Für das Erinnern
ovb, 27.01.2016
Am heutigen Mittwoch ist Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Wer sich über die NS-Zeit im Landkreis Mühldorf informieren möchte, kann dies in der neuen Dauerausstellung im Haberkasten tun. Im Interview zieht Projektleiter Marc Spohr eine erste Bilanz und spricht über Reaktionen sowie besondere Begegnungen.
Acht Wochen nach der Eröffnung: Wie fällt das erste Fazit für die Ausstellung aus?
Positiv. Bereits die Ausstellungseröffnung am 21. November bewegte mit den eindrucksvollen Reden der beiden KZ-Überlebenden Imre Varsányi und Max Mannheimer alle Teilnehmer. Seitdem haben viele Interessierte die Ausstellung besucht. Alleine am Sonntag des Christkindlmarktes waren 350 Besucher in der Ausstellung.
Wie fielen die Reaktionen aus – positiv wie negativ?
Gelobt wurde vor allem die luftig wirkende Gestaltung der Ausstellung, obwohl wir im zweiten Obergeschoss auf 300 Quadratmetern sehr viele Themen behandeln. Positiv werden auch die biografischen Geschichten und die sehr persönlichen Audio- und Videostationen in der Ausstellung aufgenommen. Diese ermöglichen einen sehr emotionalen Zugang zum Thema. Immer wieder ist deshalb auch zu hören, dass die Ausstellung zugleich sehr bedrückend sei. Man sollte deshalb Ruhe und Zeit mitbringen.
Gab es besondere Begegnungen mit Besuchern?
Die Führung mit dem KZ-Überlebenden Imre Varsányi und dessen Frau war sicher ein besonderer Moment. Vor allem, als er am Ende der Führung seinen Onkel im Totenbuch der Ausstellung fand. Bei weiteren Führungen lernte ich sowohl Verwandte von ehemaligen KZ-Häftlingen als auch von ehemaligen Lageraufsehern des KZ-Außenlagerkomplexes Mühldorf kennen. Diese Begegnungen sind nicht nur spannend, wir erhoffen uns dadurch auch neue Erkenntnisse.
Ist die Ausstellung für die einheimische Bevölkerung auch nach so vielen Jahren noch Teil der emotionalen Aufarbeitung ihrer Geschichte?
75 Jahre schaffen eine natürliche Distanz, zumal die Zahl der Zeitzeugen immer geringer wird. Gerade jüngeren Besuchern zeigt die Ausstellung, wie sich selbst in dieser landwirtschaftlich geprägten Region das NS-Regime etablieren konnte und welche Folgen das hatte. Von der Ermordung der Pfleglinge der damaligen Anstalt Ecksberg über das Schicksal der Babys von osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen im sogenannten Kinderpflegeheim in Burgkirchen bis hin zur Behandlung der KZ-Häftlinge in den Mühldorfer Lagern: Das alles zeigt auf sehr erschütternde Weise, wie Menschen im Nationalsozialismus auch in der Region das Menschsein abgesprochen wurde. Wir erzählen daher auf der einen Seite, was vor über 70 Jahren hier passiert ist, und beschreiben auf der anderen Seite Gefahren, die auch heute von extremistischen Bewegungen ausgehen.
Ihre Arbeit als Projektleiter ist beendet: Wie geht es nun weiter mit der neuen Dauerausstellung?
Neben dem Angebot für Führungen steht mit Sicherheit die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und den Schulen im Fokus. Zudem ist die Ausstellung Teil des Gedenkstättenkonzepts, zu dem auch die geplanten Gedenkorte am ehemaligen Massengrab, Waldlager und an der Bunkerbaustelle gehören. Daher wird es dauerhaft Ziel sein, viele Menschen durch den Besuch der Ausstellung zum Besuch der Gedenkorte im Mühldorfer Hart zu bewegen und umgekehrt, die hoffentlich bald entstehen.