1. Tatorte in der Nachbarschaft
2. Entwicklungen für eine Gedenkstätte (8.8.2017)
3. Erste Eröffnung im April
4. Bund lehnt Förderung erneut ab
5. Weitermachen trotz fehlöender finanzieller Unterstützung (Leserbrief)
GEDENKFEIER 72 JAHRE NACH DER KZ-BEFREIUNG IM MÜHLDORFER HART
Bei der Gedenkfeier legten Vertreter von Politik, Stiftung und Erinnerungsverein wie Dr. Alexander Skiba, Franz Langstein, Stephan Mayer und Landrat Georg Huber (von links) einen Kranz am Friedhof der Stiftung Ecksberg nieder – dort waren viele Ermordete beerdigt worden. rob
© OVB
Mühldorf – Von Ecksberg aus waren mit Beginn der Aktion „T4“ der Nationalsozialisten im Jahr 1940 etwa 245 Behinderte in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gebracht und vergast worden. Nach vor allem kirchlichem Protest setzten die Nazis in den Folgejahren auf die sogenannte „wilde Euthanasie“. Viele der weiteren 197 Opfer in Ecksberg verhungerten, wurden zum Teil auf dem nahegelegenen Friedhof der heutigen Stiftung Ecksberg beerdigt. Dort, an einer Tafel mit Opfer-Namen legten Vereinsmitglieder einen Kranz nieder. Etwa 60 Besucher gedachten der Opfer in Ecksberg und im KZ-Außenlager unter dem Motto „Die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar“.
Redner, darunter CSU-Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer und Stiftungsleiter Dr. Alexander Skiba erinnerten bei der Gedenkfeier in der Stiftungskirche an die Geschichte und die daraus resultierende Forderung, sich der Geschichte zu stellen und für die Zukunft Konsequenzen daraus zu ziehen.
Mayer sagte mit Blick auf das Gedenkmotto und den Artikel 1 des Grundgesetzes, die Bundesrepublik habe Lehren aus den NS-Verbrechen gezogen. Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnere, werde das Vergangene erneut durchleiden.
Für Mühldorfs Landrat Georg Huber bleibt es eine „Pflichtaufgabe“ an die Gewaltherrschaft zu erinnern. Die Vergangenheit zeige, welche Wege in die Irre führten. Für die Zukunft sei „aktives Gegensteuern“ nötig. Gedenken sei Rückblick aber auch ein notwendiger Blick nach vorne. Huber erinnerte an den im vergangenen September gestorbenen ehemaligen KZ-Häftling Max Mannheimer, der über Jahrzehnte vor allem in Schulen berichtet hatte.
Dr. Alexander Skiba, Vorstand der Stiftung Ecksberg, schilderte die Geschichte des Mordens in der Behinderten-Einrichtung während der NS-Diktatur und erinnerte daran, dass am Friedhof Altmühldorf nach dem Beerdigen von 68 Opfern innerhalb von vier Monaten kein Platz mehr war, dass das Holz für Särge nicht mehr ausreichte. Die Stiftungseinrichtungen dienten später als Unterkunft für die Mitarbeiter der NS-Organisation Todt beim Bau des Rüstungsbunkers. Pfarrer Alois Hopf sagte, Wachsamkeit und Achtsamkeit seien notwendig, damit der Mensch auch in Zukunft in Würde leben könne. Auch das Vergessen sei eine schlimme Katastrophe.
Der Vereinsvorsitzende Franz Langstein erklärte, in Bayern gebe es als Tatorte nicht nur die Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg. Es gebe vielmehr „Orte des Grauens“ auch in „unmittelbarer Nachbarschaft“. Diese Orte seien ein „politisches, menschliches und kulturelles Lehrstück“ – doch es brauche demokratische Bürger, die auch das benennen würden, was in ihrer Nachbarschaft passiert sei.
Ehemalige Schüler des Gymnasium Gars bieten über das Kreisbildungswerk Führungen in der künftigen Gedenkstätte KZ-Mühldorfer-Hart an – als Ergebnis eines Seminars im Abitur-Jahrgang.
Marcel Huber im Rahmen des “Aktuellen Sommerinterviews“ im OVB vom 8.8.2017:
Gibt es neue Entwicklungen für eine Gedenkstätte des ehemaligen KZ-Außenlagers Mühldorfer Hart?
"Wir sind auf einem guten Weg. Die Gespräche mit allen Beteiligten, von den privaten Grundstücksbesitzern bis hin zum Bund, verlaufen sehr konstruktiv. Es sind zwar noch ein paar anspruchsvolle Details zu klären, aber Lösungen sind in Sicht. Erfreulich ist, dass schon einzelne Teile des Gesamtkonzepts für einen würdigen Gedenkort bald realisiert werden können. Die Gestaltung der zwei Bereiche Waldlager und Massengrab wurde beauftragt. Ende April 2018 sollen die Ausstellungen eröffnet werden.“
KZ-GEDENKSTÄTTE IM MÜHLDORFER HART
Erste Eröffnung im April
Das ehemalige Massengrab und das Waldlager sind die ersten beiden Gedenkorte, die eröffnet werden.
© OVB
Mit dem ehemaligen Massengrab und Waldlager sollen im April 2018 zwei der drei KZ-Gedenkorte im Mühldorfer Hart eröffnet werden. Dagegen könnten noch Jahre vergehen, bis auch der dritte Gedenkort am Bunkerbogen eingeweiht werden kann.
Mühldorf – „Im April 2018 wird eröffnet“: Ulrich Fritz, der bei der Stiftung Bayerische Gedenkstätten für die KZ-Außenlager zuständig ist, legt sich fest. „Dieser Termin ist auch politisch gewollt, daran wird nicht mehr gerüttelt.“ Bleibt die Frage, was genau eröffnet wird: „Der Gedenkort Waldlager auf jeden Fall. Ob wir mit dem ehemaligen Massengrab bis dahin fertig werden, steht noch nicht fest.“
Dennoch: Nach jahrzehntelanger Erinnerungsarbeit, nach unzähligen Besprechungen, nach vielen Rückschlägen ist allen Beteiligten die Erleichterung und Vorfreude anzuhören. Franz Langstein, Vorsitzender des „Vereins für das Erinnern“ spricht nach der Eröffnung der NS-Dauerausstellung im Haberkasten von einem „weiteren großen Schritt“; Eva Köhr als Koordinatorin des Arbeitskreises zur Errichtung der Gedenkstätte von „vielen positiven Nachrichten in den letzten Monaten“.
Zitate der ehemaligen Häftlinge am Wegrand
Geplant sind an den beiden ersten Gedenkorten neben Informationsschleusen sogenannte narrative Wege mit Zitaten ehemaliger Häftlinge. „So bekommen Besucher einen Einblick in das Leben und Sterben vor Ort“, erklärt Franz Langstein.
Die Vorarbeit sei erledigt, bestätigt Eva Köhr. „Der Arbeitskreis war fleißig, die entsprechenden Zitate sind ausgewählt, inhaltlich haben wir unsere Hausaufgaben für Waldlager und Massengrab erledigt.“ Schon in der nächsten Sitzung in knapp zwei Wochen soll über mögliche Texte am dritten Gedenkort Bunkerbogen gesprochen werden.
Wann dieser dritte, zentrale Gedenkort fertig ist, steht noch in den Sternen. „Da werden noch Jahre vergehen“, glaubt Langstein; Köhr grenzt den Zeitraum auf zwei bis drei Jahre ein. Und Ulrich Fritz? Nennt die Jahreszahlen der aktuellen Planung. „Im Idealfall könnten Ende 2018 die Kampfmittel beseitigt sein, 2019 könnten wir dann anfangen zu bauen. Für 2019/2020 haben wir Bundesmittel beantragt.“ Dieser Antrag war 2013 schon einmal gescheitert, nun stünden die Vorzeichen deutlich besser, glaubt Fritz (siehe Infokasten). Insgesamt 2,3 Millionen Euro sind für die Baumaßnahmen im Mühldorfer Hart veranschlagt.
Die Finanzierung des Projekts war lange nur eine von vielen Hürden, die es zu überwinden galt. Inzwischen wurden in allen Bereichen entscheidenden Fortschritte erzielt: von der Verkehrssicherung vor Ort über die Beseitigung der Kampfmittel in über 100 Sprengtrichtern bis zu den Grundstücksfragen mit 20 Eigentümern.
Noch Gespräche mit Eigentümern nötig
Federführend in vielen Gesprächen war Staatsminister Dr. Marcel Huber, der klar macht, dass die Arbeit nach der Eröffnung der beiden ersten Gedenkorte noch lange nicht getan ist. Die Gespräche mit den Grundstückseigentümer müssen weiter gehen, obwohl Huber schon erste Erfolge verkünden kann: „Wir sind sehr weit und haben die Erlaubnis, das Gelände zu betreten und dort zu arbeiten.“ Er glaubt, dieses Flurbereinigungsverfahren dauert noch mindestens drei Jahre.
So wichtig, wie die Einigung mit den Grundstücksbesitzern ist nach seiner Einschätzung die Einigung mit dem Bund. Er finanziert laut Huber die Untersuchung auf Sprengstoff und die Räumung. Darüber hinaus sei der Bund bereit, bei der Übergabe der Verkehrssicherungspflicht an den Freistaat zu zahlen. Derzeit werde erarbeitet, wie groß das Areal sein wird, das zum Schutz von Besuchern eingezäunt wird.
Die Festlegung auf eine Einzäunung, die voraussichtlich nicht das gesamte Bunkergelände umfasst, sei dann die Basis für die weiteren Übergabeverhandlungen mit dem Bund. Unterschrieben sei noch nichts, aber: „Wir sind sehr nahe an einer Lösung.“ ha/hon
ovb, 23.12.17
Bunker: Bund lehnt Förderung erneut ab
Berlin – Der Bund hat erneut einen Antrag auf Förderung der Gedenkstätte im Mühldorfer Hart abgelehnt.
In einem Brief an Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer (CSU) schreibt Staatsministerin Prof. Monika Grütters, dass die „inhaltlichen Bedenken“ eines Expertengremiums weiter gelten würden. Schon 2012 hatte der Bund den Antrag abgelehnt. In ihrem Brief an Mayer schreibt Grütters von „der geringen authentischen Überlieferungssubstanz“ und „mangelnder Exemplarität“, da das Thema Rüstungsbauten bereits in zwei anderen Gedenkstätten in Nord- und Mitteldeutschland thematisiert sei. Kritik übt die Ministerin an der Trennung von Gedenkort und Dokumentation im Mühldorfer Haberkasten und den ungeklärten Grundstückfragen im Hart.
Mayer, der Grütters den Förderantrag übergeben hatte, machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Er sprach von einer „hanebüchenen Begründung“ und nannte das Argument der fehlenden Authentizität „nahezu absurd“. Er fürchtet: „Das Signal ist fatal.“ In einem Brief an Grütters schreibt Mayer angesichts des erstarkten Rechtspopulismus: „Wir sollten in allen Teilen unseres Landes Flagge zeigen und die Geschichte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht in Vergessenheit geraten lassen.“ Trotz des ablehnenden Bescheids betont Mayer: „Die Gedenkstätte wird nicht scheitern.“ hon
ovb, Leserbrief zum vorstehenden Artikel
Weitermachen trotz fehlender finanzieller Unterstützung
Zum Bericht „Bunker: Bund lehnt Förderung erneut ab“ (Regionalteil):
Ein interessantes Weihnachtsgeschenk: Die Ablehnung des Bundes, sich finanziell für die Förderung einer Gedenkstätte im Mühldorfer Hart zu engagieren. Wenn auch nicht unerwartet. Dass Stephan Mayer als Bundestagsabgeordneter und unermüdlicher Unterstützer der Gedenkstättenbemühungen enttäuscht ist, ist nach vollziehbar. Dass die „Experten-kommission“ nach erneutem Befragen ihrer Ministerin nichts anderes gesagt hat wie beim ersten Mal, ist zu erklären: Wer widerlegt sich schon gerne selber, wenn er Experte ist und nicht auf die Wählergunst zu achten braucht? Bemerkenswert sind aber die Signale die von der Ablehnung ausgehen: Wir unterstützen in Mühldorf nichts, denn wir haben ja in Norddeutschland schon einmal etwas zu dem Thema gemacht: Abhakpolitik nenne ich das. Das Gegenteil wäre Unterstützung von Bestrebungen von Teilen der Bevölkerung zur Sicherung der Demokratie durch Aufklärung über begangene Fehler. Das Weihnachtsgeschenk beinhaltet aber noch ein paar Präsente. Der bayerische Staat in Person von Ministerpräsident Seehofer hat sich gegenüber Max Mannheimer und Dr. Jochen Vogel verpflichtet, eine Gedenkstätte zu bauen und hat die Stiftung bayerischer Gedenkstätten beauftragt, die Planung und Durchführung zu organisieren. Mit der Bundesvermögensverwaltung ist man im Gespräch über entsprechende Ausgleichszahlungen bei einer Übernahme der Verkehrssicherungspflicht für das Gebiet des Rüstungsbunkers. Dass man die frühere Uneinigkeit mit Grundstückseigentümern heranzieht, deklariert die Entscheidung der Experten mit hoher Ausredenqualifikation. In Wirklichkeit ist es den Experten egal, was die „niederen“ Verwaltungsebenen für Probleme bei einer Umsetzung haben. Was macht man nun, wenn man ein Geschenk nicht bekommt? Jammern? Das verbietet der Stolz. Es heißt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (und nicht: außer man lässt es tun).
Josef Wagner Mühldorf
28. April 2017, 18Uhr.
Gedenkfeier am Friedhof der Stiftung Ecksberg
Ebinger Straße1, 84453 Mühldorf a. Inn
Motto: »Die Würde eines jeden Menschen
ist unantastbar…«
Grußworte
Georg Huber
Landrat
Dr. Alexander Skiba
Stiftung Ecksberg
Geistliche Worte
Engelbert Hopf
Pfarrer
Ansprache
Stephan Mayer
MdB
Veranstalter:
Für das Erinnern – KZ-Gedenkstätte Mühldorfer Hart e.V.
Bilder der Gedenkfeier (H. Baumert)
Rede des Leiters der Stiftung Ecksberg. Dr. Alexander Skiba
Bundestagsabgeordneter Stefan Maier bei seiner Rede
Pfarrer Hopf bei seiner Ansprache
Der Kranz des Vereins "Für das Erinnern"