Für das Erinnern
Wo Not ist, da sinken auch die moralischen Maßstäbe und das eigene Überleben wird zur Richtschnur des Handelns.
Überlebende schildern das so, z.B. Rudolf Tessler: ("Letters for my children")
"In unserem Lager waren viele Häftlinge zusätzlich zu denen, die aus Warschau gebracht worden waren. Manche waren deutsche Kriminelle, zu erkennen an den roten Dreiecken auf ihren Häftlingsuniformen. Einige waren polnische Juden, die nach Frankreich oder Belgien emigriert waren. Sie waren einige Zeit Häftlinge gewesen und können als barbarisch bezeichnet werden. Als solche waren sie sehr gut ausgebildet. Von dieser Gruppe wurden die Kapos und Blockältesten berufen. Die Kapos waren nicht damit zufrieden, nur zu überleben. Sie wollten mehr Essen, Whiskey, Kleidung, mehr von allem, was sie kriegen konnten.
Als Kapo oder Blockältester wurdest du nicht plötzlich barbarisch. Du hast es nach einiger Zeit beherrscht. Dann wurdest du ein Experte. Sie wurden immer mit fortschreitender Zeit wilder; je grausamer sie waren, umso besser waren ihre Chancen zu überleben. Sie hatten eine angeborene Neigung barbarisch zu sein; nun an diesem unaussprechlichen Ort, hatte sie eine Gelegenheit sie auszuleben. Aber es war nicht genug, Häftlinge schlecht zu behandeln; die Kapos raubten ihre Opfer aus von allen erbärmlichen Besitztümern, die sie sich wünschten.
Als Anführer wollten die Kapos und Blockältesten mehr tun als nur überleben. So nahmen sie sich die Dinge von anderen Insassen, die sie wollten, Essen, Zigaretten, Whiskey oder bessere Kleidung. Es gab eine Menge Handel. Von Zeit zu Zeit konnten die Insassen auf der Baustelle handeln und sie brachten zurück, was sie erhalten hatten, um mit den Blockältesten und Kapos im Lager zu handeln.
Es gab natürlich verschiedene Wege für die Blockältesten und Kapos zu bekommen, was sie wollten. Wenn jemand zum Beispiel eine Jacke hatte, die sie wollten, schlugen sie ihn entweder oder nahmen sie ihm einfach weg oder sie töteten ihn – was nicht ungewöhnlich war. Oder sie tauschten etwas dafür. Vielleicht gaben sie dem Besitzer der Jacke ein bisschen mehr zu essen.
Manche Kleidungsstücke wurden ihm Lager selbst gemacht. Es gab viele Insassen, die Schneider waren. Was bestimmte, ob du die Spitze der Macht erreicht hattest, war die Art der Mütze, die du trugst. Den Kapos und Blockältesten wurde erlaubt Mützen zu tragen wie die Zivilisten. Ich weiß nicht, warum. So machten sie einige von ihnen oder hatten einfallsreiche Mützen mit Borten von denen sie dachten, dass sie auffälliger als Mützenschirme seien.
Die Wahrheit ist, dass kein Kapo oder Blockältester ein Intellektueller war. Die Kapos überlegten nicht. Alle Handlungen waren Reflexe. Wenn ein Kapo einen Deutschen kommen sah, entweder einen SS-Soldaten oder eine Soldaten der Wehrmacht, war das erste was er tat, sich jemanden zu greifen und zu beginnen, ihn zu schlagen. Das war, wie sie ihren Job interpretierten.
und an anderer Stelle:
"Aber die Saloniki-Juden waren auch gerissen und gewitzt, und wir mussten sehr vorsichtig mit ihnen sein, denn sie bestahlen uns. Sie waren sehr erfahren im „organisieren“. Sie hatten es meisterlich gelernt, denn sie waren schon eine lange Zeit in den Lagern.
Oft, wenn wir unsere Suppe bekamen, und hatten ein Stück Brot in der einen Hand, schnappten sich die Griechen das Brot. Es verschwand einfach. Jemand hatte vielleicht eine Mütze oder ein paar Schuhe in gutem Zustand, aber wenn sie ausgezogen wurden, verschwanden sie. Dann wurden sie an jemanden verkauft, einem Kapo oder einem Blockältesten für ein Stück Brot oder eine weitere Schale Suppe, um einen besseren Platz auf den Stockbetten zu bekommen oder zu einer Arbeitsgruppe zu kommen, die weniger Rückenprobleme brachte."
ergänzt und bearbeitet am: 12.12.2017