Für das Erinnern
Weil man mit den jüdischen Kapos nicht zufrieden war und ihnen vorwarf, dass sie zuviel Nachsicht mit ihren Mithäftlingen hatten, wollte man mehr Distanz zwischen arbeitenden Häftlingen und Kapos schaffen:
Die Kapos hatten verschiedene Aufgaben. Eine war die Beaufsichtigung und das Antreiben der Häftlinge zur Arbeit:
Rudolf Tessler beschreibt das in "Letter for my children" so:
"Die Kapos standen da um sicher zu stellen, dass man nicht nachlässig wurde, denn wenn man sich zu langsam bewegte, hätte die Maschine nicht genügend Zement. Man musste diese Säcke die ganze Zeit in der Schicht tragen. Man konnte nicht einmal stehenbleiben, um zur Latrine zu gehen. Man hat einen Sack die Rampe hinaufgetragen und ging auf einer anderen herunter, um den nächsten zu holen. Das ging so für die zwölf folgenden Stunden. Man war immer mit Zement bedeckt und musste ständig den Staub einatmen."
und an anderer Stelle:
"Als der Herbst kam und es begann kalt zu werden, begannen die Männer zu sterben. Zur selben Zeit wurde die Arbeit härter. Die Kapos waren grausam. Im Waldlager waren fast alle Kapos Juden. Einer von ihnen, ein kleiner Bursche, der ein holländischer Jude war, wurde "Al Capone" genannt. Er war so grausam, wie man nur sein kann."
Rudolf Tessler sieht das in seinem Buch "Letters for my children" so:
"In unserem Lager waren viele Häftlinge zusätzlich zu denen, die aus Warschau gebracht worden waren. Manche waren deutsche Kriminelle, zu erkennen an den roten Dreiecken auf ihren Häftlingsuniformen. Einige waren polnische Juden, die nach Frankreich oder Belgien emigriert waren. Sie waren einige Zeit Häftlinge gewesen und können als barbarisch bezeichnet werden. Als solche waren sie sehr gut ausgebildet. Von dieser Gruppe wurden die Kapos und Blockältesten berufen. Die Kapos waren nicht damit zufrieden, nur zu überleben. Sie wollten mehr Essen, Whiskey, Kleidung, mehr von allem, was sie kriegen konnten.
Als Kapo oder Blockältester wurdest du nicht plötzlich barbarisch. Du hast es nach einiger Zeit beherrscht. Dann wurdest du ein Experte. Sie wurden immer mit fortschreitender Zeit wilder; umso grausamer sie waren, umso besser waren ihre Chancen zu überleben. Sie hatten eine angeborene Neigung barbarisch zu sein; nun an diesem unaussprechlichen Ort, hatten sie eine Gelegenheit sie auszuleben. Aber es war nicht genug, Häftlinge schlecht zu behandeln; die Kapos raubten ihre Opfer aus von allen erbärmlichen Besitztümern, die sie sich wünschten.
Als Anführer wollten die Kapos und Blockältesten mehr tun als nur überleben. So nahmen sie sich die Dinge von anderen Insassen, die sie wollten, Essen, Zigaretten, Whiskey oder bessere Kleidung. Es gab eine Menge Handel. Von Zeit zu Zeit konnten die Insassen auf der Baustelle handeln und sie brachten zurück, was sie erhalten hatten, um mit den Blockältesten und Kapos im Lager zu handeln.
Es gab natürlich verschiedene Wege für die Blockältesten und Kapos zu bekommen, was sie wollten. Wenn jemand zum Beispiel eine Jacke hatte, die sie wollten, schlugen sie ihn entweder oder nahmen sie ihm einfach weg oder sie töteten ihn – was nicht ungewöhnlich war. Oder sie tauschten etwas dafür. Vielleicht gaben sie dem Besitzer der Jacke ein bisschen mehr zu essen.
Manche Kleidungsstücke wurden ihm Lager selbst gemacht. Es gab viele Insassen, die Schneider waren. Was bestimmte, ob du die Spitze der Macht erreicht hattest, war die Art der Mütze, die du trugst. Den Kapos und Blockältesten wurde erlaubt Mützen zu tragen wie die Zivilisten. Ich weiß nicht, warum. So machten sie einige von ihnen oder hatten einfallsreiche Mützen mit Borten von denen sie dachten, dass sie auffälliger als Mützenschirme seien.
Die Wahrheit ist, dass kein Kapo oder Blockältester ein Intellektueller war. Die Kapos überlegten nicht. Alle Handlungen waren Reflexe. Wenn ein Kapo einen Deutschen kommen sah, entweder einen SS-Soldaten oder eine Soldaten der Wehrmacht, war das erste was er tat, sich jemanden zu greifen und zu beginnen, ihn zu schlagen. Das war, wie sie ihren Job interpretierten."
Der Kapoposten war ähnlich wie der des Blockältesten einer, der Macht über ander Häftlinge verlieh:
Rudolf Tessler:
"Keiner der Kapos hatte einen Sinn von Moral. Wenn sie ihn einmal hatten, dann war er längst vorbei. Das einzige was sie hatten, war ihr Machtstatus. Für einen Blockältesten war klar, dass er eine Reihe Leute für sich arbeiten ließ. Das bedeutete natürlich, dass er diese Leute unterstützen musste. Wie machte er das. Er benutzte das Essen.
Der Blockälteste hatte die Kontrolle über die Kessel mit der Suppe und seine Verteilung. Er nahm das Maß mit dem Schöpflöffel. Wenn er ein bisschen weniger in die Schale eines Häftlings gab, war mehr für seine Untergebenen übrig. So spielte er seine Macht aus und das war die Macht über Leben und Tod."
bearbeitet und ergänzt: 12.12.2017