter Müller über all die Jahre herausgefunden hat: im Gespräch mit Zeitzeugen, beim Studium von Prozessakten oder drauß0en im Wald beim Vermessen der Anlage.
Seinen Anfang nimmt alles 1979 mit einem Hollywood-Film: Der Vierteiler „Holocaust“ hat mich sehr beeindruckt. Da habe ich mich auch an den Bunkerbogen und das Waldlager erinnert.“ Mitte 30 war Peter Müller, als er anfing Fragen zu stellen: Ich habe einfach bei den Bauern in der Umgebung geklingelt und mich mit Block und Stift in die Wohnzimmer gesetzt.“
Betont sachlich ging er seine Recherchen an, ohne erhobenen Zeigefinger. „Ich habe nie die Frage nach Schuld und Moral gestellt.“ Auch nicht, als ihm einer der ehemaligen SS-Wachtposten gegenüber saß. „Sonst hätte er mich ja rausgeworfen. Und ich hätte nichts erfahren.“ Die Suche nach der Wahrheit habe ihn stets angetrieben – und nicht die Suche nach den Schuldigen.
So wuchsen die Aufzeichnungen an, die ersten Kontakte zu ehemaligen Häftlingen entstanden. Und mit jedem weiteren Gespräch bekam Peter Müller einen besseren Eindruck davon, was sich 1944 und 1945 im Mühldorfer Hart abgespielt hat.
1981 veröffentlichte er dann seine Erkenntnisse in einem Mühlrad-Aufsatz, drei Ausgaben später folgte ein weiterer Text. „Diese beiden Aufsätze waren ohne Zweifel wegweisend. Und zwar nicht nur für die Geschichtsarbeit in der Region“, erklärt Stadtarchivar Edwin Hamberger. „Zu diesem Zeitpunkt hatten diese Thema noch nicht einmal die großen Museen angepackt.“
Im Landkreis Mühldorf aber beschäftigten sich daraufhin zunehmend mehr Menschen mit dem Bunkergelände: Vom Ehepaar Egger und ihrer Geschichtswerkstatt bis hin zu Rainer Ritzel und Josef Wagner, die 1988 mit dem Dokumentarfilm „Mit 22 Jahren wollte man noch nicht sterben“ für Aufsehen sorgten.
Im Zusammenhang mit Hans Rudolf Spagls Ausstellung „Bis alles in Scherben fiel“ erschien dann 1996 Peter Müllers Buch: „Das Bunkergelände im Mühldorfer Hart“ war eine Zusammenfassung der beiden Mühlrad-Aufsätze. „Nach vier Auflagen war es nun Zeit für eine überarbeitete und erweiterte Fassung“, fand Müller und machte sich im vergangenen Jahr an die Arbeit.
Mit über 210 Seiten ist das Buch fast doppelt so umfangreich wie die erste Fassung, neu hinzugekommen ist unter anderem über die Bewältigung der Vergangenheit mit einem genauen Blick auf die Kriegsverbrecherprozesse in Dachau. Auch das Thema Erinnerung rückt Peter Müller in den Fokus: mit vielen Zitaten der ehemaligen Häftlinge und Erkenntnissen der inzwischen vorhandenen wissenschaftlichen Literatur.
Das Ergebnis beschreibt Müller so: „Das historische Gerippe vom ersten Buch mit Fleisch und Muskeln füllen.“
Geschichtspreis an Peter Müller und Josef Wagner
Der Geschichtspreis des Heimatbundes Mühldorf geht heuer an Peter Müller und Josef Wagner. Er wird am Freitag, den 29. Juni, im Mühldorfer Rathaus verliehen. Die Laudatio hält der Journalist Dr. Friedrich Schreiber, für den musikalischen Rahmen sorgen die Streicher der städtischen Musikschule unter Leitung von Max Fandrey. An dem Festabend wird auch das neue Buch von Peter Müller mit dem Titel „Rüstungswahn und menschliches Leid – Bewältigung und Erinnerung“ vorgestellt. Beginn ist um 19 Uhr.
3.7.2012, ovb
Vorreiter bei der Beschäftigung mit der NS-Zeit
Mühldorf - Zum vierten Mal verlieh der Heimatbund Mühldorf seinen Geschichtspreis: an Autor Peter Müller und an den Dokumentarfilmer Josef Wagner.
Zum vierten Mal verlieh der Heimatbund Mühldorf seinen Geschichtspreis, zum zweiten Mal ging er an zwei Preisträger: an Autor Peter Müller und an den Dokumentarfilmer Josef Wagner.
Der Mühldorfer Geschichtspreis wird in Erinnerung an den Mühldorfer Ehrenbürger und "Vater" des Heimatmuseums Dr. Hans-Rudolf Spagl verliehen: Seine Frau Erika überreichte die Preise zusammen mit dem Heimatbund-Vorsitzenden Dr. Reinhard Wanka (rechts) an Josef Wagner (links) und Peter Müller (Zweiter von rechts)
"Beide haben in den vergangenen Jahrzehnten mit ihren Arbeiten rund um das Bunkergelände im Mühldorfer Hart entscheidend dazu beigetragen, Erinnerung weiterzutragen - jeder auf seine Weise." Mit diesen Worten eröffnete Heimatbund-Vorsitzender Dr. Reinhard Wanka den Festabend im Mühldorfer Rathaus.
Bürgermeister Günther Knoblauch stellte heraus, dass der Heimatbund "mit Sicherheit die richtige Wahl" getroffen habe. "Denn Peter Müller und Josef Wagner haben sich schon in einer Zeit mit dem Thema beschäftigt, in der es nicht unbedingt opportun war, den Nationalsozialismus vor Ort aufzuarbeiten." Und Knoblauch ging sogar noch einen Schritt weiter: "Die Tatsache, dass sich so viele junge Menschen im Januar den Neonazis in Mühldorf engagiert entgegen gestellt haben, ist auch die Frucht der Arbeit dieser beiden Menschen."
Der Waldkraiburger Peter Müller forscht seit Jahrzehnten über den KZ-Außenlagerkomplex Mühldorf und leistet einen erheblichen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit im Landkreis Mühldorf. "Seine Forschungsergebnisse tragen wesentlich dazu bei, dass die Opfer nicht vergessen sind", heißt es in der Urkunde des Heimatbunds. Am Abend der Preisverleihung wurde zugleich sein neues Buch vorgestellt: "Rüstungswahn und menschliches Leid - Bewältigung und Erinnerung. Das Bunkergelände im Mühldorfer Hart."
Einen anderen Ansatz wählt der Mühldorfer Josef Wagner: Schon 1987 mit dem Film "...mit 22 Jahren wollte man nicht sterben", der er zusammen mit Rainer Ritzel drehte, begann er systematisch Zeitzeugen zu interviewen, die Gespräche in Bild und Ton festzuhalten und pädagogisch aufbereitete Materialien für Unterricht und Führungen zu entwickeln. "So entstanden Dokumentationen, in denen in beeindruckender Weise Erfahrungen und Ereignisse geschildert werden. Wagners audiovisuelle Dokumente sind exzellente pädagogische Hilfen, mit denen kritische Fragen nachfolgender Generationen nach dem 'Warum' wenigstens ansatzweise beantwortet werden können", begründet der Heimatbund seine Entscheidung.
Als Laudator hatte der Verein den langjährigen ARD-Korrespondenten in Israel, Dr. Friedrich Schreiber, eingeladen. Seit 1998 ist Schreiber Sprecher der "Würmtaler Bürgerinitiative zur Erinnerung an den Todesmarsch von Dachau", 2007 gründete er den Verein "Gedenken im Würmtal", dessen Vorsitzender er auch ist. Schreiber erinnerte sich daran, dass er als Schüler im Geschichtsunterricht immer nur bis Bismarck gekommen sei: "1952 habe ich mein Abitur gemacht, sieben Jahre nach dem Krieg. Doch da war kein Hitler, kein Himmler, kein Holocaust. Was hätte ich für Lehrer wie Peter Müller und Josef Wagner gegeben." Zugleich übte Schreiber Kritik am zögerlichen Verhalten der staatlichen Stellen in Sachen Bunkergelände: "Was wurde von offizieller Seite denn in den letzten zehn Jahren konzipiert und entschieden?"
Daran knüpfte auch Preisträger Wagner an: "Eigentlich bestand meine größte Leistung in meiner Zurückhaltung angesichts der vielen Enttäuschungen und Ablehnungen, die ich erlebt habe - bis hin zur Entscheidung, die Mittelschule nicht nach Max Mannheimer zu benennen." Was bleibt, sei die Hoffnung, dass 25 Jahre Arbeit in ein Ergebnis münden. "Dass es möglichst bald mehr zu bewundern gibt als unseren Preis."
ovb, 25.7.2012
Auf den Spuren der Häftlinge
Zum ersten Mal veranstaltete der "Verein für das Erinnern" eine Führung durch den ehemaligen NS-Lagerbereich Thalham bei Obertaufkirchen. Das Interesse war groß.
Steinerne Zeugen einer dunklen Vergangenheit: Michael Gärtner zeigte den Teilnehmern der Führung die letzten beiden Baracken des ehemaligen OT-Lagers in Thalham bei Obertaufkirchen. Heute leben Obdachlose in den Baracken. Foto ha
Obertaufkirchen/Thalham - Mit ein paar Vereinsmitgliedern hatte Michael Gärtner natürlich gerechnet. Mit dem einen oder anderen interessierten Obertaufkirchener vielleicht auch. Dass sich mit ihm am Montagabend gleich über 50 Teilnehmer auf die Spurensuche durch den ehemaligen Lagerbereich in Thalham machen, beeindruckt ihn dann aber doch sehr: "Mit so viel Interesse habe ich beim besten Willen nicht gerechnet."
Ausgangspunkt der Führung ist der Friedhof in Obertaufkirchen. Dort hatte Pfarrer Jakob Engl zwischen Februar und April 1945 rund 30 Häftlinge aus dem Arbeitserziehungslager beigesetzt. Als Todesursachen nennt Engl in den "Kriegs- und Einmarschberichten", die sich heute im Archiv des Erzbistums München und Freising befinden, Hunger, Totschlag und Erschießen auf der Flucht.
Die Toten wurden damals auf einem eigens eingerichteten "Fremdenfriedhof" beerdigt, seit dessen Auflösung erinnert eine Gedenktafel an die "Opfer gottloser Gewalt". Insgesamt 55 Namen finden sich darauf. Auffallend ist, dass auch deutsche Namen und Frauen aufgelistet sind. "Wie es dazu kommt, ist eine der Fragen, denen wir auf den Grund gehen wollen", sagt Gärtner, ehe sich die Gruppe auf den Weg hinunter nach Thalham macht.
Drei Lager gehörten zu dem Komplex. Zunächst das so genannte OT-Lager, das von der Organisation Todt seit Sommer 1944 als Fremdarbeiterlager geführt wurde. Vor allem Italiener waren in den Baracken untergebracht, von denen zwei heute noch existieren. "Dieses Lager hatte keinen Zaun, die Insassen konnten sich abends sogar relativ frei bewegen", berichtet Gärtner - und Helmut Greilmeier nickt zustimmend.
Der 73-Jährige ist unmittelbar neben dem Lager auf einem Bauernhof aufgewachsen. Er erinnert sich nicht nur gut an die italienischen Häftlinge, sondern auch an das zweite Lager weiter oberhalb, das unter der Leitung der Gestapo als sogenanntes Arbeitserziehungslager streng bewacht war. In ihm waren bis zu 200 meist ausländische Zwangsarbeiter untergebracht, die sich - in welcher Form auch immer - gegen das NS-Regime gestellt hatten.
"Die waren wirklich arm dran", erzählt Greilmeier, der als kleiner Bub immer wieder Kartoffeln unter dem Zaun durchgesteckt hat. "Uns Kinder ließen die Wachen ja in Ruh'." Im Gegenzug bekam er von den Häftlingen kleine Schnitzereien zugesteckt. "Schöne Sachen waren das für uns Jungs."
In den letzten Kriegsmonaten entstand dann westlich des OT-Lagers ein kleines KZ-Außenlager des Stammlagers Mettenheim. Wie lange es tatsächlich existierte, ist nicht genau geklärt. Überhaupt stehen an diesem Abend viele Konjunktive im Raum, denn Dokumente oder gar Fotografien zu den Lagern gibt es kaum.
So taucht das KZ-Außenlager bisher nur in einem einzigen bekannten Schriftstück auf: Gärtner lässt unter den Teilnehmern die Kopie einer "Überstellungsmeldung" herumgehen. Auch auf dem Luftbild, das in Peter Müllers neuem Buch über das Bunkergelände ("Rüstungswahn und menschliches Leid - Bewältigung und Erinnerung") abgebildet ist, lässt sich das KZ-Außenlager nur schwer ausmachen.
Die Häftlinge der Lager arbeiteten in der angrenzenden Kiesgrube und bei der Produktion von Betonfertigteilen für das Bunkergelände. Auch am Bau der Bahntrasse waren sie beteiligt.
Außer den beiden OT-Baracken ist davon heute nichts mehr zu sehen. Viel Mais und Gras ist über die Geschichte gewachsen, doch Michael Gärtner will ihr weiter auf den Grund gehen: in Archiven, im Gespräch mit den letzten Zeitzeugen - und mit weiteren Führungen. ha
ovb, 27.7.2012
Gedenkstätten-Experten in KZ-Außenlager
Ein Beitrag gegen Diktaturen
Mühldorf - Eine Gruppe Gedenkstätten-Leiter und Mitarbeiter aus verschiedenen europäischen Ländern hat jetzt das KZ-Außenlager im Bunkergelände im Mühldorfer Hart besucht. Zu den Teilnehmern gehörten der Direktor des Museums der jüdischen Geschichte in Sofia, der stellvertretende Direktor des Slowakischen Nationalmuseums, ein Mitarbeiter des Holocaust Dokumentations-Zentrums in Budapest, die Direktoren der Staatlichen Museen in Majdanek, Auschwitz-Birkenau, Stutthof und Groß-Rosen sowie weiterer Forschungs- und Vermittlungseinrichtungen aus Mittel- und Osteuropa.
Bei einer Führung durch den Vorsitzenden des "Vereins für das Erinnern", Franz Langstein und Eva Köhr und Dr. Susanne Abel vom Kreismuseum erhielten die Gäste auch Informationen über die Entwicklungen zur Einrichtung einer Gedenkstätte. Angesichts der Bedeutung des ehemaligen Außenlagers Mühldorf hielten die ausländischen Gäste es für äußerst notwendig, diesen Abschnitt der Geschichte vor Ort und zur Einordnung in den komplexen Zusammenhang mit einer begleitenden Ausstellung für die Nachwelt verständlich zu machen. So könne eine Gedenkstätte dazu beitragen, dass Entwicklungen diktatorischer Regierungen heute zumindest deutlich erschwert werden und jegliche Art von Extremismus abgewehrt werden muss.
Eine frische Inschrift von Rechtsextremen am Inneren des Bunkerbogens unterstützte sichtbar, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus ist.
ovb, 1.8.2012
Bewegung unterm Bunkerbogen
Mühldorf - In diesem Herbst will der überregionale Arbeitskreis zur Errichtung einer KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart einen Antrag auf Förderung durch den Bund stellen.
Der ehemalige Häftling Max Mannheimer sprach bei der Gedenkfeier unter dem Bunkerbogen 2008.
Er setzt sich wie viele andere seit Jahren für eine Gedenkstätte im Mühldorfer Hart ein.
Jetzt soll sie so nahe sein wie nie zuvor. Foto hon
Die Mitglieder des Arbeitskreises unter Leitung der stellvertretenden Landrätin Eva Köhr glauben nach Jahren der Stagnation an einen Fortschritt."So weit waren wir noch nie", sagt Franz Langstein vom "Verein für das Erinnern", der seit mehr als zehn Jahren für die Errichtung einer Gedenkstätte im ehemaligen Außenlager des KZs Dachau kämpft. Durch das Miteinander von heimischen und bayerischen Stellen sei in einem Arbeitskreis ein Konzept entstanden, das in diesem Herbst zum Antrag auf einen Bundeszuschuss führen könnte. Denn nur mit Unterstützung des deutschen Kulturministers ist die Finanzierung von geschätzt 3,5 Millionen Euro möglich.
Seit 2011 gibt es den Arbeitskreis unter Leitung Eva Köhrs, in dem nicht nur regionale Vertreter wie der Verein "Für das Erinnern", der Landkreis, die Stadt Mühldorf und die Gemeinde Mettenheim vertreten sind. Auch die Stiftung bayerische Gedenkstätten, die Staatsforsten das Denkmalamt und andere staatliche Stellen arbeiten mit. Sie müssen in den nächsten Wochen vor allem drei Aufgaben bewältigen: Einen Architektenwettbewerb ausschreiben, einen Finanzierungsplan erarbeiten und eine Zweckvereinbarung abschließen, die die Trägerschaft und den dauerhaften Betrieb der geplanten Gedenkstätte garantiert.
Neben der Stiftung sollen der Landkreis, die Stadt Mühldorf als Ort der geplanten Dokumentation und die Gemeinde Mettenheim, auf deren Grund die Zugangswege liegen, die Zweckvereinbarung unterschreiben. "Wichtig ist, dass wir jetzt vor Ort zusammenarbeiten und niemand ausschert", betont Köhr.
Ein anderer Schritt ist durch Gespräche mit zahlreichen Grundstückseigentümern geschafft, auf deren Grund die Überreste der Rüstungsanlagen stehen. Sie haben einer Überplanung ihrers Bodens zugestimmt, über einen Verkauf oder Tausch gibt es allerdings noch keine Vereinbarung.
"Es geht in die finale Phase", glaubt auch Umweltminister Dr. Marcel Huber. "Man weiß jetzt, was man will und wie es ausschauen kann. Es wird schon langsam Zeit." Huber, der sich bereits als Abgeodneter und verstärkt seit seiner Zeit als Staatssekretär im Kultusministerium mit der Einrichtung einer Gedenkstätte befasste, will in den kommenden Wochen die Gespräche mit den beteiligten Behörden und Institutionen des Freistaats wieder in Gang bringen. "Dabei geht es um die Finanzierung auf staatlicher Seite."
Die Stiftung plant mit einer Beteiligung von "1,2 Millionen Euro oder einem klein bisschen mehr", wie Ulrich Fritz sagt, der das Außenlager Mühldorf für die Stiftung betreut. "Wir haben vor einigen Jahren gesagt, dass die Geschichte der ehemaligen Außenlager stärker ins Bewusstsein gebracht werden muss." Für Mühldorf spreche die Besonderheit der Bunkeranlage und das seit Jahren gepflegte bürgerschaftliche Engagement.
Fritz betont die beiden "Bausteine" der Gedenkstätte: die historischen Orte im Wald und eine Ausstellung im Haberkasten. "Beides ist wichtig und gehört für uns dazu." Was allerdings aus der geplanten Ausstellung wird, die im Dachgeschoss des Haberkastens eingerichtet werden sollte, ist offen. Denn das Landesdenkmalamt hat sich zunächst gegen den Ausbau ausgesprochen. Es will der Ertüchtigung samt Aufzug und Fluchtreppe nicht zustimmen.
Und was geschieht, wenn der Zuschuss des Bundes nicht kommt? Darüber will Köhr noch nicht reden. "Es wäre niemandem beizubringen, wenn sich der Bund da rauszieht", sagt sie. Für Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer steht außer Frage, dass sich der Bund nicht nur auf die Förderung der großen Lager wie in Dachau oder Flossenbürg konzentrieren darf. "Es geht darum zu zeigen, welche systematische Bedetung die Außenlager in dem System der Konzentrationslager hatten." Ulrich Fritz von der Gedenkstättenstiftung signalisiert die Bereitschaft seiner Einrichtung, auch ohne den Bund Geld zu geben: "Die historischen Orte sind da, es muss etwas gemacht werden. Das kann nicht davon abhängen, ob der Bund etwas macht oder nicht."
hon
ovb, 14.9.2012
Landkreis will heute den Weg frei machen
Damit eine KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart errichtet werden kann, muss der Landkreis eine Vereinbarung mit der Stadt Mühldorf, der Gemeinde Mettenheim und der Bayerischen Gedenkstättenstiftung abschließen. Das will der Kreistag heute tun.
Mühldorf - Die Vereinbarung, die die Übernahme der Betriebs- und Unterhaltskosten der geplanten Gedenkstätte und einer begleitenden Ausstellung im Kreismuseum vorsieht, ist Voraussetzung für die Beteiligung des Bundes am Bau einer Gedenkstätte.
Vorgesehen ist nämlich, dass sich Bund und Land die geschätzten Kosten von zwei Millionen Euro für den Bau der Gedenkstätte im Mühldorfer Hart teilen. Eine Vereinbarung darüber gibt es allerdings noch nicht, sie kann laut Landratsamt auch erst dann zustande kommen, wenn die Gedenkstättenstiftung, der Landkreis, Mettenheim und Mühldorf den dauerhaften Betrieb der Gedenkstätte garantieren können.
Zusätzlich soll im Dachgeschoss des Mühldorfer Haberkastens die Geschichte des KZ-Außenlagers dokumentiert werden. 800000 Euro soll der notwendige Ausbau kosten, 200000 Euro davon übernimmt die Stadt Mühldorf.
Auch der Landkreis beteiligt sich mit 200000 Euro am Aufbau der Gedenkstätte und der Ausstellung, deren Umsetzung das Kreismuseum leisten soll. Damit kostet die gesamte Umsetzung der Pläne an den historischen Stätten im Mühldorfer Hart und die Einrichtung eines Museums im Haberkasten 3,2 Millionen Euro.
Die Gedenkstättenstiftung veranlasst die Untersuchung des Geländes, um sicherzustellen, dass es dort keine Sprengstoffreste und später eingelagerte Munition gibt oder sie entsorgt werden kann.
Die Besitzer der Grundstücke im Bunkergelände und der unmittelbaren Nachbarschaft haben in Gesprächen mit CSU-Kreisvorsitzendem und Umweltminister Dr. Marcel Huber und stellvertretender Landrätin Eva Köhr bereits ihre Zustimmung zu einer Nutzung ihrer Grundstücke signalisiert. Wie diese Nutzung rechtlich konkret geregelt werden kann, ist allerdings erst nach Ende der Planungen im kommenden Jahr absehbar.
An den Kosten des Erhalts der Gedenkorte und der Infrastruktur beteiligen sich mehrere Partner: die Stiftung bayerische Gedenkstätten und die Bayerischen Staatsforsten, der Landkreis, die Gemeinde Mettenheim und die Stadt Mühldorf.
Obwohl der Mühldorfer Kreistag heute voraussichtlich mit großer Mehrheit dieser Vereinbarung zustimmen wird, bleiben einige Fragen offen. Von deren Beantwortung hat der Kreistag das Inkrafttreten der Vereinbarung abhängig gemacht. So will der Landkreis nicht Eigentümer der Grundstücke im Mühldorfer Hart werden und auch nicht für die möglicherweise notwendig werdende Entsorgung von Kampfmitteln einstehen.
Wer die Grundstücke übernimmt und die Kampfmittelfreiheit mit ihren unter Umständen hohen Folgekosten garantieren wird, ist derzeit allerdings offen. Das gilt auch für die Frage, ob sich der Bund überhaupt beteiligt. hon
ovb, 17.9.2012
Landkreis für eine Gedenkstätte
Mühldorf - Mit nur einer Gegenstimme hat sich der Kreistag hinter die Pläne zum Bau einer Gedenkstätte für das ehemalige KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart gestellt.
© hon
2010 erläuterten Minister Dr. Marcel Huber (rechts) und Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (Zweiter von links) Geschichte und Probleme des Bunkergeländes. Mit dabei war Gedenkstättenstiftungsvorstand Karl Freller (Zweiter von rechts).
Damit einher geht die Bereitschaft, sich an den Kosten für die Einrichtung und den Betrieb der Gedenkstätte zu beteiligen.
© honBetreten verboten: Wann das steinerne Mahnmal des siebten Bunkerbogens zu einer lebendigen Gedenkstätte wird, ist offen. Der Kreistag hat sich jetzt aber eindeutig für die Einrichtung eingesetzt und bereit erklärt, sich an den Kosten zu beteiligen. Fotos
Mit seinem Votum hat sich das höchste Kreisgremium erstmals in der Geschichte des Bunkergeländes im Mühldorfer Hart eindeutig für den Bau einer Gedenkstätte eingesetzt. Die Befürworter ordneten den Bau nicht nur in die Erinnerung an die 4000 Toten und vielen Leidenden ein, sondern forderten die Gedenkstätte als Mahnung gegen erstarkten Rechtsradikalismus. Stellvertretende Landrätin Eva Köhr (CSU), die die Arbeitsgruppe zur Planung der Gedenkstätte leitet, sagte: "Wir können an einem konkreten Beispiel zeigen, wohin Extremismus führen kann."
Richard Fischer (SPD) erklärte: "Rechtsradkalismus steht nicht nur in der Zeitung", Peter Huber (UWG) schloss sich an: "Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf." Und Gottfried Kirmeier (SPD) sprach gar von einer "historischen Entscheidung, wenn es um die Aufarbeitung der Geschichte geht".
Josef Gründl (FDP) wies auf die Kosten für den Landkreis hin, Michael Hell (UWG) regte an, über eine kleinere Lösung nachzudenken, Josef Schöberl (WGW) stellte die Einstellung einer Vollzeitkraft für die Dokumentation im Kreismuseum infrage.
Auch die Grünen würdigten die Finanzargumente, legten aber Wert auf Schwerpunktsetzungen: "Es ist eine Frage, wofür wir unser Geld ausgeben", sprach sich Cathrin Henke klar für die Einrichtung einer Gedenkstätte aus.
Landrat Georg Huber stellte eine Gedenkstätte in den Rahmen der Erinnerungsveranstaltungen zum Volkstrauertag: "Wir können nicht Jahr für Jahr am Kriegerdenkmal stehen und die Greuel der Geschichte beklagen. Wir müssen hier zeigen, dass wir dazu stehen, was wir tun." Nur Dr. Bernhard Grabmeyer (WGW) stimmte gegen den Beschluss. Er regte an, die Erinnerung nicht "draußen im Wald" zu vollziehen, sondern an den Plätzen, die es bereits gibt, wie den KZ-Friedhöfen oder in Ecksberg.
Mit dem Beschluss vom Freitagabend verpflichtet sich der Landkreis, einen Teil der Kosten für die Einrichtung und vor allem den Betrieb der Gedenkstätte zu übernehmen. Die derzeitigen Pläne sehen vor, am Bunkergelände, dem ehemaligen Waldlager und dem Massengrab Stätten der Erinnerung und der Information zu schaffen. Im Haberkasten soll eine Ausstellung die Hintergründe und Zusammenhänge erläutern.
Karl Freller, Direktor der Bayerischen Gedenkstättenstiftung, betonte vor dem Kreistag: "Die Außenlager gewinnen zunehmend an Bedeutung. Ich bin froh, dass wir jetzt auch die Kraft haben, die Außenlager anzugehen." Er sagte zu, dass die Stiftung 1,2 Millionen Euro bereitstellen werden. "Wir sind in dieser Verantwortung, wir wollen sie wahrnehmen." Bislang konzentrierte der Freistaat seine Gedenkstättenarbeit auf die beiden großen Lager in Dachau und Flosenbürg.
Der Landkreis und die Stadt Mühldorf müssen je 200.000 Euro beisteuern, vom Bund werden 1,6 Millionen Euro erwartet, sodass 3,2 Millionen Euro für Bau und Einrichtung der Gedenkstätte zur Verfügung stehen. Außerdem müssen sich Mühldorf und Mettenheim an den laufenden Betriebskosten und dem Erhalt der Gedenkorte und der Infrastruktur beteiligen. Für den Landkreis sind das 120.000 Euro jährlich, die zu den einmaligen Investitionekostenvon 200.000 Euro dazu kommen.
Dr. Jörg Haller, der die Pläne für die Gedenkstätte vorstellte, nannte 2015 als Termin für eine Teileröffnung und 2016 als Termin für die Fertigstellung.
ovb, 21.9.2012
Stadtrat entscheidet über Bunker
Mühldorf - Am kommenden Donnerstag befasst sich der Stadtrat in einer nicht-öffentlichen Sitzung mit dem Bau und Betrieb einer KZ-Gedenkstätte im Bunkergelände.
© hon
Im ehemaligen Waldlager gibt es seit 2009 eine Info-Plattform. Am weitern Ausbau einer Gedenkstätte will sich auch Mühldorf beteiligen, das letzte Wort darüber hat am Donnerstag der Stadtrat.
Mit dem Landkreis und der Gemeinde Mettenheim haben zwei der drei kommunalen Beteiligten den Plänen für die Einrichtung einer KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart zugestimmt. Wie jetzt bekannt wurde, hat sich der auch Mühldorfer Bauausschuss bereits Anfang September in einer nicht öffentlichen Sitzung für die Beteiligung der Stadt ausgesprochen, der Stadtrat soll diesen Beschluss - ebenfalls nicht öffentlich - am kommenden Donnerstag, 27. September, nachvollziehen.
Bürgermeister Günther Knoblauch begründete die Nichtöffentlichkeit des Beschlusses mit Vertragsangelegenheiten, die hinter verschlossenen Türen behandelt werden, weil die Interessen von Grundstückseigentümern oder Vertragspartnern betroffen seien. "Wir können die Gemeindeordnung nicht beliebig auslegen", sagt er. "Das hat nichts damit zu tun, ob das Thema interssant oder bequem oder unbequem ist."
Bei den Vertragsangelegenheiten geht es um die Vereinbarung, die Mühldorf, der Landkreis, Mettenheim und die Stiftung Bayerischer Gedenkstätten schließen. Sie stellen die Beteiligung des Landkreises und der Stadt an den Investitionskosten sicher und garantieren den Betrieb und Erhalt der Gedenkstätte samt Infrastruktur. Der Kreistag hatte der Vereinbarung mit nur einer Gegenstimme zugestimmt, in Mettenheim war es eine deutliche Mehrheit.
Auf die Stadt kommen nach dem Beschluss des Bauausschusses Kosten von 200000 Euro für die Einrichtung einer Ausstellung zu. Dazu geht die Zweckvereinbarung von 60000 Euro jährlich für die Beschäftigung einer Mitarbeiterin in der Ausstellung zum ehemaligen KZ-Außenlager aus. Dieses Summe ergibt sich aus der bereits bestehenden Vereinbarung zwischen Stadt und Landkreis über den Betrieb des Kreismuseums.
Die derzeitigen Pläne, wie sie während der Kreistagssitzung vorgestellt wurden, sehen den Bau von drei Erinnerungs- und Informationsstätten im Mühldorfer Hart an den Stellen vor, an denen die Bunkerbaustelle, das Waldlager und das Massengrab lagen. Alle drei Orte sollen über zum Teil neu zu bauende Parkplätze erreicht werden können. Außerdem soll sie ein beschildertes Wegesystem verbinden. Zur Infrastruktur gehört auch der Bau von Toilettenanlagen an den Parkplätzen.
Der ehemalige Häftling Max Mannheimer sprach bei der Gedenkfeier unter dem Bunkerbogen 2008. Er setzt sich wie viele andere seit Jahren für eine Gedenkstätte im Mühldorfer Hart ein. Jetzt soll sie so nahe sein wie nie zuvor.
Im Dachgeschoss des Haberkastens soll eine Dauerausstellung als fester Bestandteil der Gedenkstätte Informationen über die Geschichte und Bedeutung der Rüstungsfabrik und die Opfer, die dort litten und starben, geben. Dazu muss der Haberkasten ertüchtigt werden, neben einem Aufzug, einer Fluchttreppe muss der Dachboden ausgebaut und klimatisiert werden. Erste Kostenschätzungen gehen von 800000 Euro aus, die aus dem Gesamtpaket von 3,2 Millionen Euro finanziert werden sollen. Den Löwenanteil dieses Gesamtpakets soll die Gedenkstättenstiftung und der Bund mit 1,2 beziehungsweise 1,6 Millionen Euro tragen. Eine Zusage gibt es bislang nur von der Gedenkstättenstiftung, der Bund wird erst nach dem jetzt zu stellenden Förderantrag über eine Beteiligung entscheiden.
Gespräche mit dem Denkmalamt scheinen nach anfänglichen Schwierigkeiten auf eine Lösung der Umbauprobleme im historischen Haberkasten hinauszulaufen. Da es aber noch keine konkreten Pläne gibt, ist nicht klar, ob die geschätzten Ausgaben von 800000 Euro für den Umbau ausreichen.
Ovb, 4.10.2012
Stadtrat stimmt Gedenkstätte zu
Anmerkungen zur Vereinbarung gemacht
Mühldorf. – Der Mühldorfer Stadtrat hat der Zweckvereinbarung mit dem Landkreis, der Gemeinde Mettenheim und der Bayerischen Gedenkstätten grundsätzlich zugestimmt. Das hat Bürgermeister Knoblauch jetzt auf Anfrage bestätigt. Allerdings hat der Stadtrat einige Anmerkungen zu den Baukosten in der Vereinbarung gemacht.
Dabei geht es um den Anteil, den die Stadt zu tragen hat. Nach Angaben Knoblauchs geht der Stadtrat davon aus, dass alle Investitionen für die Stadt mit den in der Zweckvereinbarung festgelegten 200 000 Euro abgegolten sind und keine weiteren Ausgaben dazu kommen.
Aus Stadtratskreisen waren Befürchtungen zu hören, dass die Kosten für den notwendigen Außenaufzug, eine Feuertreppe oder die Klimatisierung zusätzlich auf die Stadt zukommen könnten. Das bestätigte Knoblauch, ohne Einzelmaßnahmen zu nennen: „ Wir gehen davon aus, dass die Baumaßnahmen mit drin sind.“
Insgesamt geht die Zweckvereinbarung davon aus, das Kosten von 800 000 Euro für den Ausbau des Dachgeschoßes des Haberkastens anfallen werden. Dort soll die Dauerausstellung zur Geschichten des Bunkergeländes untergebracht werden. Der Anteil der Stadt liegt bei 200 000 Euro. (hon)
ovb, 10./11.November 2012
Gegen das Vergessen
Er hat den Tod gesehen. Nicht einmal, sondern tausendfach. Mano Höllenreiner kam als Kind ins KZ, wurde auf einen Todesmarsch geschickt. Sein ganzes Leben lang kämpft der Mettenheimer gegen das Vergessen an, "denn das kann ich auch nicht". Nun war er Gast eines Staatsaktes in Berlin. Dort wurde ein Mahnmal eingeweiht.
© OVB
Durch alle Berliner Zeitungen ging Mano Höllenreiners Besuch in Berlin. Zu Hause in Mettenheim bewahrt der 79-Jährige die Artikel auf. Foto bst
Mettenheim - Es ist ein Geruch, der ihm seit rund 70 Jahren in der Nase sticht. Immer, wenn im Konzentrationslager die Schlote rauchten, wusste Mano Höllenreiner, "jetzt werden Menschen verbrannt." Er selbst stand im Qualm. Als kleiner Bub. Mit der KZ-Tätowierung auf dem Arm. Nummer Z3526. "Wäre die aufgerufen worden, hätte ich in die Kammer gehen müssen." So erging es vielen seiner Familienmitglieder. Halb Sinto, halb Jude: "Da war man nur noch Vieh", erinnert sich Höllenreiner.
Die Bilder in seinem Kopf, die hätte er gerne los: "Aber ich kann nicht vergessen", sagt er. Und er will, dass auch sonst niemand vergisst. Deshalb machte sich der Mettenheimer jetzt nach Berlin auf. Mitten in der Hauptstadt wurde ein Mahnmal eingeweiht. Für die Sinti und Roma, die nicht davon kamen. Für die, die sterben mussten. Es wird wohl Höllenreiners letzte Reise gewesen sein: "Ich kann das nicht mehr", sagt er. Jedes Mal, wenn er wieder nach Hause zurückkehrt, sind die Bilder von einst zu präsent. Brennen fast im Hirn, rauben ihm die Kraft. Doch er kann nicht anders. Die Zeitungsartikel, die über ihn verfasst wurden hortet er daheim. Blättert, schaut - und ist ein wenig froh, "weil eben nichts vergessen wird."
Mit vielen prominenten Persönlichkeiten hat Höllenreiner schon gesprochen. Auch nun wieder, in Berlin. Eine Viertelstunde durfte er mit dem Bundespräsidenten Joachim Gauck und seiner Lebensgefährtin sprechen. "Sie ist die netteste Frau, die ich je kennengelernt habe." Außer Ehefrau Else natürlich, "aber die war an dem Tag ja nicht dabei", sagt Höllenreiner und muss schmunzeln. Auch mit Angela Merkel kam er ins Gespräch. "Sie ist viel dünner, jünger und hübscher als im Fernsehen", hat der 79-Jährige beobachtet.
Doch egal ob mit der Kanzlerin oder vor Schülern: Mano Höllenreiner fällt es immer schwerer, über seine Vergangenheit zu sprechen. "Ich bringe einfach nichts mehr raus." Doch im Kopf hört er noch die Schüsse, die fielen, als er auf den Todesmarsch geschickt wurde. "Ich wusste, dass ich tot bin, sollte ich hinfallen." Dann kamen die Männer mit den Waffen. Genauso wie im Konzentrationslager. Da wurde sein Vater kurz vor Kriegsende aus dem Lager geholt: "Er sollte kämpfen", weiß Höllenreiner. Man steckte das Familienoberhaupt in eine SS-Uniform. Und als er sich von seinem Sohn, dem kleinen Mano, verabschieden wollte, da kamen die Soldaten "und schlugen ihn halb tot".
Die Szene ist da. In seinem Kopf. Vergessen kann er nicht. Ob so etwas in Deutschland wieder passieren kann? "Die Welt passt auf", sagt Höllenreiner nur. Er auch. Er muss die Vergangenheit hüten. Unfreiwillig. In seinem Kopf. Als Tätowierung auf dem Arm. Schuldgefühle, die will er der jungen Generationen nicht machen: "Die können doch gar nichts dafür", sagt der Mettenheimer. Doch die Jungen sollen wissen, was damals passiert ist. Und das ist der Grund, warum Mano Höllenreiner sich vielleicht doch noch einmal aufmacht, um ein Mahnmal einzuweihen, oder in Schulen als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. bst
Die Ruine lassen, wie sie ist
ovb, 10.12.2012
Mettenheim - Das Staatliche Bauamt Rosenheim hat für die Stiftung Bayerische Gedenkstätten einen Planungswettbewerb für die Gestaltung des Gedenkortes im Mühldorfer Hart durchgeführt.
© OVB/Grafik Latz & Partner
Ein Steg aus rostendem Stahl ermöglicht den Besuchern einen Überblick über das Ausmaß der Anlage.
Am Freitag wurde nun der Sieger präsentiert: das Landschaftsarchitekturbüro "Latz und Partner". Sieben Architektur- und Landschaftsbüros nahmen an dem Wettbewerb teil. Die Aufgabe bestand laut Dr. Walter Irlinger vom Landesamt für Denkmalpflege darin, eine "würdige Gestaltung für die drei Erinnerungsorte" im Mühldorfer Hart zu entwickeln: für das Waldlager ebenso wie für das ehemalige Massengrab und das Bunkergelände.
"Dabei kann man mit Sicherheit zu 100 Prozent alles falsch machen. Zugleich ist es ausgeschlossen, zu 100 Prozent alles richtig zu machen", umriss Professor Peter Latz die Herausforderung. Vor allem zwei Klippen gelte es zu umschiffen: "Wir wollen keine Verherrlichung des Geländes, wollen aber auch keinen Waldlehrpfad." Sein Landschaftsarchitekturbüro "Latz und Partner" aus Kranzberg bei Freising hatte die Jury am meisten überzeugt - auch, weil er den finanziellen Rahmen eingehalten hat. "1,5 Millionen Euro Baukosten" lautete die Vorgabe.
Bei aller Diskussion habe sich schnell herauskristallisiert, welcher Entwurf das Rennen machen würde, erklärte Eugen Bauer, Leiter des staatlichen Bauamtes Rosenheim. "Neben der hohen architektonischen und gestalterischen Qualität überzeugte das Preisgericht der respektvolle Umgang mit den baulichen und topografischen Überresten. Er lässt den drei Orten ihre Brutalität, ihre Unwirtlichkeit und damit ihre betroffen machende Besonderheit."
Dem schloss sich bei der Präsentation der Entwürfe und des Siegers am Freitag im Kulturhof Mettenheim auch Landrat Georg Huber an: "Es ist der Plan, der am wenigsten stark in die Umgebung eingreift."
"Zusammenhänge verstehen - gegen das Vergessen" heißt die Leitidee des Entwurfs, für den neben Peter Latz auch sein Sohn Tilman, Michael Stegmeier und Daniela Strasinsky verantwortlich zeichnen. Neben Erinnerungssteinen dienen drei offene Räume der Information. Beim Bunkerbogen soll ein Steg aus rostendem Stahl den Besuchern einen Überblick über das Ausmaß der Anlage ermöglichen. "Die Ruine lassen, wie sie ist", gibt Peter Latz das Motto vor. "Und nur ganz vorsichtig etwas hinzufügen."
Was die Sicherung des Geländes betrifft, wehrt sich Peter Latz ausdrücklich gegen eine Umzäunung: Man soll das Geld nicht in die Zäune stecken, die helfen nur gegen Hasen." Vielmehr gehe es darum die Besucher durch dezente Hinweise auf den richtigen Wegen zu halten.
Die Festlegung auf einen Entwurf sei nicht nur eine "zentrale Etappe", sondern auch ein "klares Signal an die Überlebenden", erklärte Dr. Gabriele Hammermann. Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau hob die besondere Bedeutung des Bunkergeländes im Mühldorfer Hart heraus: "Es ist einer der letzten Schauplätze des Holocaust, an dem die 'Vernichtung durch Arbeit' derart sichtbar ist."
Von einem "großen Schritt" sprach Eva Köhr als Vorsitzende des Fördervereins Kreisheimatmuseum Mühldorf, in dem die begleitende Dauerausstellung zu sehen sein soll. "Jetzt wissen wir zum Beispiel genau, welche Grundstücke für welche Maßnahmen betroffen sein werden."
Darüber hinaus gebe es allerdings keine Neuigkeiten. Das heißt: Die Gespräche mit den Grundstückseigentümern laufen, der Bundesantrag ist gestellt und einen konkreten Termin für die Umsetzung des Siegerentwurfs gibt es nicht. "70 Jahre Kriegsende", sagt Eva Köhr. "Das war mal unser Ziel."
„Zusammenhänge verstehen – gegen das Vergessen“
Wettbewerb entschied über Gestaltung des KZ-Gedenkortes im Mühldorfer Hart – Bau-Budget: 1,5Millionen Euro
Von Robert Attenhauser/pnp/10.12.2012
Das Gedenken an tausende KZ-Opfer, die gigantische Rüstungsbaustelle, das nach außen unveränderte Waldgebiet − die Entscheidung über die Gestaltung eines Gedenkortes rund um den NS-Bunker im Mühldorfer
Hart ist gefallen. Landschaftsarchitekt Tilmann Latz stellte seinen Entwurf am Freitag im Mettenheimer
Kulturhof vor: „Zusammenhänge verstehen – gegen das Vergessen“ lautet die Leitidee.
Das Architekturbüro Latz + Partner aus Kranzberg bei Freising hatte sich gegen sechs Mitbewerber durchgesetzt. 1,5 Millionen Euro kann die Umsetzung kosten – vorausgesetzt, der Bund zahlt einen Zuschuss. Die Entscheidung fällt in den nächsten zwei Monaten.
Der Mühldorfer Kreistag hat bereits die Übernahme jährlicher Unterhaltskosten in Höhe von etwa 100 000 Euro beschlossen. Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Landkreis und Stadt Mühldorf und die Gemeinde Mettenheim
hatten sich im September auf die Errichtung einer Gedenkstätte geeinigt. Dabei geht es neben dem Bunkerareal und den notwendigen Wegen und Parkplätzen auch um den Ausbau einer Dauer-Ausstellung im Haberkasten. Das
ganze Projekt umfasst etwa 3,2 Millionen Euro. Der Bund soll 1,6 Millionen Euro zusteuern, die Stiftung hat 1,2 Millionen zugesagt, Landkreis und Stadt wollen sich mit je 200 000 Euro beteiligen.
Neben dem Zuschuss gibt es zwei weitere Probleme: Zwar sind die Eigentumsverhältnisse geklärt. Eine Einigung mit allen Waldbesitzern gibt es aber noch nicht. Ein Gutachten soll über die möglicherweise noch im Boden verbliebenen
Giftstoffe aufklären. Dagegen scheint die jahrelang ins Feld geführte Verkehrssicherungspflicht nur mehr eine kleine Aufgabe zu sein. Offenbar reichen nach Angaben des Staatlichen Bauamtes Rosenheim jetzt Hinweistafeln.
Zentrale Wettbewerbs-Aufgabe war es, eine würdige Gestaltung der drei Erinnerungsorte zu entwickeln:
das Waldlager für die etwa 8300 KZ-Häftlinge, den nie fertiggestellten Rüstungsbunker mit dem Bunkerbogen und das Massengrab.
Etwa 4000 Häftlinge überlebten die Tortur nicht, die im Dachauer Außenlager bei Mühldorf von Mai 1944 bis April 1945 dauerte. In dem Bunker sollten Teile des Jagdflugzeuges Messerschmitt 262 entstehen. „Neben der hohen architektonischen und gestalterischen Qualität des Entwurfs überzeugte das Preisgericht der respektvolle Umgang mit den baulichen und topographischen Spuren“, so Eugen Bauer vom Staatlichen Bauamt. Wichtig war den Juroren, dass die Spuren, der Waldbewuchs, der Verfall, die die Natur hinterlassen hat, sichtbar bleiben. Der zurückhaltende Umgang mit den Gedenkorten war mitentscheidend. Andere Ideen waren zu teuer.
Im Siegerentwurf sind die drei historischen Orte Teile eines Netzes, das durch Erinnerungssteine sichtbar wird. Ein über die gesprengten und zusammengebrochenen Bunkerbogen geführter Steg aus rostendem Stahl soll Besuchern
die Ausmaße des Vorhabens vor Augen führen. Vor dem noch stehenden Bogen ist eine Gedächtnisfläche vorgesehen. Der Entwurf sieht ein nur teilweises Entfernen der aus Betonritzen gewachsenen Bäume vor. Ungewöhnlich
die Gestaltungsidee im Bereich des ehemaligen Massengrabes: dort werden die Bäume in 1,70MeterHöhe abgesägt.
Das Areal erstreckt sich über mehrere Kilometer. Architekt Latz sieht den gesamten Wald als Gedenkort und sagt zum Konzept: „Man muss nicht alle Orte ablaufen, um sie zu erfassen.“ Jeder Gedenkort könne auch für sich allein stehen.
Dr. Gabriele Hammermann von der KZ-Gedenkstätte Dachau sagte, das KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart stehe für das Prinzip der Vernichtung durch Arbeit – für Hammermann hat das Areal in seiner Form ein Alleinstellungsmerkmal
als Gedenkort. Sie hofft, bald im „Sinne der Überlebenden tätig werden zu können. Die warten darauf.“
Dr. Walter Irlinger vom Landesamt für Denkmalpflege listete verbliebene Elemente des Nazi-Projekts auf – von kilometerlangen Erdriegeln, plötzlich im Wald auftauchenden Betonflächen, den Vertiefungen im Boden des Waldlagers bis zum „gigantomanischen Bunker“. All dies zeige die „Grausamkeiten, die Vernichtung, die passiert ist“.
„Der Ort spricht weiter für sich“, sagte Mühldorfs stellvertretende Landrätin EvaKöhr zum Latz-Projekt. Sie setzt auf die aufklärende Wirkung des Gedenkortes, denn „die Braunen sind schon wieder unterwegs.“„Schleunigst in die
Umsetzung kommen“, forderte Landrat Georg Huber angesichts der Bedeutung des ehemaligen Außenlagers
als Gedenkort und für die ehemaligen Häftlinge, zu denen auch Max Mannheimer gehört, der Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau. Huber sagte, Bund und Land müssten bei der Grundstücksregelung im Hart und
bei der Verkehrssicherungspflicht endlich „klar Schiff“ machen. Der jetzt vorgestellte Entwurf „zeigt
deutlich, was wir wollen“.
Der Verein „Für das Erinnern – KZ-Gedenkstätte im Mühldorfer Hart“ bündelt seit 2002 die Erinnerungsarbeit
(
www.kz-gedenk-mdf.de). Einige Wettbewerbsarbeiten sind noch am Samstag, 15., und Sonntag, 16. Dezember, jeweils zwischen 13 und 16Uhr im Kulturhof neben dem Rathaus zu sehen – etwa drei Kilometer vom Bunkergelände
entfernt.