Für das Erinnern
Nach Prof. Dieter Pohl, Holocaust, Die Ursachen - das Geschehen - die Folgen, Herder, 2000.
siehe auch: Christian Gerlach/Götz Aly, Das letzte Kapitel (Der Mord an den ungarischen Juden 1944-1945), 2002, ISBN 3-596-15772-2
Eine Darstellung der Deportationen der Juden und ihre zeitliche Einordnung finden Sie unter anderem hier:
01.04.1933 | Boykott der Geschäfte jüdischer Eigentümer |
07.04.1933 | Entlassung von Juden aus der Beamtenschaft möglich |
22.04.1933 | Jüdischen Ärzten wird ihre Zulassung entzogen |
21.04.1933 | Verbot der koscheren Schlachtung |
14.07.1933 | Zwei Gesetze ermöglichen die Enteignung und Ausbürgerung von Juden |
22.09.1933 | Ausschluss von Juden aus dem Kulturleben |
04.10.1933 | Berufsverbot für jüdische Journalisten |
25.03.1934 | Gunzenhausen: Ausschreitungen gegen jüdische Einwohner |
21.05.1935 | Ausschluss nichtarischer Männer aus der Wehrpflicht |
1935 | Nazipropaganda gegen jüdische Viehhändler |
Sommer 1935 | Hetze gegen jüdische Ladenbesitzer |
15.09.1935 | Juden verlieren ihre Bürgerrechte, Heiraten zwischen Juden und Ariern verboten |
Mitte 30er Jahre | Jüdische Unternehmer verlieren ihre Betriebe |
Frühjahr 1938 | Reichsregierung zur Enteignung der Juden entschlossen |
17.08.1938 | Zwangsvornamen für Juden (Sara, Israel) |
05.10.1938 | Einziehung und Kennzeichnung jüdischer Pässe |
28./29.10.1938 | Ausweisung von 17.000 polnischen Juden |
15.11.1938 | Jüdische Schüler müssen deutsche Schulen verlassen |
12.11.1938 | Juden wird der Zutritt zu Veranstaltungen verboten |
09./10.11.1938 | Reichskristallnacht, Synagogen und Geschäfte von SA zerstört |
12.11.1938 | Enteignung der Juden zur Wiedergutmachung |
20.12.1938 | Juden zu unterbezahlten Arbeiten herangezogen |
30.04.1939 | Juden verlieren Mieterschutz |
08.02.1940 | Errichtung eines Ghettos in Lodz |
11.03.1940 | Juden werden Lebensmittelrationen gekürzt |
02.10.1940 | Das Warschauer Ghetto wird eingerichtet |
01.09.1941 | Jeder Jude muss den Judenstern tragen |
29./30.09.1941 | 33.771 Juden bei Babi Yar erschossen |
15.10.1941 | Beginn der Massendeportationen |
Okt. 1941 | Verbot der Auswanderungen |
20.01.1942 | Beschluss zur Endlösung der Judenfrage in der Wannsee-Konferenz |
Frühjahr 1945 | Todesmärsche |
Lange firmierte das Leben in den Arbeitslagern zum Bau von Rüstungsobjekten als "Vernichtung durch Arbeit". Da dieser Begriff voraussetzt, dass mit einer ideologischen Zielorientierung der NS-Führung vorgegangen wurde, die beabsichtigte, die Häftlinge durch Arbeit bis zur Erschöpfung umzubringen, wird dieser Begriff von der Forschung heute ersetzt durch "Vernichtung und Arbeit".
Im letzten Kriegsjahr gab es eine Umorganisation der KZ-Struktur, weil viele Häftlinge in die Nähe von unterirdischen Rüstungsprojekten verlegt wurden, um dort zu arbeiten. (Siehe Hördler, Ordnung und Inferno und Jens Christian Wagner, Produktion des Todes - Das KZ Mittelbau-Dora). Die Federführung hatte SS-Gruppenführer Richard Glücks, der auch die Leitlinien für die Behandlung der Häftlinge ausgab. In disem Zusammenhang wurde der Begriff der "Verlagerungs-KZs" geschaffen. Diese bestanden häufig aus einem Netz von Außenlagern, die zwar an die Stammlager angebunden waren, diese hatten aber vor allem die Funktion der Verteilung der Häftlinge, die Rücknahme von arbeitsunfähigen oder/und kranken Häftlingen und die Regelung von Verhaltensweisen, die nicht den Lagerregeln entsprachen (Diebstahl, Homosexualität, Fluchtversuche).
Gleichzeitig wurden zur Bewachung viele Angehörige der Wehrmacht rekrutiert, die zum Teil frontuntauglich waren. Dies veränderte auch die Lagersysteme, die sich in den verschiedenen Außenlagern zum Teil stark unterschieden, z.B. im Bereich von Strafen, in der Handhabung der Schonungs- und Krankenblöcke. Den Lagerkommandanten wurden dabei mehr eigene Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt als zuvor in den Vernichtungslagern.
Die Vernichtung von Leben wurde hier im Rahmen der Beseitigung der arbeitsunfähigen und schwachen Häftlinge betrieben. Das geschah entweder durch Massentötungen oder Selektionen, wobei die Häftlinge in Vernichtungslager zurückgeschickt wurden.
"Wenn wir an unseren Geschichtsunterricht über das Dritte Reich zurückdenken, ist meistens die Wannseekonferenz und der Beschluss zur sogenannten Endlösung hängen geblieben. Endlösung setzt man dann meistens mit den Vergasungen gleich. Allerdings wurden vorher schon Hunderttausende bei Erschießungen umgebracht.
Außerdem besann sich die Führung des Dritten Reiches, dass man dieses gigantische Arbeiterpotential durchaus auch noch gewinnbringend einsetzen könnte: "Nach den ursprünglichen Absichten von Himmler und Pohl sollte die Arbeit der Häftlinge für den Krieg erschöpfend und mörderisch sein. Die erschöpften und sterbenden Häftlinge sollten durch immer neuen Nachschub ersetzt werden. Bei jeder Gelegenheit betonte Himmler die Notwendigkeit des 'rücksichtslosen Einsatzes', und wenn er befahl, dass auch 'die letzte Arbeitsstunde' genutzt werden müsse, meinte er damit die Ausbeutung der Arbeitskraft bis zur tödlichen Erschöpfung." (Zámecnik Stanislav, Zur Geschichte des Konzentrationslagers Dachau, in: Räume - Medien - Pädagogik hrsg. vom Haus der Bayerischen Geschichte, 1999, S. 86).
Für die Häftlinge der Lager Mettenheim I und Waldlager bedeutete das Ausbeutung bis zur Erschöpfung unter dem Druck von Selektionen für Arbeitsunfähige. Bedroht von Typhus und nur mangelhaft mit einer "Bunkersuppe" ernährt, war das Schwinden der Arbeits- und Lebenskräfte vorprogrammiert.
So war der von mehreren Häftlinge zitierte Satz von Bewachern "Ihr werdet doch nicht meinen, dass ihr aus diesen Lagern noch einmal herauskommt!" weniger eine persönliche Morddrohung, sondern eine Einschätzung der körperlichen Befindlichkeit der Häftlinge.
Alfred Eisler sagt: "Wir waren bestimmt dazu, zu sterben!"