Für das Erinnern
Das Kindergrab an der Nordseite der Kirche St. Johann hat eine leidvolle Geschichte: Es entstand in den Jahren 1944 / 1945 und ist die letzte Ruhestätte von Kleinkindern aus der Ausländerkinderpflegestätte Burgkirchen. Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa, vorwiegend aus Polen und der Ukraine mussten dort ihre Kinder zur Welt bringen und schon kurze Zeit später an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Versorgung und Pflege der Säuglinge in der ungeheizten Baracke waren äußerst mangelhaft und die hygienischen Zustände katastrophal, sodass viele Kinder nur wenige Tage oder Wochen alt wurden. Der damalige Ortspfarrer Karl Fürstberger hat die Kinder im nördlichen Bereich des Friedhofs würdevoll bestattet. 152 Namen hat er im Sterbebuch der Pfarrei verzeichnet. Bereits 1953 wurde die Grabstätte in ihrer heutigen Form angelegt und als Gedenkstätte gestaltet.
Danach ist das Kindergrab weitgehend in Vergessenheit geraten. Erst Rudolf Zeiler, der damalige Ortsheimatpfleger, hat sich Mitte der achtziger Jahre mit den Geschehnissen während der Zeit des Nationalsozialismus in Burgkirchen beschäftigt, hat nachgeforscht und Zeitzeugen befragt und die Öffentlichkeit mit Artikeln im Alt-Neuöttinger Anzeiger darüber informiert.
Die Frauen der Burgkirchner SPD haben diese Artikel aufmerksam gelesen. Das Schicksal der Kinder und das Leid ihrer Mütter hat sie tief berührt. Sie wollten die Grabstätte als Erinnerungsort unter allen Umständen erhalten und mehr über die Hintergründe der unfassbaren Geschehnisse erfahren. Die Erforschung der Geschichte vor Ort während des Dritten Reichs macht das große Ganze besser verständlich, greifbarer. Die konkrete Umsetzung der NS-Ideologie am Heimatort ist aufschlussreich und geht unter die Haut; Täter und Opfer bekommen bekannte Namen, Grausamkeiten und Verbrechen passieren an vertrauten Orten.
Peter Jungblut hat dazu im Hauptstaatsarchiv in München Nachforschungen angestellt und in seiner Broschüre „Tod in der Wiege“ bereits 1989 die wesentlichen historischen Zusammenhänge veröffentlicht.
1985 haben die SPD-Frauen von der Gemeinde die Genehmigung für die Grabpflege erhalten. 1988 fand das erste Gedenken am Kindergrab statt. Alljährlich trifft man sich am Vorabend des Volkstrauertages und gedenkt der Kinder im Rahmen einer kleinen Feier. Die Erinnerung an das Schicksal der Kinder soll so bewahrt und weitergetragen werden. Viele Gruppierungen und Institutionen, vor allem viele Jugendliche haben im Laufe der Jahre das Gedenken mitgestaltet.
2016 hat die Gemeinde Burgkirchen die Grabpflege übernommen. 2017 wurde die Ortsgruppe Burgkirchen des Vereins „Für das Erinnern“ mit Hauptsitz in Mühldorf gegründet. In der Folge haben sich die Aktivitäten der Ortsgruppe stark erweitert: Die Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in der Landwirtschaft in Burgkirchen und der unmittelbaren Umgebung, die intensive Arbeit in den Archiven und die Erforschung immer neuer Quellen zum Thema Ausländerkinderpflegestätte, schließlich die Suche nach Überlebenden und die Kontaktaufnahme mit ihnen und Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen am Ort sind wichtige Themen seither. Die Ortsgruppe möchte sich in umfassender Art und Weise mit der NS-Vergangenheit in Burgkirchen auseinandersetzen. Ausgangspunkt aller Aktivitäten aber ist das Kindergrab auf der Nordseite der Kirche St. Johann – ein Ort der Stille, ein Ort der Nachdenklichkeit und der Erinnerung.
Traditionell am Vorabend des Volkstrauertages wird am Samstag, den 14. November, um 16 Uhr an die Opfer der Ausländerkinderpflegestätte am Kindergrab an der Nordseite der Kirche St. Johann erinnert. Für die musikalische Untermalung sorgen die Familie Deser aus Nonnreit und Sängerin Ewa Figue aus Teising. Es wird auch eine kurze Geschichte aus dem Leben von Marianna Jańczak einer polnischen Zwangsarbeiterin auf dem Fehenbergerhof (1940-1945) in Oberweidach vorgelesen aber auch die Namen der verstorbenen Kinder. Zum Schluss wird der Pfarrer Helmut Eisenrieder eine kurze Rede halten und seinen Segen geben.
Veranstalter ist der Mühldorfer Verein "Für das Erinnern“ - Ortsgruppe Burgkirchen.
Im Verein hat kürzlich Andreas Bialas die Funktion als Sprecher der Ortsgruppe Burgkirchen übernommen. Bisher war Christine Loeffler die Gruppensprecherin der Burgkirchner. Für ihre langjährige ehrenamtliche Arbeit sagte der 1. Vorsitzender Franz Langstein und der Erste Bürgermeister Johann Krichenbauer Dank. Die Mitglieder der Ortsgruppe kümmern sich seit Jahren um das Kindergrab an der Johanneskirche. Das Grab erinnert an 160 ermordete Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa. Die Kinder seien völlig unterernährt und verwahrlost gewesen. Sie lebten nur paar Tage oder Wochen. Die meisten Todesfällen wurden im Sterbebuch der Gemeinde Burgkirchen eingetragen. Zynisch muten die angegebenen Todesursachen an: Lebensschwäche, Herzschwäche, Rachitis, Magenkatarr, Brechdurchfall und andere Gründe. Die Wahrheit ist aber anders. Die Säuglinge starben an mangelnder Pflege, falscher Ernährung und aufgrund der eiskalten Temperaturen in der Einrichtung.
Wir wollen die Erinnerung an das Geschehene wachhalten und die Würde und Anerkennung den Kindern zurückgeben, damit derartige Verbrechen nie wieder geschehen!
Wichtiger Hinweis: auf Grund von Coronavirus bitte auf min. 1,5 Meter Abstand achten.