Für das Erinnern
April 2009
Mühldorf. Das Außenlager des KZ Dachau im Mühldorfer Hart wurde am 28. April 1945 evakuiert. Im Rahmen einer Gedenkfeier zum 64. Jahrestag am vergangenen Dienstag präsentierte MdL Karl Freller von der Stiftung bayerische Gedenkstätten eine Außenausstellung mit vier Schaubildern im Umgriff der Wohnhütten, in denen die Gefangenen unter menschenunwürdigen Verhältnissen leben mussten. Diese Exposition soll den Anfang machen für eine größer angelegte Dokumentation, die auch den so genannten Bunker und das Massengrab miteinbeziehen werden.
Freller unterstrich vor rund 50 Zuhörern die Bedeutung von Gedenkstätten, die immer wichtiger würden, wenn Zeitzeugen nicht mehr befragt werden könnten: "Wir müssen diese Orte so sichern, dass nicht vergessen wird, was hier geschah." Aus diesem Grund zeigte er sich umso mehr beeindruckt und erfreut, dass in den Personen von Karl Rom, Uri Chanoch, Abba Naor und Jack Terry vier Überlebende der Konzentrationslager zur Feierstunde gekommen waren. Max Mannheimer, der Freund von Franz Langstein und dessen Verein "Für das Erinnern", war verhindert.
In Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege, den Bayerischen Staatsforsten und dem Staatlichen Bauamt Rosenheim hat die Stiftung Bayerische Gedenkstätten die kleine Außenausstellung errichtet. Eine erhöhte Plattform (Forum) bietet einen Überblick über die Reste der ehemaligen Häftlingsunterkunft. Neben den so genannten Erdhütten sind auch die Relikte der Latrinen sowie des Lagerzauns zu erkennen. Auf großformatigen Tafeln hinter Plexiglas werden diese in deutscher und englischer Sprache erklärt.
"Dies ist der Einstieg in die denkmalpflegerisch und historigraphisch begleitete Entwicklung des Gedenkortes Mühldorfer Hart", erklärte Freller. Weitere Bausteine seien der Bunker und das Massengrab. In diesem Kontext wies er auf bau- und eigentumsrechtliche Unklarheiten hin, die noch bereinigt werden mussten. Freller versprach: "Wir werden alles tun, dass Mühldorf so ist, wie man sich eine würdige Gedenkstätte vorstellt."
Einen entscheidenden Beitrag am Entstehen der ersten Station der Gedenkstätte hatten MdB Stephan Mayer und Staatssekretär MdL Dr. Marcel Huber, lobten Freller und Franz Langstein übereinstimmend. Letzterer betonte, es gehe bei der Gedenkstätte nicht um Betonteile des Bunkers oder Erdhütten, sondern um das unermessliche Leid der Menschen. Insgesamt 8300 Häftlinge, zum Großteil ungarische Juden, mussten in diesem Außenlager von Dachau in der Flugzeugproduktion arbeiten, rund 4000 starben.
Staatssekretär Marcel Huber sprach von schwierigen Prozessen bei der Entstehung der Gedenkstätte. Mit dieser Außenausstellung sei ein guter Einstieg geglückt. Auch er forderte eine weitere Aufarbeitung der Geschichte, die auch einen musea len Bestandteil erhalten solle. Berührend schließlich waren noch die knappen Worte des KZ-Überlebenden Uri Chanoch, der die Arbeit des Mühldorfer Vereins "Für das Erinnern" lobte: "Das verdient Respekt, denn es zwingt sie niemand, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wir sind dafür sehr dankbar." – ecs
Mühldorfer Anzeiger
Mühldorf – Es war der emotionale Höhepunkt einer außergewöhnlichen Gedenkfeier: Der ehemalige KZ-Häftling Uri Chanoch dankte allen, die sich für eine Gedenkstätte im KZ-Außenlager Mühldorf einsetzen: "Wir schätzen eure Arbeit sehr, wir haben Respekt vor euch. Denn niemand zwingt euch, euch damit zu beschäftigen."
Was Chanoch meinte, sahen die fast 100 Besucher der Gedenkfeier zur Räumung des Lagers im Mühldorfer Hart: eine Holzplattform mit Informationstafeln, die den Blick auf überwucherte Reste der Erdhütten lenken, die vor 65 Jahren als Waldlager dienten. Sie sind das erste Zeichen einer kompletten Gestaltung durch die Stiftung Bayerische Gedenkstätten.
Stiftungsdirektor Karl Freller, der sich maßgeblich für eine Gedenkstätte einsetzt, äußerte Respekt vor den ehemaligen Häftlingen, die nach dem "grässlichsten Kapitel der Menschheitsgeschichte" in das Land der Täter zurückgekehrt sind, um "zu sagen was war, damit es nie mehr sein wird". Nachdem es immer weniger Überlebende gebe, würden es "in Zukunft die Orte sein, die Zeugnis geben". Es sei "Verpflichtung, diese Orte zu erhalten".
Seit zehn Jahren treibt der Verein "Für das Erinnern" die Einrichtung einer Gedenkstätte voran. Vereinsvorsitzender Franz Langstein nannte drei Gründe für die Errichtung eines Gedenkortes: Erstens diene er dem Gedenken an die Tausenden Opfer. Zweitens helfe es, die Menschlichkeit und das Streben nach Recht und Freiheit zu bewahren. Drittens bleibe es wichtig, über die Geschehnisse zu reden, um die Erinnerung aufrecht zu erhalten. Langstein kritisierte – ohne die Mühldorfer Hauptschule zu nennen –, dass öffentliche Gebäude nicht nach ehemaligen, noch lebenden Häftlingen benannt würden. Das Gegenteil sei richtig: "Gerade weil er noch lebt, weil er noch mit uns darüber reden kann", müsse ein Gebäude nach ihm benannt werden.
Stellvertretende Landrätin Eva Köhr appellierte, eine würdige Gestaltung unter Einbeziehung der "unmenschlichen Arbeitsstätte am Bunkerbogen zu erreichen". Es müsse für Bund, Land und Grundstücksbesitzer endlich ein gemeinsamer Weg gefunden werden.
Staatssekretär Dr. Marcel Huber begründete den Einsatz für eine Gedenkstätte vor dem Hintergrund der bayerischen Verfassung, die in ihrer Präambel eine Gesellschaft ablehnt, die ohne Achtung vor Gott und der menschlichen Würde handele: "Auch dieser Ort im Waldlager ermahnt uns zur Verantwortung und zur Sichtbarmachung dessen, was geschehen ist." Die Eröffnung des Gedenkorts im ehemaligen Waldlager sei ein erster Schritt: "Der heutige Tag kommt sehr spät", sagt er. "Das sollte aber kein Anlass zur Klage sein, sondern Motivation, uns erst recht einzusetzen."
hon/rob